TV-Romanze "Sisi" Fräulein Kaiserin macht Karriere

"Sisi": Im Korsett der Diplomatie
Worüber reden wir, wenn wir über Sisi reden? Wir reden über Romy Schneider. Romy als Sissi war eigentlich Heidi, gemischt mit Aschenputtel und Dornröschen. Ein Backfisch mit dem Zeug zur nationalen Mythenbildung. Und wenn man sich die alten Schinken von Ernst Marischka noch mal anschaut, dann begreift man es auch: Ihre Vitalität war einzigartig, sie mischte jede Szene auf mit diesem faszinierenden Mangel an Professionalität. Spielt sie überhaupt, wie sie da zum Auftakt heranreitet und dann Tiere füttert und nach dem "Pappili" ruft? Authentizität, die Wunderwährung der medialen Darstellung, hier schien sie tatsächlich anschaulich zu werden.
Die neue Sisi (mit nur einem s!) im ZDF füttert keine Tiere, sie macht auch nicht diese endlosen Waldspaziergänge wie Romy. Die alte Sissi war ja eine richtige Ökologin, ein Greenpeace-Girl avant la lettre. Sie wanderte durchs Unterholz und schwärmte von der Verschwisterung von Mensch und Natur. Hätte sie die Zeiten überspringen können, wäre sie womöglich in Kopenhagen eingeritten und hätte ein paar Eisbärpopulationen gerettet. Der neuen Sisi fehlt die pantheistische Ader, dafür hat sie es mit dem Mondlicht und der Politik.
Ins lunare Leuchten taucht Regisseur Xaver Schwarzenberger die ersten Nächte von Sisi (Cristiana Capotondi) und Kaiser Franz (David Rott). Luna, Domäne weiblicher Geheimnisse: Da ist die Symbolik so steif wie die Roben, in denen sich die Höflinge durch den Alltag quälen. Aber wenigstens ein paar romantische Momente muss es ja geben in dieser elf Millionen Euro teuren Ko-Produktion von ZDF, ORF und der italienischen RAI. Denn ansonsten geht es um Krieg und Allianzen, um Macht- und Bündnisfragen. Sisi soll in dieser aktuellen Fassung nämlich zweierlei sein: eine emanzipierte Gattin und eine berufstätige, das heißt eine im Regierungsgeschehen aktive Frau.
Was der alten Sisi also ein schönes Waldstück mit intakter Flora und Fauna, das ist der neuen das Parkett der Diplomatie. Natürlich ist auch die aktuelle Sisi mächtig verknallt in ihren Franz, aber der eigentliche Fetisch, das ist die Politik. Und weil ein abstrakter Fetisch wenig sexy ist, muss man ihn verkörpern; dafür hat die Regie - nah an den Fakten entlang - den ungarischen Grafen Andrassy (Fritz Karl) gewählt. Mit ihm soll die historische Elisabeth eine Affäre gehabt haben.
Fetisch Ungarn
Überhaupt Ungarn! Die neue Sisi spricht, immer schön untertitelt, Ungarisch, und zwar ausgiebig, mit ihrer Gesellschaftsdame, mit den magyarischen Honoratioren, mit einem heißblütigen Reformer. Ungarn ist - neben der Kindererziehung - das große Projekt dieser Kaiserin. Sie will Ungarn befreien von der Knute der österreichischen Monarchie und die Kleinen von der schwarzen Pädagogik des Militärs. Sie ist eben ein Aufklärungscharakter, so wo die Romy-Sisi ein Verklärungscharakter war.
Die alte Sisi war nämlich progressiv wider Willen, sie hatte was vom Edlen Wilden, näherte sich, umhertollend und glucksend, der geliebten Natur an, während die neue sich schon mal von den Hofdamen das Korsett straffer ziehen lässt, um für eine Begegnung mit Napoleon bella figura zu machen. Dem Franzosenkaiser misstraut sie dann übrigens viel früher als ihr Mann, und später wird ihr die Geschichte Recht geben.
Fragt sich nun: Will man so eine Sisi sehen um die Weihnachtszeit? Ja, warum nicht, nur gut inszeniert müsste die Geschichte sein. Doch die neue Sisi-Erzählung hat ein Stilproblem: Sie ist nicht richtig Schmonzette, nicht modernes Historienstück, irrt umher zwischen den Haltungen und Themen.
Mal konzentriert sich der Film sich auf die binnenpolitische Auseinandersetzung zwischen Sisi und der Kaiserinmutter (Martina Gedeck spielt sie mit exakt zwei Gesichtsausdrücken: indigniert und resigniert), dann gibt es einen halben Akt lang geopolitisches Gehassel mit Kriegs- und Verhandlungsszenen zwischen Mailand, Wien und Budapest. Es folgt ein bisschen Bettgeflüster, danach eine kleine Familienaufstellung in Sisis bayerischem Zuhause und wieder von vorne.
Film ab für die Volkshochschule
Im zweiten Teil verfällt Schwarzenberger ganz in den Gestus des Studienkollegfilms. Kommende Volkshochschulkurse zur Geschichte des 19. Jahrhunderts können wunderbar mit diesem Streifen illustriert werden.
Zugegeben: Es muss eminent schwierig gewesen sein, sich sowohl von Marischkas Vorbild als auch vom Zwang zur historischen Akkuratesse frei zu machen, eine doppelte Hypothek. Sie wäre aber mit den Darstellern zu meistern gewesen: Capotondi, eine Renaissance-Schönheit, hat zwar zu Beginn den Charme des genervten Au-pair-Mädchens, mausert sich dann aber zu einer plausibel agierenden Jungregentin.
Herbert Knaup in der Rolle des Vaters, Martina Gedeck als Monarchenmutter und vor allem David Rott in der Rolle von Kaiser Franz staksen jedoch wie Marionetten durch den Geschichtsparcours. Karlheinz Böhm verkörperte damals in seiner milden Lässigkeit auch die Blasiertheit des Machtmenschen - so eine Ambivalenz geht Rott als Herrscher vollkommen ab. Er ist viel mehr Preuße als Habsburger, ein steifer Bürokrat der Macht, kein Herrscher von Gottesgnaden.
"Pappili" ohne Power
Knaup hätte man einen größeren Part gewünscht - in der Vorlage darf Gustav Knuth als Sisi-Vater richtig herumulken. Er ist zugleich Krösus und Kindskopf und deshalb ein glaubwürdiger Widerpart zu den höfischen Zeremonienmeistern des Triebverzichts. Jetzt aber ist das "Pappili" einfach ein blasser Ehrenmann, zwar mit politischer Agenda - er unterstützt die ungarischen Separatisten -, aber ohne Spaß.
Und dann die Gedeck: Verschenkt, verschenkt, verschenkt. Sie hätte den Konflikt zwischen Reaktion und Moderne verkörpern können, den Kampf zwischen Tradition und Emanzipation. Aber sie ist eben auch nur eine Pflichtfigur, die man aus der Vorlage übernommen hat, ohne sich so recht zu überlegen, wohin mit ihr.
Und das ist vielleicht generell das Problem so eines Projekts: Der Sisi-Stoff scheint prädestiniert für ein Weihnachtsevent, aber wie genau man diesen Medienmythos übersetzen kann für die Nullerjahre, das ist eine äußerst knifflige Frage der Dramaturgie. Bei der aktuellen Sisi hat sich niemand wirklich getraut, sie mit neuen Ideen zu beantworten.
Mit Cristiana Capotondi hat wenigstens Romy eine einigermaßen erwachsene Nachfolgerin bekommen: Aus der Greenpeace-Heidi ist eine Uno-Praktikantin geworden.
"Sisi" , Donnerstag, 17.12., Sonntag, 20.12., jeweils 20.15 Uhr, ZDF