
Vorwurf des »Wortbruchs« zwischen FDP und Grünen Indianerehrenwort!

Volker Wissing, Annalena Baerbock, Christian Lindner und Robert Habeck im September 2021
Foto:Volker Wissing / FDP / instagram / dpa; Getty Images
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Wenn man heute das Fotoalbum aus dem vorletzten Herbst aufschlägt, ist man doch verwundert, wie schön damals alles schien, im euphorischen Licht stehend, die Zukunft vor Augen. Man meint, den Aufwind zu spüren. Vielleicht sogar einen Anflug von: Wärme? In ihr digitales Freundschaftsbuch schrieben die vier auf jeden Fall: »Auf der Suche nach einer neuen Regierung loten wir Gemeinsamkeiten und Brücken über Trennendes aus. Und finden sogar welche. Spannende Zeiten.«
Zumindest Letzteres haben sie gehalten, da kann sich niemand beschweren. Auch Gemeinsamkeiten wurden sicher gefunden. Die Infrastruktur jedoch erwies sich als mangelhaft, vielleicht hat der Verkehrsminister Wissing ja einen Anteil daran. Gerade kollabieren die Brücken zwischen den Grünen und der FDP. Es geht um ein Heizungsgesetz, es ist sehr kompliziert. »Wortbruch« wirft der Habeck dem Lindner vor. Wortbruch, das klingt irgendwie schon deshalb nach einer Produktenttäuschung, als es doch modern, frisch, zeitgemäß zugehen sollte. »Wortbruch« weckt andere Assoziationen: Kohlrouladen, schlabberige Anzüge, Männerbünde. Der Schweißgeruch einer Umkleidekabine nach einem verlorenen Hallenturnier mischt sich mit kindischer Enttäuschung: Der hat mir doch sein Indianerehrenwort gegeben!
Warm ist die Vergangenheit, kühl die Gegenwart
Dabei sollte das ja das Neue sein: Vertrauen, Kollaboration, ein gemeinsames Ziel vor Augen. Da vorne, da geht’s hin, und wir nehmen euch mit. Auch deshalb wurde dieses Foto veröffentlicht. Um zu zeigen: Wir nehmen euren Auftrag ernst, wir sind bereit, weil ihr es seid, und jetzt alle zusammen. Dass sich Aufbruchstimmung irgendwann verflüchtigt, ist normal. Schließlich ist man dann ja auch irgendwann mal aufgebrochen. Aber wenn einem auf dem Weg (wohin, eigentlich?) so schnell die Puste ausgeht, muss man sich schon fragen, ob man sich die richtigen Reisebegleiter ausgesucht hat.
Das Tolle am Prinzip des Selfies ist, dass man im Akt des Fotografierens nur vorgibt, den späteren Betrachter anzuschauen, tatsächlich aber sich selbst anschaut. Insofern war das Bild auch ein großes Missverständnis: Nicht wir waren die Zukunft, sondern die vier selbst. Die Zukunft wird allerdings irgendwann zur Gegenwart, und in der sind wir jetzt angekommen. Die Gegenwart hat leider keinen Filter und sie ist auch nicht warm. Kühl ist es, und im Rückblick wundert man sich dann doch über die eigene Hoffnung. Das allerdings passiert oft, wenn man alte Urlaubsfotos anschaut.