Währungsdebatte bei Illner Henkel gibt den Euro-Sarrazin

Illner-Gast Henkel: Sehnsucht nach finanzpolitischem Groß-Preußen
Foto: ZDFErst Griechenland, jetzt Irland, als nächstes womöglich Portugal oder sogar Spanien: Die Europäische Union und der Internationale Währungsfonds müssen Milliarden bereitstellen, um krisengeplagte Länder vor dem drohenden Bankrott zu retten. "Geht unser Geld jetzt kaputt?", wollte die ZDF-Talkerin Maybrit Illner deshalb in ihrer Runde am Donnerstagabend wissen, und: "Sollte man zurückkehren zur guten alten D-Mark?"
Die gute alte D-Mark! Hat der Euro das wirklich verdient? Die Herren Experten bitte: "Der Euro ist absolut stabil", sagte Vizekanzler und Außenminister Guido Westerwelle (FDP) mit fester Stimme. Ex-Finanzminister Oskar Lafontaine (damals SPD, heute Linke): "Das Problem ist nicht der Euro." Hans Eichel (SPD), ebenfalls Ex-Finanzminister: "Wir haben keine Euro-Krise." Hat denn hier niemand die Absicht, eine D-Mark zu prägen?
Immerhin einer der Gäste stützte Illners forsche Krisenthese vom allzu morschen Euro: "Das war ein großer Fehler", sagte Hans-Olaf Henkel, ehemaliger Präsident des Bundesverbands der Industrie. Vor der Währungsunion will er in Rom und Madrid persönlich nachgesehen haben, ob der Euro denn gefahrlos kommen könne. Henkel gab sein Okay, woraufhin die Währungsunion flugs umgesetzt wurde.
Jedenfalls klang es so, auch wenn es in Wirklichkeit natürlich nicht der BDI-Präsident war, der nach seinen Stippvisiten gnädig den Euro über den Kontinent regnen ließ. Tatsächlich wurde die Gemeinschaftswährung mit dem Maastricht-Vertrag 1992 beschlossen, nach jahrelanger Vorbereitung, und 1999 zunächst auf dem Papier eingeführt. Zwei Jahre später, in der Eichel-Amtszeit, bejubelte Europa das neue Bargeld: alles Euro.
Finanzpolitisches Kopftuchmärchen
Was für eine integrationspolitische Erfolgsstory! Gerade noch standen sich die Europäer in den Schützengräben unversöhnlich gegenüber, schon wird die Wirtschafts- und Währungsunion umgesetzt und gemeinsam in Saus und Braus gewirtschaftet. Und nun das: "Ich habe mich geirrt", sagte Henkel, er sei damals leider nicht in Athen und Lissabon zum Euro-Kompatibilitätscheck gewesen. Als hätte er den Euro aufhalten müssen. Als hätte er den Euro aufhalten können!
Also zurück zur D-Mark? So weit dann doch nicht, Henkel forderte eine Währungsspaltung. Zwei Euro-Blöcke müsse man schaffen, "einen nördlichen, der diszipliniert ist, der keine Inflation will, der an Haushaltsdisziplin gewöhnt ist, und einen südlichen, der lieber mit einer Abwertung wettbewerbsfähig sein will". Der eiserne Hanseat Henkel sehnt sich offenbar nach einer Art Groß-Preußen, das den Süden nicht länger durchfüttern muss.
Das erinnerte an die andere große Integrationsdebatte: die mit Thilo Sarrazin und den Kopftuchmädchen. Er schwadronierte von Völkern mit bestimmten Eigenschaften. Warum sollte sich das nicht auf die Finanzpolitik eines Landes übertragen lassen? Wer nicht nach unseren Regeln spielt, so bellte es den Talkshow-Zuschauern vor ein paar Wochen noch entgegen, gehört abgeschoben. Jetzt, fließender Übergang, sollen die Pleite-Griechen mindestens raus aus der Währungsunion.
Henkel hat aus seinem Euro-Irrtum längst ein Buch gemacht, "Rettet unser Geld!" heißt es, passend zum Weihnachtsgeschäft steht es ab nächster Woche in den Läden. Die wohlfeilen Euro-Gewinner im schicken Hamburger Stadtteil Eppendorf können sich am 7. Dezember bei einer Lesung darüber ins Bild setzen lassen, wie die gemeinsame Währung den deutschen Wohlstand bedroht (und nicht, was wohl mehr den Fakten entsprechen würde, den Export ankurbelt): Die anderen kassieren, wir sind die Zahlmeister.
Kurzer Schreckmoment
Womit wir wieder bei Illner wären. Das mit dem Zahlmeister stimme gar nicht, entgegnete Hans Eichel, deutsche Steuerzahler zahlten gemessen am Bruttoinlandsprodukt schließlich nicht mehr als ihre Unionsbrüder in Großbritannien oder Italien. "Wir brauchen einen gemeinsamen Binnenmarkt", sagte Eichel nach dem kurzen Aufflackern einer Kontroverse, und die Runde nickte schon wieder einträchtig. Selbst Oskar Lafontaines Forderungen nach mehr Kontrolle für den Bankensektor fanden Zustimmung. Selten waren sich ein Linken-Politiker und der FDP-Chef so nah.
Für einen kurzen Schreckmoment konnten sich Kleinsparer und Großanleger aber doch Sorgen ums Geld machen: Westerwelle lobte den Euro mit einem heiligen Ernst, der fatal an die hilflosen Beteuerungen des griechischen Finanzministers erinnerte. Der hatte noch bis zuletzt dementiert, dass sein Land Rettungsgelder brauchen würde. Aber dann erinnerte man sich schnell daran, dass Westerwelle nun mal nicht anders kann, wenn er Staatsmann spielt.
Das wiederum hatte er gleich zu Beginn klargestellt: An Spekulationen über die nächsten Rettungsschirm-Kandidaten wolle und dürfe er sich als Außenminister nicht beteiligen, das überlasse er "freien Künstlern". Da konnte Illner noch so energisch nachhaken und Horrorszenarien entwerfen: alles stabil im Euro-Wunderland.
Nach 60 Minuten Sendezeit hatte sich immer noch niemand die D-Mark zurückgesehnt. Blieb noch die am Anfang der Sendung angekündigte ZDF-Börsenreporterin Valerie Haller. Hatte die nicht vielleicht etwas gegen den Euro? Ein kleines bisschen nur? War nicht wenigstens Panik wegen Lebensversicherungen und privater Altersvorsorge in Euro angebracht?
Nein. Die einzige müde Überraschung in der Nachspielzeit blieb die Forderung von Hans-Olaf Henkel, doch allen Ernstes Frankreich aus der Währungsunion zu kicken. Da entglitten selbst Guido Westerwelle die Gesichtszüge.