Brit-Serie "Wild Bill" Der Cop, mit dem wir gern zu Bett gehn

Bläst er gleich zur Nachtruhe? Chief Constable Bill Hixon (Rob Lowe, M.) im Einsatz
Foto:Matt Frost/ Matt Frost/ ZDF
In der Philosophie herrscht ein nicht enden wollendes Ringen zwischen zwei Konzepten: freier Wille hier, Determinismus dort. Hat vielleicht keiner gemerkt, aber es gibt längst eine Auflösung dieser Dualität: zu beobachten, sobald man eine Streamingplattform aufruft, auf der Suche nach Fernsehablenkung – und am Ende eben doch "Mord mit Aussicht" zum 34. Mal. anschaut. Der streaming-philosophische Fachbegriff für jenen Mittelweg: "Comfort Binge".
Die erweiterte Variante dieser trostspendenden, bequemen Form des Fernsehens, die jede Art von Konfrontation mit der eigenen Entscheidungs-Paralyse umgeht: Serien anzuschauen, die nur irre bekannt wirken. Mal aufzuhören mit der Jagd nach neuen Erzählformaten.
Die britische TV-Serie "Wild Bill", deren sechs Teile nun bei ZDFneo in einem Rutsch zu sehen sind (und dann noch einmal je eine Doppelfolge an den folgenden zwei Freitagabenden), ist der Inbegriff dieser Idee. Mehr noch: Sie übererfüllt die Parameter. Und dient damit als Eskapismus vom Bingewatching-Eskapismus.

Ein Krimi wie eine Landpartie
Das fängt schon mit dem Erzählrahmen an, eine gute, alte "fish out of water"-Story: US-Cop Bill Hixon landet in Lincolnshire, englische Pampa irgendwo nordöstlich von Nottingham. Ruf ramponiert, Frau tot, Tochter teenagert. Also: Neuanfang.
Als wäre das nicht genug, packten die Serienschöpfer Dudi Appleton, Jim Keeble und David Griffiths noch einen Dauerbrenner obendrauf: die ebenso verlässliche "Seltsames Paar"-Konstruktion. Hixon wird unterstützt von einer jungen Ermittlerin aus der Gegend (Bronwyn James), das Gegenteil seiner kosmopolitischen Attitüde (erinnert ein wenig an die Brandt/Sturm-Polizeirufe aus München).
Hixon erinnert zwar mit seinem Namen an den Wildwest-Typen "Wild Bill" Hickok, Wildwesthut inklusive. Aber dieser hier ist wirklich kein Raufbold, richtig spannend wird’s auch nie. Liegt am Darsteller, der noch ein entscheidender Grund dafür ist, wieso alles so vertraut wirkt: Rob Lowe.
Rob Lowe, unser Anker
Man kann sagen, Rob Lowe ist die Meg Ryan des Fernsehens: Er spielt dies, er spielt das, und alles irgendwie gleich, egal ob "The West Wing" oder "Parks and Recreation". Was bei allen anderen Schauspielern als größtes Manko abgeheftet werden würde, dient hier als Anker. Lowe ist eine sichere Bank. Minimale Mimik, waidwunder Blick, man weiß, was man kriegt. Ihm dabei zuzuschauen, was er im Fernsehen immer so macht, diesmal nur in britischer Polizeichefuniform, ist, als würde man sich noch mal ins Bett legen. Und was soll daran bitteschön falsch sein.
Es wäre ein Leichtes, die Nase zu rümpfen, all das als altbekannt abzutun. Aber hier wirkt es eher so, als hätte jemand den Mut gehabt, Fernsehen zu machen, das sich anfühlt, als käme es aus den Neunzigerjahren, vor der Ära der digitalen Überforderung. Nur um dann ab und an herrlich Übertriebenes reinzumischen. Allein dem absurden Showdown auf der Turbinenplattform eines Windrads am Ende der ersten Folge möchte man alle Einsen und Ausrufezeichen dieser Welt hinterherschicken.
Das Ergebnis ist eine Serie, bei der man über den Inhalt keine Silbe mehr verlieren muss als in diesem Text. Wieso auch? Die Fälle selbst sind egal, denn wir wissen, was wir kriegen. Und genau das ist der Lockstoff. Das perfekte Gegenmittel zur "Anleitung zum Unzufriedensein", wie der Psychologe Barry Schwartz den Ozean an Wahlmöglichkeiten schon charakterisierte, als Netflix noch nicht mal erfunden war.
Wie folgerichtig diese Mischung als ruhender Pol in jenem endlosen Streaming-Meer ist, lässt sich an Rob Lowes neuester Serie ablesen, die, nun, sehr vertraut wirkt. "Wild Bill" überlebte nur die erste Staffel, aber nun wird Lowe in "911 Lone Star" als Feuerwehrchef von New York City nach Texas geschickt, um dort den Laden auf Vordermann zu bringen. Nur diesmal mit einem Sohn. Und eben ohne Cowboyhut.
"Wild Bill”: 31.7., ZDFneo, ab 20.15 Uhr, alle sechs Folgen am Stück.
Alternativ Folge 3+4: ZDFneo, 7.8., ab 20.15 Uhr; Folge 5+6: ZDFneo, 14.8., ab 20.15 Uhr.