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ARD-Doku über Honeckers Sturz: Die unbelehrbare Margot

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ARD-Doku über Margot Honecker Die furchtbare Frau

Reuelos in Ruinen: In der ARD-Doku "Der Sturz" spricht Margot Honecker erstmals darüber, wie sie und ihr Mann Erich den Untergang der DDR erlebt haben. Die Verstocktheit der Hardlinerin ist schwer zu ertragen - dennoch ist jede der 90 Minuten des Films absolut sehenswert.

Da sitzt sie nun also, und man muss schon sagen: Gut hat sie sich gehalten. Bald 85 Jahre alt ist Margot Honecker heute, die Witwe des Staatsratsvorsitzenden Erich, ehemals Bildungsministerin der DDR, und das Klima in Chile scheint ihrer Gesundheit zuträglich. Kein Anflug von Gebrechlichkeit, keine Altersdemenz erkennbar. Was aber auch bedeutet: keine Entschuldigung für ihre verstockte, reuelose Sicht auf die DDR und ihre persönliche Verstrickung in die Verbrechen dieses Staates.

Seit 1989 hat man wenig von ihr gesehen, sie hat jedes Fernsehinterview abgelehnt, jetzt will sie sprechen, die Dinge geraderücken. Es ist eine kleine Medienoffensive, die Honecker da am Laufen hat: Kürzlich betrieb sie die Veröffentlichung der letzten Tagebücher ihres Gatten, nicht lange danach trat sie mit einem eigenen Gesprächsbuch an die Öffentlichkeit. Beide Projekte organisierte Frank Schumann. Der Verleger verdient seine Brötchen mit der publizistischen Reinwaschung von DDR- und Stasi-Funktionären, und wer mit seiner prominentesten Klientin sprechen will, der kommt an Schumann nicht vorbei.

Mitten ins Herz der Finsternis

Die NDR-Dokumentation "Der Sturz - Honeckers Ende" von Eric Friedler beginnt mit Bildern der Reise des TV-Teams nach Südamerika, Schumann ist kurz zu sehen, der Getreue - das war Honeckers einzige Bedingung - sollte beim Interview anwesend sein. Die Anreise ist reichlich übertrieben mit Action-Musik unterlegt, die schnellen Schnitte und die dadurch erzeugte dramatische Stimmung sollen offenbar darauf vorbereiten, dass es jetzt gleich mitten ins Herz der Finsternis geht, aber dann warten in der chilenischen Hauptstadt doch keine bewaffneten Exil-Stasi-Leute auf die Journalisten, sondern nur eine rüstige Frau. Eine furchtbare Frau allerdings.

Ob sie sich entschuldigen müsse für die DDR, fragt Friedler die Honecker, und sofort wird klar, dass von dieser Frau keine Einsicht zu erwarten ist, kein Wort der Reue. "Es wurden Fehler in der Geschichte gemacht, die muss man bedauern", sagt Margot Honecker, aber sich entschuldigen? Nein. Das eigentliche Unrecht sei, dass immer noch Menschen in aller Welt ausgebeutet werden und in Kriegen umkommen: "Sollen sich doch die anderen entschuldigen."

Schwer erträglich wären die zahlreichen Rechtfertigungen und Uneinsichtigkeiten der Margot Honecker, würde Friedler sie nicht stets konsequent gegenschneiden mit den Statements von Zeitzeugen und Regimeopfern. Die von ihr verantworteten Zwangsadoptionen der Kinder von DDR-Flüchtlingen? Gab es ja gar nicht, sagt Honecker - und was es nicht gab, könne sie nicht bedauern. Dieser Aussage setzt Friedler den Bericht einer Frau entgegen, der ihr Kind weggenommen wurde.

Der Schießbefehl an der Mauer? "Es gab keinen Schießbefehl, es gab nur Waffengebrauchsbestimmungen", sagt Margot Honecker. Selbstverständlich sei es schlimm, wenn junge Leute an der DDR-Grenze ums Leben gekommen seien, sagt Honecker, aber: "Die brauchten ja nicht über die Mauer zu klettern." Eine "Dummheit" sei das gewesen. Dummheit? "Das zieht einem ja die Schuhe aus", setzt Wolfgang Schäuble entgegen.

Die private Realität des Ehepaars Honecker

Zum Glück besteht Friedlers Film nicht nur aus den so ungeheuerlichen wie wenig überraschenden Selbstrechtfertigungen Margots - er offenbart auch einen bisher ungekannten Einblick in die private Welt der Eheleute Honecker und ihr Erleben des Untergangs der DDR. Erich, schon von seiner Krebserkrankung gezeichnet, habe sich nichts anmerken lassen, als bei der Parade zum DDR-Jubiläum 1989 die Leute nicht seinen Namen, sondern "Gorbi! Gorbi!" skandierten - nur etwas sei anders gewesen: Sonst sei da immer das Auto des Staatsratsvorsitzenden ganz vorne zur Abfahrt bereitgestanden, jetzt stand ein anderes da. Das Auto fehlte, die Macht schwand. Und alles wegen dieser falschen Perestroika der Russen. Überhaupt, dieser Gorbatschow: "Der Mann hat so viel zusammengelogen. Mir gefiel dieses Geschwätz nicht." Die Absetzung Honeckers durch sein eigenes Politbüro ("Er hat bis zuletzt an jeden geglaubt") habe das Ehepaar nicht persönlich genommen, das sei eben eine Konterrevolution gewesen.

Ein ordentlicher Rechtsstaat, auch das zeigt "Der Sturz", war die untergehende DDR selbst im Umgang mit ihrem ehemaligen Chef nicht. Kurzzeitig wegen des Vorwurfs des Hochverrats inhaftiert, wurden die Honeckers danach zu den berühmtesten Obdachlosen des Landes. Die Dienstwohnungen waren bereits weg, die Regierung Modrow kümmerte sich weder um Polizeischutz noch Logis, sie standen buchstäblich auf der Straße und waren den wütenden Bürgern ausgeliefert. Es ist einer der sprichwörtlichen Treppenwitze der Geschichte, dass ausgerechnet ein evangelischer Pfarrer, der unter dem Regime gelitten hatte, dessen Kinder wegen ihrer christlichen Überzeugung nicht studieren durften, die Honeckers aufnahm.

Zwei Monate lang lebten Erich und Margot bei Pastor Uwe Holmer im brandenburgischen Lobetal. Nur ein einziger Volkspolizist war zum Schutz des ehemaligen Staatschefs abgestellt. Eigentlich war es nur Holmer, der sich vor Honecker stellte und ihm Schutz bot vor den wütenden DDR-Bürgern, die sich bald vor dem Pfarrhaus versammelten. Es ist eine der stärksten Szenen des Films, in der Friedler die ehemaligen DDR-Spitzenleute befragt, ob sie Honecker aufgenommen hätten. Alle winken ab. Nur Egon Krenz behauptet, er habe mit seiner Frau darüber diskutiert, die Genossen einzuladen - sich aber dagegen entschieden. Wer's glaubt.

"Er hat doch Glück gehabt"

Nach einem kurzen Aufenthalt in Moskau und einem Zwischenspiel vor einem westdeutschen Gericht, wo sich Honecker wegen der Mauerschützen verantworten musste, wegen seiner Krebserkrankung jedoch bald auf freien Fuß gesetzt wurde, konnte der ehemalige Staatsratsvorsitzende zu seiner Gattin nach Chile reisen und dort in Frieden sterben. "Er hat doch Glück gehabt", sagt der ehemalige Sowjet-Außenminister Eduard Schewardnadse. Man denke nur an den rumänischen Diktator Ceausescu - der ist kurzerhand erschossen worden. Helmut Schmidt bringt es auf den Punkt: "Mitleid mit Menschen, die eine Diktatur inszeniert und aufrechterhalten haben, muss man nicht übertreiben."

Sie lebe zwar in Chile, sagt Margot Honecker, aber "mit dem Kopf bin ich in Deutschland". Einem Deutschland, das zum Glück nicht mehr existiert.


"Der Sturz - Honeckers Ende", Dokumentarfilm von Eric Friedler: ARD, Montag, 2. April, 21 Uhr

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