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MUSIK Vivaldi vor dem Kadi

aus DER SPIEGEL 33/2005

Seit ihrer Uraufführung 1733 galt sie als verschollen: die Oper »Motezuma« des italienischen Barockkomponisten Antonio Vivaldi (1678 bis 1741). Doch als die Sing-Akademie zu Berlin vor vier Jahren ihr Notenarchiv im Rahmen des Beutekunst-Austauschs aus dem ukrainischen Kiew zurückbekam, befand sich zwischen Tausenden Partituren auch eine - zunächst unbeachtete - Abschrift des Singspiels. Überglücklich machten sich schließlich der Musikwissenschaftler Steffen Voss als der Entdecker der Rarität und der Dirigent Federico Maria Sardelli an eine praktikable Edition des Werks und kündigten dessen szenische Aufführung an - für Mitte Juli 2005 in dem toskanischen Städtchen Barga und für die zweite Septemberhälfte bei dem ambitionierten Düsseldorfer »Altstadtherbst«. Doch statt die verdienstvolle Präsentation ihres Fundstücks zu begrüßen, setzt die Berliner Sing-Akademie inzwischen alles daran, die Darbietung zu verhindern: Vor dem Landgericht Düsseldorf erwirkte sie Mitte Juli eine einstweilige Verfügung, mit Strafandrohung bei Zuwiderhandlung bis zu 250 000 Euro. Die rheinischen Richter sprachen der Sing-Akademie die Rechte an dem Vivaldi-Knüller zu, weil das alte Urheberrecht zwar erloschen, infolge der Internet-Werbung für das Werk durch die Akademie aber neu entstanden sei. Am Dienstag dieser Woche wird sich das Oberlandesgericht Düsseldorf noch einmal mit dem Melodram befassen. Wird der »Altstadtherbst« auch in der Berufung unterliegen, könnten rund 100 000 Euro Einstudierungskosten den Rhein runtergehen.

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