
TV-Kritik zum siebten WM-Spieltag "Erstes WM-Tor bei dieser WM"
Was geguckt? "Morgenmagazin", Argentinien - Südkorea, Griechenland - Nigeria, Frankreich - Mexiko (alle ZDF)
Was ist passiert? Und täglich grüßt das Manteltier. Wer mit dem ZDF-"Morgenmagazin" in den WM-Tag startet, begegnet einem Mann im Überzieher: Thomas Skulski. Tag für Tag quält sich der Sportchef des Frühstücksformats für eine Südafrika-Live-Schalte aus dem Bett, wirft einen schwarzen Mantel über, bindet einen grauen Schal um und stakst durch die Einöde von Erasmia, vor das Velmore Grand Hotel, dem Quartier des deutschen Teams. Dann verkündet er - verbal oder non-verbal - wie's Wetter da unten in Südafrika gerade so ist. Es ist jeden Tag: kalt.
Das wirkt fast so, als spiele Skulski eine Kurzfassung der Komödie "Und täglich grüßt das Murmeltier" nach: Darin gerät ein TV-Reporter in eine Zeitschleife und muss tagtäglich über ein wettervorhersagendes Waldmurmeltier berichten. Ähnlich Skulski. Am Montag ließ er wissen: "Es ist kalt, so um die null Grad, bisschen in den Plus-Bereich sind die Temperaturen geklettert. Also, es ist Winter, ja, ohne Frage!" Diesen genialen Steilpass verwandelte er dann am Mittwoch gnadenlos selbst: "Ist wirklich das Wetter für dicke, dicke Socken und lange Unterhosen, vielleicht haben einige Spieler die ja mit, wir haben das nich' für möglich gehalten, obwohl man sich ja über die Temperaturen von zu Hause aus informiert hat."
Unsere Vorhersage: Es bleibt Winter. Unsere Bitte: GEZ-Gebühren sinnvoll ausgeben. Wie wäre es mit einem ZDF-Care-Paket mit langen, langen Unterhosen? Und mit einer Sender-Planungseinheit für WM-Winterwäschefragen? Wäre doch zielgruppenkompatibel für das oft als Seniorensender gescholtene ZDF.
Um die Demografie ihrer Zuschauer weiß übrigens auch Skulskis "Morgenmagazin"-Kollegin Jessy Wellmer, die im Berliner Studio Gäste empfängt, und diesen auch mal verbal ans Bein pinkelt. Das wagt sie sogar, wenn - 'tschuldigung! - der Gast Bein heißt. Am Donnerstag also ist Uwe Bein da. Der Weltmeister von 1990 erzählt, wie er sich damals im Finale 45 Minuten lang warm lief und doch nicht spielen durfte: Der Beckenbauer hätte ihn doch öfter einsetzen können! Das Publikum spürt: Der ärgert sich über ein verpasstes Karriere-Highlight, da schwelt Groll. Auch Jessy Wellmer - ansonsten total kompetent und durchaus charmant - entgeht das nicht und ihr entfährt: "Jippiiie, ja genau, klare Worte müssen ausgesprochen werden, so lange es noch geht!" So lange es noch geht? Wie bitte? Okay, Bein ist fülliger geworden, faltiger auch. Aber er ist erst 49 Jahre alt. Muss Frau Wellmer Herrn Bein in Todesnähe rücken, nur um die Seniorensender-Credentials des ZDF zu pflegen?
Am Nachmittag überzeugt ein hochemotionaler Auftritt der Argentinier: Die Mannschaft paradiert in den Katakomben an Maradona vorbei, damit der jedem seiner Spieler ein Küsschen aufdrücken kann. Nach dem Sieg springt der kleine Diego wieder an all seinen Jungs hoch und knutscht sie ab, dieses Mal auf dem Feld. Messi war auch gut, ist aber immer noch ein Missi: Warum trifft der Mann nicht ins Tor?
Dann Krisenkick mit Griechenland: Marode Staatsfinanzen, ein Milliardenheer arbeitsfauler Beamter, überversorgte Senioren (Otto Rehhagel), man kennt das. Auch ZDF-Experte Oliver Kahn hat davon gelesen und fühlt sich zu fußball-feuilletonistischen Betrachtungen berufen: Wenn sich die griechischen Kicker doch nur stellvertretend für ihr geplagtes Volk aufbäumen könnten, so wie die Amerikaner im Jahr 2002! Welche mentalitätsgeschichtlichen Kausalitäten er sich da zusammengeraunt hat, bleibt im Dunklen. Soccermania nach 9/11? Torrausch nach dem Terrorangriff? Kommentator Wolf-Dieter Poschmann fühlt sich den Griechen ebenfalls näher als ihren Gegnern, den Nigerianern. Falls er jedoch einen Crashkurs in Sprachlogik genommen haben sollte, um sich vor dem Wiegenland der abendländischen Philosophie zu verneigen - das ging schief: "Griechenland wartet auf sein erstes WM-Tor bei dieser WM." Wo sonst?
Und das So-gut-wie-Ausscheiden der Grande Nation? Kommentierte ZDF-Experte Klaus Allofs mit einem so sympathischen wie selbstironischen Offenbarungseid: "Mir fehlen die Worte, wie schlecht Frankreich heute gespielt hat." Warum Moderator Rudi Cerne das mit dem schlecht gelaunten Satz "Wie gut für einen Experten" kontern musste, bleibt sein Geheimnis: Wer schnippisch ist, wirkt nicht automatisch schlagfertig.
Was war der Höhepunkt des Tages? Oliver Kahn knirscht sich ein liebevoll bösartiges Kurzporträt seines Ex-Trainers aus dem Kiefer: "Otto Rehhagel hat schon immer klare Vorstellungen gehabt die letzten 75 Jahre."
Was der Tiefpunkt? Der Nigerianer Kaita fliegt wegen einer Tätlichkeit vom Platz. Ein entfernt sitzender Kneipengucker, der um seinen Wetteinsatz bangt, grölt: "Der spielt mit meinem Geld, der Neger! Ist der besoffen?"
Was bleibt vom Tage übrig? Ein großes Zweifeln, denn die Weisheit des Fußballgottes erweist sich als unergründlich, auch in Sachen Rassismus. Ein paar Minuten nach der roten Karte fällt der Ausgleich, schließlich verliert Nigeria - der pöbelnde Idiot von oben ist also sein Geld los. Aber die Nigerianer müssen aller Voraussicht nach nach Hause fahren. Ist das gerecht?
Und heute? Deutschland - Serbien (ZDF), Slowenien - USA (ZDF), England - Algerien (RTL)