Fotostrecke

Wetten, dass..?: Streichwerbung statt Schleichwerbung

Foto: Sascha Baumann/ dpa

"Wetten, dass..?" in Offenburg Gut geschmiert ist halb geschmätzt

Melken, kneten, ölen: Bei "Wetten, dass..?" wurde kräftig hingelangt. Das lag an der deftigen Cindy aus Marzahn, die nun offiziell im Assistentinnen-Amt bestätigt ist. Und an Einlagen mit hohem Schmier- und Flutschfaktor.
Von Daniel Haas

"Das Medium ist die Message" - ein Klassiker der Kulturtheorie. Später hieß es, halb im Ernst, halb zum Spaß: Das Medium ist die Massage. Im Sinne von: Kleinkneten des Erkenntnisapparats zwecks Zerstreuung und Verblödung.

Bei "Wetten, dass..?" wurde nun ein selbstreflexiver Spaß daraus. Ein Bodybuilder erkennt Massageöle am Klang und an der Konsistenz. Der nun sicher bald auch im Duden einzutragende Fachbegriff für das Geräusch, das ein Körperöl beim Verstreichen auf der Haut verursacht: die "Schmätzung".

Streichwerbung statt Schleichwerbung also. "Das schmätzt und plätschert gut. Definitiv kein Erotiköl!", sagt der solariumrote Muskelberg, und schon ist die deutsche Etymologie um einen kuriosen Sonderfall reicher.

Überhaupt war's eine Feier des Händischen, Haptischen, Sinnlichen. Kinder errieten am Geschmack frischer Milch den Namen der gerade gemolkenen Kuh. Ein Musiker bezifferte den Inhalt von Flaschen bis auf zwei Gramm genau. Hierfür entlockte er den Gefäßen Ploppgeräusche. Per Gabelstapler bugsierte einer 2-Cent-Münzen durch einen Flaschenhals.

Fingerspitzengefühl als dramaturgisches Motto - jedenfalls, was die Wetten anging. Heute, wo sich dein Leben im Rechner oder auf dem Smartphone abspielt, sind Erprobungen der Physis erbaulicher denn je. Melken und walken, Öle und Milch: Bezüge zur greifbaren Welt, die sich noch nicht in Bits und Bytes verflüchtigt hat.

Leider gab's aber auch Gespräche, oder sagen wir besser: Talk (der Talk verhält sich zum Gespräch wie H-Milch zur Sahne). Matthias Schweighöfer, Christiane Hörbiger, die Spitzensportler Magdalena Neuner und Robert Harting und als Superstargast aus Amerika Denzel Washington (ab nächster Woche in deutschen Kinos mit dem Flugzeugdrama "Flight" zu sehen). Alle schön aufgereiht auf dem Sofa. Und Lanz? Startet mit: "Was gab's vom Christkind?"

Wirklich? Mitte Januar Fragen nach den Weihnachtsgeschenken? Wer denkt sich so was aus? Cindy aus Marzahn, die nun offiziell bestätigte Assistentin, sicher nicht. Die Komikerin war spontan, selbstironisch, souverän. Sagt zum Bodybuilder, der Lanz für eine nicht ganz ungefährliche Wrestlingnummer verpflichtet: "Wirst du ihm wehtun? Denn dann muss ich dir wehtun." Nimmt Washington in den Arm und murmelt: "Das sehen Sie jetzt nicht, aber der fasst mich hinten an." Und rettet einen schwachen Moment mit der souveränsten aller Komikergesten: der Kapitulation. "Dieser Gag hat schon mal gar nicht funktioniert." Ein toller Lacher.

Mit dem festen Engagement der Berliner Prollkomikerin ist ein entscheidender Schritt in Richtung Modernisierung getan. Hunziker, das war noch alte Möchtegern-Glamour-Schule. Kulinarischer Sexismus in Gestalt der Blondine verfängt in Zeiten von Spitzenquoten für "Dschungelcamp", "Joko & Klaas" und Raab nicht mehr. Die Leute wollen auf der Höhe ihres gespaltenen Bewusstseins bedient werden: Es ist Trash, aber Trash, der sich dessen bewusst ist.

Da passt Cindy aus Marzahn perfekt. Für bürgerliche Milieus ist sie zum heiteren Gruseln, der Rest klopft sich die Schenkel blau. So sind Zielgruppenkontakte in alle sozialen Richtungen programmiert.

Und Lanz kann seine Rolle mit Würde spielen. Gegen seine Assistentin wirkt er wie personifizierte Bürokratie. Der hölzerne Interviewstil, das krampfige Lächeln, die Beflissenheit, mit der ein Thema zerredet oder ein Gast weit unter seinem Niveau angegangen wird - Hörbiger, eine große Bühnenkünstlerin, wird ausgerechnet für ihre Rolle in "Schtonk" über Gebühr gelobt. Das sind nun alles schlüssige Kniffe der Darstellung mit dem Ziel der Kontrastierung. Showverwaltung hier, Stand-up-Lässigkeit da.

Dieser Part ist schwer, er ist undankbar, und nach zweieinhalb Stunden begreift man, dass Lanz vieles nicht ist, nicht spontan, nicht witzig oder provokativ. Aber eben auch nicht eitel, kokett oder arrogant. Das kann man nicht von jedem Moderator der Premiumliga sagen. Wenn Cindy aus Marzahn die Assistentin von Lanz ist, dann ist Lanz der Assistent von "Wetten, dass..?". Er assistiert dem Flaggschiff des Samstagabend-Entertainments, Kurs zu halten in Zeiten von wenig Message und viel Massage.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren