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"Das Kindermädchen" im ZDF: Und nun schweigt!

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ZDF-Krimi "Das Kindermädchen" Das eisige Schweigen der Bourgeoisie

Zwangsarbeiter und Raubkunst, Schuld und Verdrängung: Der ZDF-Zeitgeschichts-Thriller "Das Kindermädchen" greift die ganz großen Themen auf - und liefert dank großartiger Schauspieler wie Jan Josef Liefers Aufklärung der klugen Art.
Von Daniela Zinser

Schlimm, schlimm, schlimm waren wir damals. Und die Schwiegeroma erst, fügt der aktuelle ZDF-Montagsfilm "Das Kindermädchen" nun noch an. In dem Thriller aus dem deutschen Großbürgertum wird kein Thema, das mit dem NS-Unrechtsstaat zusammenhängt, ausgeklammert: Es geht um ukrainische Zwangsarbeiter und geraubte Kunst, es geht um Verdrängung, Verachtung und fehlende Sühne.

All das zusammenhalten muss Jan Josef Liefers als Anwalt Joachim Vernau. Er kommt, die Kittelschürze der Mutter lässt es erahnen, aus einfacheren Verhältnissen, ist aber kurz davor, in die reiche Adelssippe der von Zernikows einzuheiraten und in der Kanzlei des Schwiegervaters Utz Karriere zu machen. Seine Verlobte Sigrun Zernikow (Natalia Wörner) hat das "Von" der Politik geopfert. Sieht einfach volksnaher aus. Schließlich will sie Berliner Innensenatorin werden, und ihr Zukünftiger erfährt direkt vor der Presse, dass er nun mit ihr verlobt ist. Ist einfach gleich viel emotionaler.

Alles ist gerade rundum hübsch arrangiert, da steht plötzlich eine alte Ukrainerin mit einem Brief vor der Tür. Ihre Freundin, Natalja Tscherednitschenkowa, bittet darin um eine Unterschrift, die bestätigt, dass sie in den vierziger Jahren als Kindermädchen in der Familie von Zernikow Zwangsarbeit geleistet hat. Nur so bekommt sie ein paar Euro Entschädigung. Joachim Vernau nimmt den Brief entgegen und versucht, seine schöne neue Familie zur Unterschrift zu bewegen. Doch die erinnert sich, natürlich, an nichts. Oder wenn, dann nur an das Beste.

Die alte Ukrainerin liegt bald tot im Landwehrkanal, Nataljas Enkelin (Chulpan Khamatova) kommt als Rächerin aus Kiew, Vernau fliegt aus dem Haus, der Kanzlei und seiner Beziehung, eine alte Villa birgt Geheimnisse und dank seiner Studienfreundin Marie-Luise deckt der Anwalt sie nach und nach alle auf.

Immer schön so tun, als ob

Die Geschichte basiert auf einem Roman von Elisabeth Herrmann, die auch das Drehbuch geschrieben hat. An einigen Stellen wird da kräftig übertrieben: Die Enkelin aus Kiew, die wild mit der Knarre fuchtelt, der Enkel aus Berlin, der mit dem Bagger durchdreht - da wird es etwas viel.

Ansonsten aber unterhält der Film, gerade weil er ruhig erzählt. Jede Figur hat ein, zwei Auftritte wie im Scheinwerferlicht, die ihre Geschichte beleuchten und den Charakter nachvollziehbar machen. Die eiskalte Freifrau von Zernikow (Inge Keller) regiert die Familie vom Rollstuhl aus, ist immer noch stramm nationalsozialistisch. Geschichte ist für sie Familiengeschichte, und so wird sie auch gedeutet. Was gut war für die Zernikows, das war auch richtig. Und nun schweigt!

Ihr Sohn Utz (Matthias Habich) scheint der Matriarchin ganz ähnlich zu sein, doch er, damals noch ein Junge, kommt 60 Jahre später nicht klar mit der Schuld. Nicht mit der Zuneigung und Aufopferung, die ausgerechnet vom ukrainischen Kindermädchen kam. Natalia Wörner führt als Tochter das Familienerbe fort: Sie wahrt den Schein ("Küss mich, wir werden beobachtet!") und wollte eigentlich alles besser machen als Politikerin. Doch sie lässt sich von ihrer Familie definieren und muss schmerzlich erkennen, dass Haltung mehr ist, als das, was andere von einem halten.

Das sehr gute Schauspielerensemble wird geführt von Jan Josef Liefers. Er ist stark, gerade weil er unterspielt - ganz anders als vor kurzem im Männerbefindlichkeitsklamauk "Der Mann auf dem Baum". Cool und couragiert ist sein Joachim Vernau, er tut das Richtige, aber ohne viel Gewese. Besonders im Zusammenspiel mit Stefanie Stappenbeck als linksbewegte Kollegin ("Ich verstehe diesen ganzen bourgeoisen Lebensstil nicht") macht das Spaß, mitanzusehen. Die Dialoge sind an mancher Stelle überraschend spritzig, das Ende dankenswert zurückgenommen.

Es spricht also viel dafür, den Montagabend mal mit ein bisschen Nachsitzen in Sachen Vergangenheitsbewältigung zu verbringen.


"Das Kindermädchen", Montag, 20.15 Uhr, ZDF

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