Letzte Folge "Zimmer frei!" Abschiedsparty mit Puffbrause

Moderatoren Alsmann und Westermann mit ihren Gästen
Foto: Henning Kaiser/ dpaWelchen Fehler man in einer letzten Sendung unbedingt vermeiden müsse, hatte Christine Westermann am Sonntag vor einer Woche noch Thomas Gottschalk gefragt. "Man sollte sagen: Freunde, es war eine tolle Zeit", riet der, "und nicht dieses: 'Ach, wir wollten doch gar nicht und jetzt müssen wir aber.'"
Man kann es so sagen: Christine Westermann und Götz Alsmann haben mit ihrer 700. und finalen "Zimmer frei!"-Ausgabe am Sonntagabend im WDR die Gattung "Abschiedsshow" auf ein neues Level gehievt. Mit "zwei Stunden Whisky, Weiber, Cha-Cha-Cha" (Alsmann). Der große Esstisch in dem auf WG getrimmten WDR-Studio war endlich mal voll besetzt, es gab Puffbrause und Würstchen und Torte, "Tagesschau"-Sprecher Jan Hofer verkleidete sich fürs Bilderrätsel als "Käse-Igel". Und danach waren alle ein bisschen strack.
Alles wie immer also, nur mit viel mehr Leuten. Eine Wohnungsauflösungsparty, die schon deshalb so Laune machte, weil die Gäste ihren Spaß hatten. Und okay, geheult wurde am Ende auch.
Das richtige Abschieds-Timing
Sonst läuft die Chose bei TV-Abschiedsshows ja ungefähr so: Rückblick, Tränen, Rückblick, ein paar Gäste, die, haha, witzigsten Patzer, noch ein paar Gäste, nostalgisches Gerede, Fremdscham, Blumensträuße, Glitterbombe. So, dass man jedes Mal denkt: Wie gut, dass es endlich, endlich vorbei ist. Gefolgt von: Wieso sind sie nicht einfach mit der letzten regulären Sendung ausgestiegen? Siehe: "Wetten, dass..?", "Harald Schmidt Show", "TV Total" oder "Schlag den Raab". Im Fall von "Zimmer frei!" wäre die joviale Mitbewohnersuche mit Thomas Gottschalk vergangene Woche weiß Gott nicht der schlechteste Abschied gewesen.
Stattdessen gab Götz Alsmann die Parole aus: "Heute schießen wir mit den allergrößten Kanonen auf die kleinsten Spatzen." Mit einer "Tagesschau"-Ansage als Auftakt und allem, was der WDR an Tamtam aufzubieten hat, vom Rundfunkorchester bis zu "Zirkusdirektor" (Horst Pferdinand) Jörg Schönenborn und Intendant Tom Buhrow, der die "ultimative Lobhudelei" übernahm, aber leider nur Lala-Phrasen raushaute wie: "Ihr habt Fernsehgeschichte geschrieben."
"Es ist vorbei-ei-ei!"
Anne Will und Oliver Welke quatschten mit Alsmann und Westermann separat, was schon deshalb nicht furchtbar sentimental wurde, weil es vor allem darum ging, wieso "Götzimausi" kurz vor der Sendung meist noch mal seine Hose öffnet. Der Rest der Gäste war ein bisschen: jo, aha. Was man halt erst mal denkt, wenn da Guido Cantz und Katrin Müller-Hohenstein, Guido Maria Kretschmer und Mariele Millowitsch, Jens Riewa, Mary Roos, Florian Silbereisen und noch x andere auftauchen. (Nur: Wo war eigentlich Ex-Nachbarin Annemie Hülchrath, also Cordula Stratmann?)
Doch der scheinbar krude Mix funktionierte - wie üblich, wenn Freunde, die sich seit gefühlt 20 Jahren kennen, um einen Tisch sitzen, sich mit Alkohol wegschießen, über alte Zeiten schnacken und angezwitschert musizieren, immer am Thema des Abends entlangschrammend, wie Hilde Knefs "Ich bin zu müde, um schlafen zu gehen", und vor Lachen fast vom Stuhl fallen wie Jens Riewa, als er Kollege Hofer im Igelkostüm sah.
Nach dem Gerumpel über die Gründe fürs Aus der Sendung zelebrierte der WDR schon seit Monaten eine einzige Abschiedstour, Lieblingsgäste durften noch mal für eine ganze Sendung kommen, eine "Best of"-Gala lief auch schon. Als Axel Prahl neulich zu Gast war, textete er Rio Reisers "Junimond" um zu: "Es ist vorbei-ei-ei! Es tut mir so weh, vor allem, wenn ich mir anschaue, was ich sonst im Fernsehen so seh", und Gottschalk bot an: "Wir können das Ding doch wieder hochreißen, ich bin ja jetzt da."
Dass sich so viele in diese Sendung verknallt haben, liegt auch an der Typenkonstellation Alsmann/Westermann. Unvorstellbar, dass die beiden nicht gecastet wurden, sondern nur zufällig Zeit hatten, als der WDR 1996 einen Sommerpausenlochfüller brauchte. Westermanns Rolle war, schnurstracks persönlich werdende Gespräche zu führen, in die Alsmann brutal reingrätschte, um dann total bildungsbürgerlich am Klavier Hausmusik zu machen, wo bei Gästen trotz all dem Quatsch mit Soße drumherum oft pure Melancholie durchbrach.
Es war eine Sendung, die sich an Ritualen entlanghangelte - und dazwischen Raum für Unerwartetes ließ. Die Formel mit dem "Kindergeburtstag" ist zwar abgegriffen wie die blauen Uralt-Mikros der Sendung, aber das trifft es eben: Da sind eine nun 67-Jährige und ein 59-Jähriger, die wie in der Abschiedssendung ins Bällebad hüpfen, mit Obstkorb auf dem Kopf Melonen zwischen den Knien transportieren, Gäste nach ihren Unterhosen fragen. Weil die beiden sich für nichts zu schade waren, war allen anderen auch herzlich egal, wie albern sie rüberkamen. So was gab's sonst nirgends.
Ja, eine verdammt lässige Samstagabendshow (ohne Samstag). Aber natürlich steht diese etwas überbordende Trauer nur stellvertretend für die Nostalgie aller, die sich sogar an die Zeit Prä-Privatfernsehen erinnern. Das Gefühl hatte sich schon beim Aus der "Harald Schmidt Show" angeschlichen (wahlweise bei "Geld oder Liebe", "Wetten, dass.. ?", "Schlag den Raab"), aber jetzt, mit dem Ende dieses im dritten Programm gepflegten Faktotums, scheint es wirklich so weit zu sein. Lineares Fernsehen? Pff. Mal ehrlich, wir schauen doch alle maximal Spätnachrichten, "Tatort", den Grand Prix Eurovision und Fußball live. Und den Rest eben, wenn's gerade passt.
Wer also demnächst Netflix durchgespielt hat, dem sei zugerufen: In der Mediathek ist bis tief ins Jahr 2017 eine ganze Batterie an "Zimmer frei"-Folgen geparkt. Es wäre Verschwendung, sie sich nicht alle reinzuziehen. Auch weil Götz Alsmann zum Abschluss wohlweislich sang: "So geht Fernsehen, und ein jeder kann es lernen."