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COP-ART Vielfältig eindeutig

aus DER SPIEGEL 43/1966

Der Eintritt ist frei, aber beschränkt. Im Lift taxiert der Fahrstuhlführer das Alter seiner Kunden - Jugendliche sind nicht zugelassen.

Reifen Menschen hingegen zeigt die New Yorker Galerie Sidney Janis eine Ausstellung, die - so der Veranstalter - »schon lange fällig war«. Titel der Schau: »Erotische Kunst 66«.

»Erotik«, so überblickt Janis die Situation, »ist von den Kubisten und der Pollock-Generation vernachlässigt worden. Aber die jungen Künstler lassen sich wieder von diesem Thema inspirieren.«

Die 19 Künstler, die für Janis »Cop -Art« (neues Schlagwort aus Pop, Op und Copulation) hervorbrachten, waren eindeutig, aber vielfältig inspiriert. Thematisch wie technisch nutzten die Erotiker alle Freiheiten moderner Kunst:

- Kino-Plastiker Robert Whitman beispielsweise erstellte ein Lichtspiel »Duschbad«, das aus echtem Wasser, einem echten durchscheinenden Vorhang und der Filmprojektion eines nackten Mädchens besteht.

- Neurealist George Segal modellierte

die biblische »Legende von Lot« (die Töchter verführen den trunkenen Vater) in lebensnahen und lebensgroßen Gipsfiguren.

- Pop-Künstler Jim Dine baute eine

Gruppe »Grüner Tisch und Stühle«; Pointe der »Triebmöbel« (Janis): Die durch den langen Tisch getrennten Stühle verbindet von Sitzfläche zu Sitzfläche ein gewundener Schlauch.

- Licht-Bildhauer Larry Rivers bastelte eine Skulptur »Das mag der Lampenmann«, die »man sehen muß, um sie für möglich zu halten« ("World Journal Tribune"); sie stellt einen homosexuellen Akt dar. Derartige Spielereien hält Galerie -Chef Janis, der die Mehrheit der 30 Exponate eigens für seine Ausstellung anfertigen ließ, »keinesfalls für pornographisch«. Mit 42 kleinformatigen Abbildungen auf dem Katalog-Umschlag weist er die prüden amerikanischen Gerichte vorsorglich darauf hin, was in der Weltkunst an erotischen Freiheiten seit der Steinzeit üblich ist. Janis: »Meine Ausstellung hat in erster Linie ästhetisches Interesse.«

Sittliche Unbedenklichkeit bescheinigte auch die Kritik. Sie fand die Darbietung »eher albern als schmutzig« ("The New York Times") und manche der ausgestellten Werke - wie den Kunststoff-Torso »Die Farbe meiner Liebe« von Armando Fernandez oder die Gemälde »Engel in mir« von Richard Lindner und »Fallende Frau« von Allen Jones »so verschlüsselt, daß der Betrachter den Spaß verliert« ("Newsweek").

Einen Spaß parodistischer Art machte sich statt dessen der Karikaturist Saul Steinberg. Als Beitrag zur »Erotischen Kunst« (Thema: »Der Kubismus beschläft den Impressionismus") zeichnete er naturgetreu ein Bett, bevölkerte es aber mit abstrakten Kunst-Symbolen.

Steinberg zur Erklärung: »Das einzige Erotische am Liebesakt ist sein Schauplatz - das Schlafzimmer.«

Erotik-Kunstwerke von Fernandez, Segal, Jones: Legende modelliert

Erotik-Kunstwerk von Dine

Triebmöbel verschlüsselt Erotik-Kunstwerk von Lindner

Für das vernachlässigte Thema ...

Erotik-Kunstwerk von Rivers

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