COMPUTER Verlegers Traum
Als sich der amerikanische Verleger Wayne Green 1976 scheiden ließ, stritt er mit seiner Ex-Frau um die Besitzrechte an der von ihm gegründeten Computer-Zeitschrift »Byte«. Green unterlag.
Doch gleichsam von den Stufen des Gerichts, das ihm die »Byte«-Rechte entzogen hatte, schritt der ausgebootete Magazinmacher zurück auf den Zeitschriftenmarkt. Green gründete, eines nach dem anderen, sechs neue Computer-Blätter, darunter »Desktop Computing« und »80 Micro«. Im Sommer 1982, fünf Jahre nach der Niederlage vor Gericht, verkaufte er das Zeitschriften-Paket - für 60 Millionen Dollar.
Als »publisher''s dream«, Traum eines jeden Verlegers, bezeichnete das Wirtschaftsblatt »Business Week« die gegenwärtige Lage auf dem Markt der Spezialzeitschriften für häusliche Computer-Elektronik: Mehr als 130 Titel, so schätzen Branchenkenner, sind derzeit in den USA auf dem Markt. Sie wetteifern um die Gunst von Heimcomputer-Besitzern oder -Anwärtern. Schier unerschöpflich scheint das Interesse der Leser an technischen Neuerungen und an Programmen, die das Rechengerät nützlich machen
könnten. Die Computer-Magazine beraten Anwälte und Ärzte, wie »das Talent der Sekretärin mit der Effektivität des Heimcomputers zu höherer Produktivität« vermählt werden könne, sie vermitteln meterlang Programmschritte für die verschiedensten Anwendungszwecke; Interessierte erfahren, was als »Hardware des Monats« zu gelten hat; dazu gibt es jede Menge Tabellen a la Stiftung Warentest.
»Was auf diesem Markt geschieht«, so Jay Walker, Herausgeber der Zeitschriften-Bestsellerliste »Folio 400«, »ist beispiellos in der Geschichte der Druckmedien.« Allein die zehn größten Computer-Magazine in den USA erzielen eine Gesamtauflage von 2,9 Millionen Exemplaren.
Bisweilen ähnelt das Rennen um Leser und Anzeigen dem Zieleinlauf eines 100-Meter-Sprints. Im Juli dieses Jahres klemmten Zeitungsverkäufer am selben Tag gleich zwei Magazin-Neuerscheinungen in den Aushang ihrer Kioske - beide mit demselben Titel: »PC Week«. _(PC: Abkürzung für Personal Computer. )
Die Verleger regelten den unbeabsichtigten Zusammenstoß computerschnell: Einer kaufte die Rechte des anderen und übernahm dessen Crew.
Die Nachfrage nach lesergerechter Aufbereitung von Bits und Bytes begann, als Heimcomputer in großer Zahl in amerikanische Wohnzimmer einzogen. 1980 besaßen erst 216 000 Amerikaner einen jener Logik-Kästen, die laut Werbung dem Bäcker backen, dem Schulkind lernen und dem Vater die Steuererklärung anfertigen helfen. Doch schon 1982 waren 2,3 Millionen »Personal Computer« in Umlauf; bis Ende dieses Jahres soll die Zahl auf sechs Millionen steigen.
Der Boom der Zeitschriften verdeutlicht auch die Hilflosigkeit der meisten Käufer von Hard- und Software: Wohl nur dem Werbemännchen von IBM, dem berühmten Stummfilm-Tramp Charlie Chaplin bis ins Detail nachgeschminkt, erschließt sich der Rechner spielend. Der wahre Heimcomputer-Neuling kämpft mit dem Gerät wie einst Charlie Chaplin mit dem Fließband in »Moderne Zeiten«.
Da springen die Magazine in die Bresche. Die Zeitschrift »Family Computing« etwa erläutert Fünf- bis Fünfzehnjährigen den Umgang mit Heimcomputern. »Portable Computer« führt in die Geheimnisse tragbarer Rechner ein, »Personal Software« erleichtert die Wahl unter den vielen Programm-Disketten, und Zeitschriften wie »Joystick« und »Digit« unterweisen die Videospielsüchtigen im Erproben neuer Spielprogramme.
Mit 600 Dollar Startkapital war - im November 1974 - der Amerikaner David Ahl als erster in die gewinnträchtige Marktlücke gestoßen. Sein Lebenshilfe-Blatt »Creative Computing« zählte im ersten Jahrgang 850 Abonnenten und brachte von der dritten Ausgabe an Gewinn. »Creative Computing«-Auflage 1983: 260 000 Exemplare.
Zupaß kommt den Verlegern, daß die Computer-Anbieter mit ihrem Werbeaufwand die Zeitschriften mitziehen. Rund 220 Millionen Dollar gaben Amerikas Heimcomputer-Hersteller 1982 für Werbung aus, ein großer Teil davon ging in die Zeitschriften-Branche.
Mit dem üblichen Zeitverzug erreicht das lukrative Geschäft die Bundesrepublik. Erst ein gutes Dutzend Blätter leistet den rund 300 000 westdeutschen Heimcomputer-Besitzern Rechenhilfe, das auflagenstärkste ("Chip") erreicht gut 110 000 Käufer. Alle anderen Blätter, die sich wie »Chip« anschicken, durch »Kaufberatung, Problemlösungen und Anwendungsbeispiele« Heimcomputerei durchsichtig zu machen, erzielten bislang gemeinsam nicht einmal die 200 000er-Auflage des amerikanischen Branchen-Siebten »PC World«.
Mit der deutschsprachigen »PC Welt«, die erstmals im Oktober mit einer Auflage von 50 000 Exemplaren erschien, setzt der amerikanische Verlag CW Communications nun auch in der Bundesrepublik auf die Zugkraft der blauen Computer-Initialen »IBM«.
Auf wachsenden Bedarf an Soft- und Hardware-Blättern bauen auch westdeutsche Verleger: Der »München aktuell«-Verlag will vier- bis fünfmal jährlich 100 000 »Computer aktuell« vertreiben, der Gütersloher Medienkonzern Bertelsmann möchte monatlich 80 000 »micro«-Käufer erreichen, die Bertelsmann-Tochter Gruner + Jahr zielt auf 150 000 Interessenten am »PM Computerheft«. Der Ableger des erfolgreichen »Peter Moosleitner«-Jugendmagazins soll von Januar 1984 an monatlich erscheinen.
PC: Abkürzung für Personal Computer.