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FILM Unter die Haut

aus DER SPIEGEL 10/2006

Das Aufführungsverbot für den Kannibalen-Thriller »Rohtenburg« stürzt den Senator Film Verleih ("Das Wunder von Bern") in neue Turbulenzen. Am Freitag vergangener Woche hatte das Oberlandesgericht Frankfurt entschieden, der Film mit Hollywood-Schauspieler Thomas Kretschmann ("King Kong") verletze die Persönlichkeitsrechte des als »Kannibale von Rotenburg« bekanntgewordenen Armin Meiwes und dürfe deshalb nicht gezeigt werden. Meiwes hatte 2001 einen Berliner Ingenieur geschlachtet und teilweise verzehrt. Tatsächlich ist »Rohtenburg«, den Senator eigentlich diese Woche mit rund hundert Kopien in die deutschen Kinos bringen wollte, erkennbar »inspiriert von wahren Ereignissen« (Senator-Werbung): Regisseur Martin Weisz und Produzent Marco Weber verwursten für ihren »Real-Horrorfilm, der im wahrsten Sinne des Wortes unter die Haut geht« (PR-Eigenlob), viele Details aus Meiwes' Leben, aufgemotzt mit voyeuristischen Schockeffekten und Holzhammer-Psychologie (die böse Mutter!). So erspart das Verbot den Machern zwar die öffentliche künstlerische Blamage sowie die Erkenntnis, dass der Markt für derart unappetitliche Werke kleiner sein dürfte als gedacht. Dennoch fürchtet Senator, das Urteil habe »verheerende Auswirkungen« für »die Filmwirtschaft und die Filmkunst«. Hinzu kommt der Imageschaden: »Rohtenburg« ist der erste Film, den der beklagte Produzent Weber in seiner neuen Funktion als Großaktionär der Senator Entertainment AG herausbringen wollte. Erst im Oktober 2005 waren der in Los Angeles lebende Weber sowie der Kölner Rechtsanwalt Helge Sasse für rund 9,3 Millionen Euro bei Senator eingestiegen. Der Kurs der Senator-Aktie brach am Freitag um bis zu 20 Prozent ein.

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