DDR-FLUGZEUGBAU Typ Gartenmöbel
Vier Tage nach Schluß der Leipziger Messe gab der Chef der DDR -Plankommission, Bruno Leuschner, vor dem SED-Zentralkomitee zu erkennen, weshalb die Zone in diesem Jahr auf die sonst stolz betriebene Schaustellung ihrer Luftfahrtindustrie in Leipzig verzichtet hatte. In seinem Vortrag über den - mit viermonatiger Verspätung vorgelegten - Volkswirtschaftsplan für 1961 ließ Leuschner wissen, das Politbüro habe den Flugzeugfabriken der DDR ein neues Aufgabengebiet erschlossen.
Die Werke sollen laut Leuschner künftig unter anderem
- Vorrichtungen für die Bauelemente-Fertigung,
- Blechpreßteile für den Fahrzeugbau und
- Leichtmetallkonstruktionen für die Bauindustrie
liefern. Von Flugzeugen war nicht mehr die Rede. Der Plankommissar erläuterte: »Dadurch wird es möglich sein, in diesen großen Werken vorteilhaft ökonomisch arbeiten zu können.«
Zonenchef, Ulbricht hatte 1953 den Startbefehl für die Aviatiker gegeben. Auf dem Provinzflughafen Dresden-Klotzsche wurden die Pisten instand gesetzt und weitläufige Produktionshallen hochgezogen, auf dem Leipziger Flughafen Schkeuditz entstand ein Reparaturwerk, und das zur Karl-Marx -Stadt gewordene Chemnitz erhielt eine Flugmotorenfabrik. In Ludwigsfelde nahm man die Vorbereitungen für den Bau von Strahlturbinen auf; die Entwicklungsabteilung der Dresdner Zentrale schließlich ließ sich auf dem Sonnenstein im sächsischen Pirna nieder.
1958 verfügte die Flugzeugindustrie der DDR über sieben Produktionsbetriebe mit 25 000 Beschäftigten. Der Facharbeiterstamm rekrutierte sich aus den Werksangehörigen der ehemaligen großdeutschen Luftrüstungsbetriebe, die zu 60 Prozent auf dem Gebiet der heutigen DDR lagen. Aus denselben Unternehmen kamen die technischen Führungskräfte. Nach einem langjährigen Umweg über die Sowjet -Union ließen sie sich in Klotzsche und in Pirna nieder, um unter dem ehemaligen Junkers-Konstrukteur Professor Dr. Brunolf Baade den Wunsch der SED nach eigenen-Flügeln zu verwirklichen.
Baade hatte aus der Zeit seines Hilfsdienstes in der Sowjet-Union den Entwurf einer strahlgetriebenen Mittelstrecken-Passagiermaschine mitgebracht. Dieses Projektes nahm sich die Parteipropaganda unverzüglich an. Der Typ »B 152« (B wie Baade) feierte schon Triumphe, bevor noch das erste Versuchsmuster fertiggestellt war, und in Fachpublikationen erschienen bereits Verkaufsanzeigen.
Im Frühjahr 1959 jedoch stürzte der erste Prototyp der B 152 bei Klotzsche ab. Die vier Besatzungsmitglieder kamen ums Leben. Offizielle Begründung: Bedienungsfehler. Tatsächlicher Grund: Die Trimmung der Maschine funktionierte nicht.
Im Herbst vergangenen Jahres konnte immerhin ein Versuchsmuster Nummer vier in die Strecken-Erprobung gehen. Die ersten Serienmaschinen sollen noch in diesem Jahr an die DDR-Lufthansa ausgeliefert werden. Die zunächst an der B 152 ebenfalls interessierten Briten jedoch, denen die mit knapp 1000 Metern ungewöhnlich geringe Start- und Landestrecke imponiert hatte, waren schon nach dem Absturz abgesprungen. Wegen der unsicheren Absatzaussichten wurde daher die ursprüngliche Produktionsquote von 80 B-152-Maschinen auf 20 reduziert.
Auch der Lizenzbau der veralteten, aber robusten Sowjetmaschinen vom Typ Iljuschin 12 und 14 läßt keine Hoffnungen auf größere Umsätze mehr zu. Mit diesen zweimotorigen Mittelstrecken-Flugzeugen rüsteten die Werke Dresden und Schkeuditz die Ostberliner Lufthansa, den Transport-Flugpark der Volksarmee und auch Luftfahrtunternehmen anderer Ostblockstaaten aus.
Anfangs florierte das Geschäft leidlich. Da innerhalb der Länder des Rats für gegenseitige Wirtschaftshilfe nur die Sowjet-Union, die Tschechoslowakei und die DDR Verkehrsflugzeuge bauen, wurden insgesamt 105 Maschinen der sächsischen 11-14-Version an Abnehmer zwischen Warschau und Peking verkauft,
Seit der Mitte des Jahres 1960 allerdings ist der Serienbau eingestellt, weil
niemand mehr Interesse an den Dresdner Iljuschins zeigt. Abgesehen von der gelegentlichen Einzelfertigung der Il14 für den Eigenbedarf der DDR werden seither nur noch Reparaturen ausgeführt. Lediglich an Baades neuer 152 wird in einer Sonderabteilung der Dresdner Werke weitergearbeitet.
Die volkseigenen Flugzeugbauer haben den Marktanschluß verpaßt, denn auch der Bau einer Turboprop-Maschine Baades (B 153) verzögerte sich durch Konstruktionsschwierigkeiten und Fachkräftemangel so lange, bis die Sowjets den Sonnenstein-Experten mit ihrer 11-18, genannt »Moskwa«, zuvorkamen.
Der Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe empfahl seinen Mitgliedstaaten, ihre Fluggesellschaften mit dieser neuen Sowjetmaschine auszurüsten, so daß Baades Pläne für den Typ 153 mitsamt der Hoffnung auf eine gewinnbringende Produktion illusorisch wurden.
Da es die Sowjet-Union überdies ablehnte, die 11-18 in Lizenz nachbauen zu lassen und der DDR auf sowjetischen Ratschluß auch die Fertigung von Militärmaschinen versagt blieb, würden die Luftfahrt-Pioniere der SED zu einer anderen Verwendung ihrer Flugzeugfabriken gezwungen.
Die Mitteilungen Bruno Leuschners vor den 155 Mitgliedern und Kandidaten des Zentralkomitees sind nur ein verspätetes Eingeständnis: In mehreren Hallen der Dresdner Flugzeugwerke werden schon seit dem vergangenen Jahr statt Aeroplane Gartenmöbel und landwirtschaftliche Maschinen gebaut.
DDR-Strahlturbinenflugzeug B 152: Falsch getrimmt
Baade