
Krebstod: Trauer um Dieter Pfaff
Zum Tode Dieter Pfaffs Sein Leben, ein Spuk
Bloch kann nicht schlafen, er wälzt sich in seinem Bett. Ein Ehepaar, das sich selbst zerfleischt, hält den Psychotherapeuten auf Trab. Und wenn nachts mal wieder die Fäuste fliegen, dann klingeln die beiden Zankhälse ihn eben aus seinen Laken. Dabei hat Bloch selbst genug Seelentrouble, seine Frau geht fremd, er verliert das Gefühl für sich selbst, sein Leben droht auseinandereinderzufallen. Und dann sind da noch all die Gespenster der vergangenen Zeiten, die ihn nicht zur Ruhe kommen lassen. Das Leben, ein Spuk!
So aufgewühlt ist Dieter Pfaff in der nächsten Folge der Reihe "Bloch" zu sehen, die am nächsten Mittwoch in der ARD läuft. Gut zehn Jahre verkörperte Pfaff den Psychotherapeuten; die Rolle stellte in seiner späten Schaffensphase einen absoluten Glücksfall dar, konnte er mit ihr doch aus all den Missverständnissen, die über ihn kursierten, erzählerisches Kapital schlagen.
Dieter Pfaff? Das war doch dieser gemütliche Dicke, dieser Bär mit den zärtlichen Tatzen? Von wegen. Wer bei Dieter Pfaff genau hinsah, der konnte sehen, dass seine Figuren auch in den sonnigsten Momenten des deutschen Vorabend- oder Primetime-TV stets mit sich selbst rangen. Ganz egal ob Pfaff in "Bruder Esel" einen Franziskanerpater verkörperte, der den Zölibat in Frage stellt. Oder in der Krimi-Reihe "Sperling" den Chef einer Spezialeinheit, der die ganz aussichtslosen Fälle übernimmt. Oder ob Pfaff in "Der Dicke" als Anwalt der einfachen Leute auf St. Pauli Hamburger Pfeffersäcke zurechtstößt.
Unruhe, Sehnsucht, Nervosität
Hinter dem aufrechten Kämpfer trat stets der aufrechte Selbsthinterfrager hervor. Kaum verwunderlich, dass Dieter Pfaff einen denkbar unruhigen Lebenslauf hat. Nach wilden Wanderjahren über etliche deutsche Bühnen schien er 1983 - er war gerade mal Mitte 30 - eigentlich schon am Ende seiner Karriere angekommen; da wurde er Professor für Schauspiel an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Graz. Und hätte es auch bis zu seiner Pensionierung bleiben können.
Doch die Unruhe und die Sehnsucht trieben Pfaff zurück in die aktive Schauspielerei - und diesmal verstärkt vor die Kamera. In der grandiosen Cop-Serie "Der Fahnder" sorgte er ab 1984 als Sidekick-Polizist Otto Schatzschneider für Comic Relief. Eine tolle Rolle, aber der lustige Runde wollte Pfaff nicht bleiben. Lieber nervös und neugierig sein, auch wenn es mit großen Rollen für Dicke im deutschen Fernsehen nicht eben rosig aussieht. Aber einer wie Pfaff, an dem der Dreck und die Lüge des deutschen Fernsehens wundersam abperlten, stand eben auch in "Manta - der Film" oder "Traumschiff" unbeschadet herum.
Anfang der Nullerjahre schrieb das Autorenduo Pea Fröhlich und Peter Märthesheimer ihm dann die Rolle des Psychotherapeuten Bloch auf den nervösen Leib. Jeder Fall eine Krankenakte, aber mit einer Empathie und emotionalen Wucht gespielt und inszeniert, dass die Pathologisierung der Charaktere niemals kaltherzig wirkte. Das lag vor allem an Dieter Pfaff, der sich nie an seine Patienten rankumpelte, aber sich auch nie über sie erhob. Stets stellte er klar: Ihr tanzt mit euren Dämonen, ich mit meinen.
In Interviews erklärte Dieter Pfaff unmissverständlich, dass er noch immer in Unfrieden über die private Vergangenheit als auch die seiner Generation sei. Offen sprach über die Wunden und Fragen der 68er, die er noch nicht verheilt und geklärt sah. Offen sprach er über das schwierige Verhältnis zu seinem strengen Vater, einem Dortmunder Polizisten, der schon früh starb und den Sohn mit seiner Wut allein zurückließ. Offen sprach er über seine zweite Leidenschaft neben der Schauspielerei, über die Musik, mit der ihm leider kein Erfolg vergönnt gewesen ist.
In der bewegendsten aller "Bloch"-Folgen vor gut einem Jahr sah man Pfaff an der Seite von Vadim Glowna. Die beiden spielten ehemalige Muckerfreunde, die nach den wilden Sechzigern und Siebzigern im Zorn voneinander geschieden waren. Hier sah man sie dann wiedervereint in schwarzen Anzügen Songs von Johnny Cash spielen, der einst wie kein Zweiter die eigenen Dämonen besungen hatte. Vadim Glowna war kurz nach dem Dreh gestorben.
Nun ist auch Dieter Pfaff tot. Er erlag in Hamburg im Kreise seiner Familie den Folgen eines Lungenkrebsleidens und wurde 65 Jahre alt. Das deutsche Fernsehen hat mit ihm einen Koloss kreativer Unruhe verloren. Im öffentlich-rechtlichen Radio sollte an diesem traurigen Tag nur Johnny Cash laufen.