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MODE Was er will

Der Däne Peter Bertelsen, ein ehemaliger Ölmanager, ist in London zum »Fashion-Guru« aufgestiegen.
aus DER SPIEGEL 23/1989

Wer in London modisch Wellen schlagen will«, sagt John Galliano, »der kommt an Peter einfach nicht vorbei.« Das muß er sagen.

Denn Galliano, 28, dessen avantgardistische Entwürfe zu den ganz großen Hoffnungen der britischen Mode-Industrie zählen, hat seinen Aufstieg vom Nobody zum Designer-Star einzig einem Mann zu verdanken: Peter Bertelsen, 58, Kaufmann, Öl-Manager und seit kurzem unbestrittener Mode-Zar des Vereinigten Königreichs.

»Ich verkaufe Kleider wie Kartoffeln«, sagt Bertelsen und untertreibt damit noch aufs Britischste. In nur sechs Jahren hat der gebürtige Däne die nach Mini-Mary Quant sanft entschlafene Londoner Modeszene aufgemischt.

Der smarte Manager sammelt Edelmarken wie andere Leute Postwertzeichen. Valentino, Krizia, Ungaro, Armani - alles, was angeblich gut, auf jeden Fall aber teuer ist, hat Bertelsen unter Vertrag. Der Öl-Mann mit engen Kontakten zu den Palästen der Scheichs entdeckte in London eine Marktlücke: »Die Stadt war voll von schwerreichen Arabern und Amerikanern, aber weit und breit gab es keine Boutiquen wie in Paris oder Mailand, in denen sie ihre Dollar loswerden konnten.«

Bertelsen änderte das. An Londons vornehmsten Einkaufsstraßen Bond und Sloane Street richtete er mit dem Gespür eines Goldgräbers luxuriöse Läden ein und lockte kontinentale wie globale Kreateure an die Themse. In seiner Gallery 28, einem chrom- und spiegelblitzenden Marktplatz in Mayfair, machen sich ein Dutzend Top-Designer Konkurrenz. Und auch die passenden Juwelen können betuchte Kunden im Bertelsen-Imperium erstehen: beim Londoner Ableger von Tiffany's, Audrey Hepburns berühmtem New Yorker Frühstückslokal.

15 Millionen Pfund Umsatz macht die »Aguecheek«-Kette, die Bertelsen beziehungsreich nach dem Junker Bleichenwang in Shakespeares »Was ihr wollt« benannte. Zum »mächtigsten Modeunternehmer« rief die britische Presse den Senkrechtstarter aus. Dessen Schützling Galliano sagt es schlichter: »Peter ist hier der Fashion-Guru.«

Leute wie Galliano zählen zu Bertelsens innovativen Geschäften: Was er im Business mit etablierten Könnern verdient, investiert der Finanzier in Nachwuchs-Schneiderlein, denen er eine Karriere zutraut.

Nicht »Was ihr wollt«, sondern was er will, heißt das Stück um Mode, Money und Macht, in dem der Däne Regie führt. Das war schon so, als der Diplom-Kaufmann noch beim Öl-Multi Shell in Diensten stand. Im Kampf um Treibstofflieferungen für die US-Militärs in Vietnam jagte der Beauftragte des Muschelkonzerns den Mitbewerbern Exxon und Caltex 80 Prozent des Marktes ab - ein Deal, der ihm in der Branche den Ruf eines Super-J.R. eintrug.

Mode-Aufsteiger, die von Bertelsens Förderung profitieren wollen, müssen denn auch Spleens und Federn lassen. »Die Youngster«, lobt der Macher, »haben eine phantastische Ausbildung.« Allerdings müßten die meisten erst lernen, daß sich Schnörkel und Schräges nur leisten könne, »wer schon einen Markt hat, nicht umgekehrt«.

Günstling Galliano, dessen ursprünglich bizarrer Clochard-Look eher unter die Brücken als auf die Laufstege von London und Paris paßte, entwirft heute abseits des exzentrischen Randes: »Middle of the road«, so Bertelsen, also dort, wo bekanntlich auch das Geld liegt - mitten auf der Straße.

Obwohl Bertelsen seinen Juniorpartnern enge Maßbänder anlegt, kann sich der Sponsor kaum vor Talenten retten. Risikobereite Nachwuchsförderer sind in Großbritannien Mangelware.

Überall sonst auf dem Mode-Globus hätscheln Unternehmen die Ideen-Lieferanten. Kleiderkönige wie der Italiener Gianni Versace oder der französische Haute Couturier Christian Lacroix etwa profitierten schon zu Beginn ihrer Laufbahn von Geldgebern, die an sie glaubten.

Paradebeispiel einer Modeschöpfer-Karriere: der Deutsche Karl Lagerfeld, den die ehrwürdigen Häuser Chloe und Chanel eigens engagierten, um ihre angestaubten Kollektionen aufzumöbeln. Der Wahlpariser nutzte seine Chance und schneiderte sich zum Lieblingsankleider des internationalen Jetset empor.

Auf der Insel jenseits des Ärmelkanals dagegen scheint die Textilindustrie vollauf damit ausgelastet, nicht den Anschluß an die Massenproduktion zu verlieren. In einem der größten Wirtschaftszweige des Landes nähen eine Viertelmillion Beschäftigte 1,75 Milliarden Pfund für den Export zusammen. Für »fashionable peanuts« ist da kein Platz.

»Nirgends gibt es so viele junge Designer-Talente wie in London«, meint die Mode-Macherin Katharine Hamnett, 41, Ex-Partnerin des dänischen Fashion-Zars und mit 20 Millionen Pfund Umsatz selbst ein Exportschlager-Star. Das Management vertrete jedoch investitionspolitische Ansichten, die »vertrocknet sind wie ein Frühstückstoast«.

Ein Unterstützer mit Geld und Phantasie wie Bertelsen hat da leichtes Spiel. Der Spekulant zieht inzwischen nicht mehr nur Shops und Namen hoch, er macht auch Modestraßen. Als ihm die Mieten in der Bond Street zu teuer wurden, kultivierte er die Sloane Street zur Number one. Die Konkurrenz zog nach. Die Kunst, meint der Makler, bestehe darin, künftige Käufermeilen als erster zu wittern.

Modisch setzt er in der kommenden Herbst- und Winterkollektion ganz auf den in der Bundesrepublik nur Insidern bekannten jungen Herrn Galliano. 200 000 Pfund hat Bertelsen in dessen flatterhafte Gewänder aus reichlich Stoff investiert - kalkuliertes Risiko.

Keine gewöhnliche Mode, sondern »genau das, was die Yuppies und Sloane-Youngster brauchen, um sich von ihren Müttern geschmacklich abzusetzen«, habe sein Junior geschaffen. Galliano, der die Stücke heute wie ein Ingenieur exakt für die Bedürfnisse seiner Kunden konstruiert, nimmt es gelassen: »Ich kann alles machen, solange wir es verkaufen.«

Daran arbeitet sein Meister unverdrossen. Bei der Präsentation im Londoner Olympia hat der charmante Peter die Damen der Klamotten-Journaille nach allen Regeln der Mode abgebusselt.

»Ich hab' eine Menge gelernt in dem Business«, erklärt Bertelsen. Küßchen rechts, Küßchen links. #

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