Abschied von der Lieblingsserie: Bitte, geh nicht!

Drei Vorschläge gegen Serienkummer.

Dieser Beitrag wurde am 18.01.2016 auf bento.de veröffentlicht.

In "Big Bang Theory“ gibt es diese Folge, in der Sheldon nicht ertragen kann, dass seine Lieblingsserie "Alphas“ nach nur zwei Staffeln abgesetzt wird – mitten in einem Cliffhanger.

Sheldon ruft beim Sender an, mehrfach, natürlich. Und findet am Ende tatsächlich den Drehbuchautor der letzten Folge. Sheldons Reaktion als er erfährt, wie es hätte weitergehen sollen: "Well, that all stinks.“ Der vollendete Plot ist gar nicht besser als der Abbruch.

Gibt es überhaupt ein Serienende, mit dem alle Fans zufrieden sind?

Nein, sagt Dominik Maeder, Medienwissenschaftler, der zu Serien und TV an der Uni Bonn forscht. "Im Gegensatz zum Film ist eine Serie nicht darauf ausgelegt, überhaupt je zu enden, das liegt in der Natur der Sache." Deshalb sei sogar ein sich geschlossenes Ende nicht befriedigend.

Einzige Ausnahme: Mini-Serien, die eher erzählerisch wie besonders lange Filme funktionieren. "Das Ende einer Serie aber, die einen häufig jahrelang begleitet, lässt sich mit dem Ende einer Beziehung vergleichen", sagt Maeder. Denn Serien würden eine Stabilität im Alltag schaffen und sich über den Bildschirm hinaus mit eigenen Lebensphasen verbinden – ähnlich wie bei einer Trennung könne es da schlimm sein, wenn das Liebste plötzlich wegfalle.

Was also tun, wenn die Lieblingsserie endet?

Für: Alle mit Aktivismus im Blut, die aber doch irgendwie zu faul sind, um auf die Straße zu gehen.

Du brauchst: Erst mal nur einen Account bei Change . Carlos Mazal, 27, Entwicklungssoziologe aus Montevideo, ist ein selbsterklärter "Fannibal“, also Fan der düsteren Thrillerserie über die jüngeren Jahre des Serienmörders Hannibal Lecter. Im Juni entschied NBC, die Serie mit Mads Mikkelsen als besonders hippe Version eines Kannibalen nach drei Staffeln abzusetzen.

Die Quoten waren zu schlecht. "Ich war unglaublich enttäuscht, die Entscheidung macht für mich bis heute keinen Sinn“, sagt Carlos. Mikkelsens Spiel sei meisterhaft verstörend – auf eine gute Weise. Im Juni startete er deswegen die Petition "What are you thinking? Renew Hannibal " und die Twitterkampagne #SaveHannibal .

Was bringt's? Manchmal viel. Die dritte Staffel von "Star Trek“ wurde in den Sechzigern tatsächlich nur produziert, weil bei NBC rund eine Million Protestbriefe von Fans eintrudelten. Heute aber, wo die Beschwerde für jeden nur einen Mausklick entfernt liegt, ist sie eher aussichtslos. "Mir ist keine Serie bekannt, die durch Mailbombing wieder aufgenommen wurde", sagt Maeder.

Für: Alle, die an die Macht der Crowd glauben. Und an die des Geldes.

Du brauchst: Großzügige Spender. Kreativität kann aber auch nicht schaden. Erfolgreiche Fundings gehen zwar in der Regel von den Serienmachern selbst aus – die können von den Fans aber angestachelt werden, wenn sie nachhaltig klarmachen, wie sehr ihnen eine Serie fehlt. Paradebeispiel schlechthin: Die Highschool-Noir-Serie "Veronica Mars" um eine taffe Privatdetektivin, die 2007 nach nur drei (hervorragenden, aber quotenschwachen) Staffeln vom Fernseh-Network CW unvollendet eingestellt wurde.

Fangruppen ließen damals ein Flugzeug über die Bürogebäude von CW fliegen, das ein Banner hinter sich herzog: "Renew Veronica Mars!". Außerdem verteilten sie Flyer, schickten 10.000 Marsriegel an CW – ohne Erfolg. Sieben Jahre später war das Fandom der selbstbetitelten "Marshmallows" durch Blogs und Fanfiction immer noch sehr lebendig – und Rob Thomas, der Kopf hinter "Veronica Mars“, startete zusammen mit Hauptdarstellerin Kristen Bell ein Crowdfunding.

Innerhalb von nur zwei Tagen war das Ziel von zwei Millionen Dollar erreicht, insgesamt kamen über 5,7 Millionen Dollar von über 91.000 Unterstützern weltweit zusammen

Was bringt's? Der Film wurde gedreht. Aber es schien trotzdem, als hätten sich da Leute ihr Ende schön gekauft: Der "Veronica-Mars-Film“ bediente ziemlich offensiv, aber auch plump alle noch unbefriedigten Fangelüste, die vor allem mit der Beziehung zwischen der Hauptfigur und ihrem On-Off-Love Interest zu tun hatten. Von daher: Auch bei dem Ende blieb ein fader Beigeschmack.

Für: Menschen mit Fantasie und ohne Angst vorm Nerdtum.

Du brauchst: Vor allem den Willen, nicht nur zu konsumieren, sondern auch mitzugestalten. Schriftstellerisches Talent ist hingegen keine Voraussetzung. "Fanfiction wird oft belächelt, weil die Texte häufig nicht so eine hohe Qualität haben", sagt Bettina Soller, Amerikanistin, die über Fanfiction forscht. "Aber darum geht es auch nicht, sondern um die Freude, imaginäre Welten weiter zu erforschen.“ Durch eine Serie bekommen wir stets nur einen kurzen Eindruck aus einer bestimmten Welt, auserzählt wird diese aber nie.

"Es besteht ein großer Reiz für die menschliche Fantasie darin, imaginäre Universen weiter zu erforschen, auch umzudeuten.“ Auf dem weltweit größten Fiction-Archiv  tummeln sich Geschichten über das homosexuelle Liebespaar J.D. und Turk ("Scrubs"), die ihre Liebe stets geheim halten mussten. Oder über eine Hochzeit zwischen Cersei Lannister und Ned Stark, die rein plott-technisch undenkbar gewesen wäre in "Game Of Thrones“. Wer Fanfiction schreibt, kann sich die Beziehungen, die er sich wünscht, also selbst bauen.

"Fanfiction kann ein politischer Akt sein, wenn Plots und Figurendarstellungen geändert oder angeeignet werden“, sagt Soller. "Natürlich ist man auf einer ganz anderen Stufe als die Drehbuchautoren und professionelle Entscheider. Aber man wird eben auch weniger abhängig von ihnen.“

Was bringt's? "50 Shades of Grey“ entstand als Fanfiction zu "Twilight“. Insofern: Gar nicht unwahrscheinlich, dass die nächste Laien-Fortsetzung von "True Blood“ über Bills und Erics Flitterwochen zum Beststeller wird. Falls das doch nicht passiert, bleibt aber noch immer der Spaß daran, sich mit anderen auszutauschen und etwas Geliebtes am Leben zu erhalten. Was ja auch viel wert ist.

Und so verabschieden sich Fans von ihren Lieblingsserien

Yannis, 23: "How I Met Your Mother"

Ich hätte das vielleicht vorher beenden sollen mit uns, statt zu warten, bis du gehst. So ungefähr bis zur siebten Staffel lief es aber ziemlich gut: Du warst die erste Serie, die ich durchgeschaut habe, mit dir habe ich angefangen, als ich noch in der Schule war. Beim Essen warst du bei mir, vorm Einschlafen.

Die letzte Staffel war aber einfach nur noch schwach: Die Charaktere waren ausgereizt, auch das mit den permanenten Flashbacks nervte mich ziemlich. Trotzdem wollte ich natürlich wissen, wie das Ende ist, ich hatte ja schon so lange durchgehalten. Von der letzten Folge waren ja viele Fans total enttäuscht. Mir war sie einfach egal, ich hatte mich schon verabschiedet.

Wenn ich dich heute im Nachmittagsprogramm von ProSieben entdecken würde, ich würde weiterschalten. Denn ganz ehrlich: Mit "Parks and Recreation“, dem amerikanischen "The Office“ und "Arrested Development“ bin ich viel glücklicher.

Roman, 28: "The West Wing"

Ja, es gab jemanden nach dir: Als vor zwei Jahren mit "House of Cards“ eine neue hochgepriesene Politserie kam, habe ich mich gefreut. War auch gut. Aber nicht so gut wie du: Du warst positiver, witziger. Ich habe deine "Walk and Talk“-Szenen geliebt, wenn der Präsident mit seiner Entourage durch die Gänge vom Weißen Haus lief. Dieser schwarze Humor!

Alle waren immer unglaublich beschäftigt. Ich fand das toll. Ganz ehrlich: Wegen dir habe ich nachgeschaut, ob man als Deutscher nicht auch bei den Demokraten Mitglied werden kann. Kann man nicht. Meine DVD-Boxen verstauben heute auf dem Dachboden. Trotzdem, ganz vergessen kann ich dich nicht: Weil du so schnell und bissig warst, kommen mir auch heute noch viele Serien unglaublich langsam vor: Einer arbeitet 15 Sekunden auf die Pointe hin, dann sagt einer: "What?“ und dann kommt noch der Lacher vom Publikum.

Das ist der humoristische Vorschlaghammer. Weil ich dich und deine Smartness kannte, denke ich dann immer: Ist das für Kinder?

Chantal, 21: "Desperate Housewives"

Mit 15 haben wir uns kennen gelernt. Ich fand dich super: Es ist ja nicht so, dass im realen Leben jeden Tag etwas Erzählenswertes passiert. In der Wisteria Lane aber schon: Gefühlt stirbt in jeder Staffel mindestens eine Person, und irgendwer wird schwanger. Jede Woche habe ich dich auf ProSieben geschaut, am nächsten Tag mit meinen Freundinnen in der Schule alles analysiert.

Das war noch in der Mittelstufe, da hat man ja eh viel Zeit. Heute ist das schwieriger, ich habe so viele Verpflichtungen und kann mir nicht einfach bestimmte Uhrzeiten freihalten – ich bin da auch nicht flexibel, muss ich dazu sagen: Ich streame nicht, sondern gucke noch ganz altmodisch auf einem Röhrenfernseher. Im Moment laufen Wiederholungen von dir auf Sixx. 18.30 Uhr, jeden Tag.

Ich versuche schon, dann daheim zu sein. Ich kenne das zwar alles schon. Aber ich will einfach nicht, dass es mit uns zu Ende geht.

Lena, 27: "Grey's Anatomy"

Richtig angefangen hat es aus Langeweile: Ich studierte 2011 für ein Jahr in den USA, in einem Kaff in Maryland mit 4000 Einwohnern. Da war häufig nichts los. Ich entdeckte Streaming für mich – und "Grey's Anatomy" und das Krankenhaus-Drama, das sonst keine andere Arztserie so gut hinbekommt.

Ich habe es mal mit "Emergency Room" probiert, aber das war nichts im Vergleich zu "Grey's". Da habe ich jede Folge geheult.

Natürlich hatten die ganzen Kranken und das Liebesdrama nichts mit meinem Leben zu tun. Aber gerade deshalb mochte ich die Serie so. Bis jetzt. Als am Ende der elften Staffel aber McDreamy, also Doctor Shepherd, durch einen Unfall starb, dachte ich: krass. Das geht einfach nicht. Die Liebe zwischen ihm und Meredith Grey war der rote Faden der Serie. Die hatten gerade noch ein Kind bekommen. Das war Entsetzen pur. Ich weiß, dass es weitergeht mit "Grey's". Aber ohne McDreamy. Und deshalb auch ohne mich.

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