MUSICAL / "coco" Viel zu alt
Es war einmal ein armes Waisenkind. das lebte in einem Dorf in der Auvergne. Eines Tages kam ein reicher Mann und trug das Mädchen auf sein Schloß. Doch dort wurde es der Schönen langweilig. Also ging sie nach Paris und begann zu nähen und nähte so schön, daß bald alle Welt ihre Kleider kaufen wollte. Und dabei wurde Coco Chanel, 86, 50 berühmt, daß ihr märchenhafter Aufstieg jetzt sogar am Broadway besungen wird:
Die Pariser Schneiderin ist die Titel-Heldin des Musicals »Coco« » das letzte Woche im New Yorker Mark Hellinger Theatre, wo auch die »Fair Lady« in die Welt gesetzt wurde, Gala-Premiere hatte. »Coco«-Darstellerin dieser aufwendigsten Produktion in der Broadway-Geschichte (9OO 000 Dollar): Katherine Hepburn, 60. Ihre Wochengage: 14 000 Dollar.
Für »Coco« war den Autoren Alan Jay Lerner (Libretto) und Andre Previn (Musik) nichts zu teuer. Für 150 000 Dollar ließen sie Chanel-Kostüme, -Kleider, -Hüte und -Hosen nacharbeiten. Der Mode-Salon der Chanel in der Pariser Rue Cambon, mit Samt und Seide, Gold und Silber ausgestattet, wurde bis ins Detail auf der New Yorker Bühne imitiert.
Dort darf nun Katherine Hepburn zweieinhalb Stunden lang zeigen, wie Coco Karriere machte, nämlich so: Weil sie sich mit der Brennschere die Locken versengt hatte, schnitt sie ihr Haar ab und kreierte damit den Bubikopf; nach einer Segel-Partie ging sie in Hosen zum Cocktail und erfand so den Hosen-Look für Damen; und weil sie ihre echten Juwelen satt hatte, wurde der Talmi à la Chanel modern.
Singend sinniert Coco Hepburn zwischen chinesischen Paravents und Spiegel-Wänden auch über verflossene Amouren: über den russischen Prinzen, der sie begehrte, und über den reichen Herzog von Westminster, den sie verschmähte, weil »es viele Herzoginnen von Westminster gibt, aber nur eine Coco Chanel«.
Und weil es eben nur eine Coco Chanel gibt, findet diese auch an der Bühnen-Coco wenig Gefallen. »Die Hepburn ist«, so sagt sie, »doch viel zu alt für diese Rolle und kommt mir außerdem wie ein Dragoner vor.«
Ganz unrecht hat sie damit nicht: Vom welken Charme und Cocos greiser Eleganz ist bei der Hepburn nur wenig zu spüren. Die Filmschauspielerin, die kürzlich ihren dritten Oscar bekommen hat, geht meistens in ausgelatschten Sandalen und einem verbeulten Gabardine-Anzug. Und viel lieber als »Chanel No 5« ist ihr »der Duft der Bäume auf der Farm meines Großvaters, vermischt mit dem Geruch von lebenden Hühnern«.
Doch fehlt ihr für »Coco« noch mehr als nur Chanels Chic. Die Hepburn hat noch nie einen Ton öffentlich gesungen -- und das mit gutem Grund: »Mein Gesang ist das Jammervollste, was ich je gehört habe«, bekennt sie, »ich muß betrunken gewesen sein, als ich die Rolle annahm.«
Ob jammervoll oder nicht, dem Broadway-Publikum ist das einerlei. Mit Karten-Bestellungen für 1,5 Millionen Dollar ist »Coco« für Monate ausverkauft. Und die Filmrechte sind auch schon vergeben. Die Paramount hat sie für nahezu drei Millionen Dollar erworben.