Vorwürfe gegen »Buffy«-Erfinder Das Gegenteil von Feminismus

Sarah Michelle Gellar als Buffy: ein feministisch-trojanisches Pony
Foto:imago images / United Archives
Buffy Summers rammte in den Neunzigern auf dem TV-Bildschirm Vampiren Holzpflöcke durch die Herzen. Sie besiegte als »Vampire Slayer« in sieben Serienstaffeln Höllengöttinnen, schmerbäuchige Dämonen und schließlich gar das Urböse an sich.
Dass einer ihrer gefährlichsten Gegner in dieser Riege aus fremddimensionalen Staffelschurken ausgerechnet ein sehr gewöhnlicher, durch und durch menschlicher und hochmisogyner junger Mann sein sollte, der, assistiert von zwei archetypischen Incel-Sidekicks, schließlich auch zwei Frauen tötet, sah man bislang als wissenden dramaturgischen Twist eines feministischen Serienschöpfers. Als solidarischen Kommentar zu den ganz alltäglichen, potenziell lebensgefährlichen Bedrohungen, denen Frauen auch in einer Welt ausgesetzt sind, in der es keine Monster, aber Männer gibt.
Nun wirkt Warren, diese Serienschurkenfigur, wie eine metaphorische Vorwegnahme: Denn dass »Buffy, the Vampire Slayer« – die Serie, nicht die Figur – für viele ihrer Fans jetzt womöglich irreparabel beschädigt ist, ist ebenfalls das Werk eines ganz gewöhnlichen Mannes: ihres Erfinders Joss Whedon.
Ihm hat Schauspielerin Charisma Carpenter, die in »Buffy« das geläuterte Fiesgirl Cordelia spielte, nun vorgeworfen, sich am Set der Serie »abstoßend, missbräuchlich, unprofessionell und komplett inakzeptabel« verhalten zu haben. Buffy-Darstellerin Sarah Michelle Gellar und weitere Kolleginnen bestätigten ihre Aussage. Schon 2017 hatte Whedons Exfrau Kai Cole ihn in einem Blog-Gastbeitrag beschuldigt, seine demonstrativ zu Markte getragene, vermeintlich feministische Haltung als scheinheiliges Tarnmäntelchen für sein tatsächlich ausgesprochen toxisches Verhalten zu benutzen.
Wirklich wahrnehmen wollte man die Gerüchte als Fan damals trotzdem nicht, weil sie eben all dem widersprachen, wofür »Buffy« stand. Buffy Summers war das inspirierendste TV-Paradoxon der späten Neunziger und frühen Nullerjahre, das im englischen Original schon im Serientitel irritierte: Die einzige Person, die die Erde und ihre Menschen vor Vampiren, Dämonen und allerhand anderem Übel retten konnte, »the chosen one«, wie es im Serienvorspann heißt, sollte wirklich dieses zierliche, californiagirlige Mädchen mit dem zuckrigen Quatschnamen sein?
»Buffy« brach mit allem, was Mädchen bisher in TV-Serien sein und können durften. »She saved the world. A lot«, stand auf Buffys Grabstein, als sie wegen ihres zwischenzeitlichen Todes kurz mal indisponiert war. Aber auch das war nichts, was dieses Mädchen nicht überstehen konnte – schwer lädiert zwar, was ihre Identifikationskraft für das Publikum nur noch größer machte, doch auf den Beinen.
Für viele Mädchen und Frauen war Buffy ein feministisch-trojanisches Pony, das seine Girlpower-Botschaft nonchalant nebenbei vermittelte. Dass all diese Erzählungen mutmaßlich unter Bedingungen produziert wurden, in denen Frauen bedrängt und beleidigt wurden, zerstört ohne Frage sehr viel.
Natürlich wäre das Verhalten, das Whedon vorgeworfen wird, ebenso verachtenswert, hätte es sich am Set einer Doku über mongolische Murmeltiere zugetragen. Gefühlt aber wiegt ein Verrat dennoch schwerer, schmerzt ein Betrug noch mehr, wenn er von einem vermeintlichen Verbündeten kommt.
»Buffy« ist für viele Fans mehr als eine Serie, nämlich das, was der Literaturwissenschaftler Kenneth Burke »Equipment for Living« nennt: Er bezog sich dabei auf Literatur, aber auch TV-Produktionen können im besten Fall Rüstzeug fürs Leben liefern. Von »Buffy, the Vampire Slayer« konnte man sich Haltungen und Handlungsstrategien abschauen, Moves für den Kampf gegen immer neue Monster, Ideen wie: Glaube an dich. Steh zu deinen Freunden. Fühle mit. Traue dich, zu kämpfen. Es gibt ein ganzes, durchaus erst zu nehmendes Buch dazu, was man von Buffy fürs Leben lernen kann: »What would Buffy do? The Vampire Slayer as Spiritual Guide«.
Auf Twitter verbreiteten sich nach den bekannt gewordenen Vorwürfe gegen Whedon schnell Ideen, wie man all diese guten Buffy-Gefühle retten könnte, auch wenn sie ihr Erfinder mutmaßlich selbst nicht als bindend empfand. Whedon habe »Buffy« und seine anderen Serien zwar grundsätzlich erdacht – geformt und wirklich zum Leben erweckt hätten sie jedoch andere, die Drehbuchautoren und Schauspieler. Damit läge der Fall anders als etwa bei J. K. Rowling, die sich wiederholt transfeindlich geäußert hatte und als alleinige Autorin weitaus unmittelbarer mit ihrem Werk zu identifizieren ist (und umgekehrt) als Whedon, der seine Idee von anderen Menschen auskleiden ließ.

Szene aus »Buffy«: What would Buffy do?
Foto: imago images / United ArchivesDie Flucht in die Frage, wie viel Whedon eigentlich wirklich in »Buffy« steckt, ob es nicht womöglich Teile, Folgen, Staffeln gebe, an denen er so wenig Anteil hatte, dass man sie unbelastet weiter genießen könnte, ist verlockend, aber zu kurz gefasst. Schmerzhafter für den Buffyfan wäre prinzipiell – und auch ohne den veränderten Blick auf Whedon – ein aufmerksamer Re-Watch der Serie, ein genauer Blick darauf, wie gut ihre vermeintlich feministischen Botschaften tatsächlich gealtert sind, wenn man sie kritischer, weil wissender sieht als beim ersten überraschten Anschauen und den behaglich verklärten Wiederholungs-Marathons seitdem.
Man wird sich dabei womöglich wundern, warum einem nie aufgefallen ist, wie obsessiv oft Buffy gegen phallusförmige Schlangenmonster kämpfen muss – man denke nur an Glorys Kobradämon, an Machida, den mädchenfressenden Riesenwurm im Keller des Verbindungshauses von Delta Zeta Kappa und natürlich an den transformationsfreudigen Bürgermeister Richard Wilkins III.
Man wird sich eventuell fragen, warum Angel (der Buffy in seiner Angelus-Version sexistisch demütigt) und Spike (der versucht, sie zu vergewaltigen) sich niemals direkt für ihr Verhalten rechtfertigen müssen, sondern zu ehrenwerten Verbündeten geläutert werden. Und man wird für sich entscheiden müssen, ob Buffys vermeintliche Absage an traditionelle Frauenrollen nur eine plakativ behauptete ist.
What would Buffy do? Man hat da so eine Ahnung.