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KLAPHECK Vater Schreibmaschine

aus DER SPIEGEL 48/1966

Maschinen, meint der Maler, sind auch Menschen - Schreibmaschinen sind meist männlich, Nähmaschinen weiblich, Duschen und Wasserhähne jedoch »sexomane Geschöpfe, die sich nicht unterscheiden müssen«.

Rund 160 Maschinen und Geräte jederlei Geschlechts hat Konrad Klapheck, 31, schon in Öl gemalt: außer Schreib- und Nähmaschinen vor allem Telephone, Schuhspanner, Fahrradklingeln, Alarmsirenen und Badezimmer-Armaturen. Keines der Bilder zeigt eine menschliche Figur; alle spielen auf menschliche Funktionen an. Titelbeispiele: »Der Ehebrecher«, »Das Muttersöhnchen«, »Die Sexbombe und ihr Begleiter«.

Sexbomben, Muttersöhnchen und Ehebrecher sind bei der Kestner-Gesellschaft in Hannover gegenwärtig zur ersten umfassenden Klapheck-Ausstellung versammelt - elf Jahre nachdem der Düsseldorfer Professorssohn und Akademie-Student seine erste Maschine malte.

Es war eine Schreibmaschine (Fabrikat: Continental; Leihgebühr: sechs Mark pro Woche). Weil der Lehrer Vereinfachung wünschte, pinselte der eigensinnige Student photographisch genau

- und empfand das Resultat als unheimliches Symbol: »ein wenig schmeichelhaftes Porträt meiner selbst«.

Realistische Selbstbildnisse überzeugten Klapheck weniger: Er malte sich vor einer Dusche - nur die Dusche schien ihm gelungen. Konsequenz: ein nüchternes Konterfei der Dusche allein ("Hochmütige Schöne").

Als Nähmaschine hingegen ("Die Helferin im Bedecken unserer Blöße ist weiblich") porträtierte der Maler seine Freundin. Bildtitel: »Die gekränkte Braut«.

Derartige Deutungen, die sich immer erst nachträglich einstellten, behielt Klapheck anfangs für sich; sie schienen ihm ebenso privat wie - zur Blütezeit des Tachismus - seine Malerei überhaupt: »Ich dachte, um ausstellen zu können, müßte ich abstrakt malen.«

Trotzdem blieb Klapheck bei seinen plastischen, scharf konturierten und in kühlen Farben gemalten Gegenständen, die er allerdings schrittweise vereinfachte und deformierte: Er reduzierte Fahrradklingeln zu runden Bullaugen; er malte Schreibmaschinen mit 77 und mit zwei Tasten, mit halbkreisförmiger Tastatur und in Gestalt eines Betschemels; er kombinierte Bestandteile von Waage und Nähmaschine.

Neue Modelle bezog der Maler aus Industrie-Inseraten in Frauenzeitschriften und Illustrierten - sc Heizkörper, Toaströster und (für sein großes Gemälde. Der Krieg") Bohrmaschinen.

Auf diese Weise gedieh Klaphecks Dingwelt zu einem verzweigten Symbolsystem: Schreibmaschinen bedeuten Väter, Künstler, Politiker; Telephone sprechen anonyme Befehle und Warnungen aus; Schuhspanner-Paare beschwören »die Freuden und Mißlichkeiten der Ehe«.

In der psychologischen Auslegung banaler Gegenstände nähert sich Klapheck der europäischen Kunstbewegung des Surrealismus. Surrealisten-Chef Andre Breton schrieb dem Deutschen denn auch ein Katalog-Vorwort zu seiner ersten Pariser Ausstellung (1965).

Frühere Ausstellungen hatten - den Düsseldorfer Maler zuvor (seit 1959) in seiner Heimatstadt, in Essen. Köln. Mailand und London vorgestellt. Im Berliner »Haus am Lützowplatz« organisierte der Gag-Festival-Initiator Konrad »Jule« Hammer 1964 die bis dahin größte deutsche Klapheck-Schau.

Hammer bewies, daß Klaphecks verschlüsselte Bildwelt auch politisch gedeutet werden kann. Unter dem Eindruck der Bonner Abhör-Affäre war der Kunst-Funktionär besonders von der Darstellung zweier Telephone ("Die Sittenrichter") fasziniert. Hammer nach längerem Nachdenken: »Ja, Höcherl muß weg.«

Maler Klapheck, Modell

»Duschen sind sexoman«

Klapheck-Bilder »Die Sittenrichter«, »Schreibmaschine«, »Der Krieg« (Ausschnitte): »Höcherl muß weg«

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