
Pakistan-Film auf 3sat Allah wird's schon zugrunde richten
Pakistan ist der viertgrößte Milchproduzent der Welt. Es gibt pakistanische Diplomaten, die das regelmäßig betonen, in der Hoffnung, ein positives Image ihres Landes zu erzeugen. Der Journalist Ahmed Rashid, weltbekannt geworden vor gut einem Jahrzehnt mit seinem Buch über die Taliban, denkt ein bisschen weiter. Er fragt: "Warum machen wir daraus nicht ein Riesengeschäft und verkaufen Milchprodukte wie Eis, Joghurt, Butter und Sahne in die ganze Welt?"
Rashid bringt das Dilemma auf den Punkt: Pakistan bleibt weit hinter seinen Möglichkeiten zurück. Die Journalistin Katrin Sandmann lässt ihn in ihrer Dokumentation "Blackbox Pakistan" immer wieder zu Wort kommen. Eine kluge Wahl, denn niemand kritisiert das Land vor einem westlichen Publikum so treffend und zugespitzt wie Rashid. In Pakistan hat er deswegen eine Menge Feinde.
Pakistan, dieses komplexe Land mit gigantischen Problemen, in einer halben Stunde erklären zu können, scheint unmöglich. Der Versuch gelingt trotzdem, weil Sandmann sich auf einen Aspekt beschränkt: die Wirtschaft. Ihr Film ist damit viel näher am Leben der Menschen, als wenn es um Terror und Taliban ginge, was im Alltag der meisten Pakistaner nur am Rande eine Rolle spielt.
Sandmann geht darauf ein, wie die Dauerfehde mit Erzfeind Indien den Wirtschaftsmotor seit Jahrzehnten abwürgt. Wie die Not Unternehmergeist weckt und Menschen mit ein, zwei Dollar am Tag auskommen. Und wie Bildung vernachlässigt wird und die junge Bevölkerung - das Durchschnittsalter liegt bei 21 Jahren - ohne Perspektive dasteht.
"Elite verweigert sich Reformen"
Sie spricht mit einem Bauern, der von einem Großgrundbesitzer wie ein Leibeigener gehalten wird. Er bekommt kein Gehalt, sondern alle sechs Monate zehn Prozent der Ernte. Lebensmittel muss er auf Kredit kaufen, die siebenköpfige Familie lebt in einem kargen Zimmer, neben einem Raum voller Ziegen und Rinder.
Auch einen Großgrundbesitzer befragt sie, einen Mann, der Land im Wert von umgerechnet sieben Millionen Euro besitzt. Der klagt darüber, dass die Infrastruktur sich über die Jahre verschlechtert habe, das marode Eisenbahnsystem etwa. Im Hintergrund reparieren währenddessen seine Arbeiter ein altes Bewässerungssystem für seine Felder. Wie viel er eigentlich seinen Arbeitern zahlt und ob er Steuern abführt, damit der Staat sich ein Schienennetz leisten kann, sagt der Mann nicht.
"Leider verweigert unsere Elite sich dringend notwendigen wirtschaftlichen Reformen", sagt Rashid. "Wir zahlen kaum Steuern. Das ist nicht durchsetzbar. Niemand würde zahlen." Tatsächlich hat das Land eine der niedrigsten Steuerquoten weltweit, kassiert aber gleichzeitig Finanzhilfen aus dem Ausland. Kein Wunder, dass allen voran die USA immer wieder fordern, Pakistan solle seine Steuerpolitik korrigieren.
Das findet auch Mian Muhammad Mansha, ein Industrieller und der erste Pakistaner, der es in die "Forbes"-Liste der Milliardäre geschafft hat. "Die Menschen zahlen keine Steuern, weil sie Angst haben. Sie fürchten, dass sie gejagt werden, wenn sie ihr Einkommen darlegen", sagt der Mann, der zu den wenigen Menschen gehört, die öffentlich eine Besteuerung von Wohlhabenden fordern. "Wir müssen Vertrauen herstellen, um Steuern zu erheben. Die Steuerzahler müssen daran glauben können, dass ihre Gelder von der Regierung nicht missbraucht oder verschwendet werden."
Die Reichen schotten sich ab
Genau daran aber hapert es in einem Land, in dem Korruption weit verbreitet ist. Warum das so ist, erklärt der Schriftsteller Mohsin Hamid, der gerade einen Roman über das Reichwerden in Asien veröffentlicht hat: Der Staat verstehe sich nicht als ein Konstrukt, in dem der Wille der Menschen umgesetzt werde, sondern die Menschen müssten sich ihm unterwerfen. "Deshalb muss man auf etwas, das absolut legal ist, ewig lange warten. Oder man zahlt einen kleinen Betrag, um den Führerschein oder die Telefonleitung schneller zu bekommen."
Ähnlich wie mit den Steuern verhält es sich mit der Energie: Viele Leute zahlten ihre Stromrechnung nicht, behauptet Rashid. Deshalb fehle den Versorgern Geld für Stromerzeugung und Modernisierung der Netze. Täglich fällt der Strom aus, mancherorts 18 Stunden und mehr. Auch das drückt die Wirtschaftsleistung des Landes.
Das also ist Pakistan: ein zu großen Teilen von der Elite des Landes verursachtes Chaos, von dem sie selbst sich in ihrer Luxuswelt abschottet. Die Dokumentation beschreibt auch eine wachsende, konsumfreudige aber unpolitische Mittelschicht.
Was in den dreißig Minuten fehlt, ist eine Beschreibung des allgegenwärtigen Islam. Er soll das Wertefundament sein, auf dem Pakistan aufgebaut ist. Die Religion gibt vielen Menschen Halt. Aber auch sie ist ein Faktor dafür, dass es mit Pakistans Wirtschaft bergab geht: Die Inschallah-Mentalität ist eine Bremse für Fortschritt und Entwicklung. Wenn jeder darauf vertraut, dass Gott es schon richten wird, geschieht am Ende nichts. Und es fehlt ebenfalls der kritische Blick auf die USA, die in Pakistan Taliban und al-Qaida jagen, mit Drohnen, Söldnern und fragwürdigen Geheimdienstmethoden, ohne Rücksicht auf Recht und die pakistanische Gesellschaft.
Trotz allem endet der Film mit einer hoffnungsvollen Botschaft. Ahmed Rashid sagt: "Ich bleibe optimistisch, deswegen bin ich noch hier." Wenn Pakistan seine internen Probleme löse, habe es enormes Potential: "Die Menschen arbeiten hart, wir könnten alles Mögliche erreichen."
Es bleibt ein wenig rätselhaft, woher er seinen Optimismus nimmt, zumal Rashid anfangs von "mehreren Bürgerkriegen" im Land gesprochen hat, davon, dass Pakistan ein "anarchischer Staat" sei, ein "scheiternder Staat". Aber vielleicht muss man einfach ein bisschen fatalistisch sein, um sich in diesem Land glücklich zu fühlen. Womit die Dokumentation das Wesen Pakistans ganz gut erfasst hätte.
"Blackbox Pakistan", Freitag, 21 Uhr, 3sat