MODE Was Konstruktives
Wenn Amerikanerinnen von einem »neuen Ford« schwärmen, dann kann der auch aus Seidenjersey oder Crêpe de Chine sein.
US-Frauen, die sich zunehmend von den europäischen Modezaren wie Yves Saint-Laurent oder Valentino emanzipieren, suchen neuerdings in Top-Kaufhäusern wie Bloomingdale's oder Neiman-Marcus zielstrebig nach Modellen, auf deren Etikett ein Frauenprofil mit wehender Mähne zu sehen ist: Die Kleider, von der Designerin Charlotte Ford aus der Auto-Dynastie mit ihrem eigenen Profil geschmückt, sind fast so begehrt, als kämen sie direkt aus dem Kleiderschrank der Dollarprinzessin.
Von Ende Februar an werden die Bundfalten-Hosen, Kaschmir-Sweaters und Seidenoutfits mit dem Ford-Etikett erstmals auch in einigen Boutiquen und Modehäusern der Bundesrepublik zu haben sein.
Henry Fords Älteste hatte vor drei Jahren ihren zugkräftigen Namen und etliche Millionen in eine eigene Firma gesteckt, die mittlerweile, so die US-Modepostille »W«, zum »raschest wachsenden Unternehmen der Seventh Avenue«, des Modezentrums von New York, geworden ist.
Der Erfolg ist sicher nicht allein dem Namen zu verdanken: Charlotte-Ford-Modelle sind von jener raffinierten Beiläufigkeit, die Amerikaner mit dem Begriff »casual chic« umschreiben. Mittlerweile hängen die textilen Fords an den Kleiderständern von 500 Boutiquen und Department Stores allein in den USA. Aber auch Kanadierinnen und Japanerinnen reißen sich um die Ford-Mode.
Die Einkäufer des KaDeWe in Berlin oder von Beck in München setzen besonders auf die knitterfreien Seidenkleider aus der Ford-Kollektion, die nach Büroschluß glatt noch einen Cocktail überstehen, und die klassischen Seidenblusen, die so perfekt sitzen, als wären sie aus dem Hause Yves Saint-Laurent, dabei aber nicht einmal halb soviel kosten -- zwischen 120 und 200 Mark. Charlotte Ford bezieht hochwertige Stoffe dafür aus eigenen Webereien in Hongkong.
Viele Jahre hatte sich die Auto-Erbin, die viermal auf der Liste der bestangezogenen Frauen stand, die Zeit vor allem damit vertrieben, Kleider zu tragen, dazu mit ein bißchen Innenarchitektur und Wohltätigkeit. In die Schlagzeilen geriet sie 1965, als sie den 32 Jahre älteren Schiffsmagnaten Stavros Niarchos heiratete, von dem sie ein Kind erwartete.
Der Anstoß zu ihrem Sprung von der High-Society in die High Fashion kam von Ehemann Nummer zwei, dem New Yorker Finanzier J. Anthony Forstmann. Als sie in Nassau in der Sonne lag und darüber sinnierte, wie sie »irgend etwas Konstruktives« mit ihrem Leben anstellen könnte, schlug er ihr eine Beteiligung an der New Yorker Konfektionsfirma »Don Sophisticates« vor, in die er selber Geld gesteckt hatte.
Zwei Tage später unterschrieb sie einen Vertrag für eine eigene Kollektion, zahlte den Ehemann aus und bezog wenig später in New York ein aprikosenfarbenes Büro mit Küche, Eßzimmer und chinesischem Empfangschef. Dort zerbricht sich die berufstätige Millionärin seither den Kopf darüber, was wohl berufstätige Frauen der Gehaltsklasse zwischen 12 000 und 20 000 Dollar, die nicht viel Zeit zum Herumsuchen haben, anziehen könnten, um so auszusehen, als hätten sie eine Menge Zeit und Geld in ihr Aussehen gesteckt.
Daß sie es offenbar herausfand, belegen drei Kollektionen pro Saison (mit je 50 bis 300 Einzelentwürfen) und Jahresumsätze, die mittlerweile die 18-Millionen-Dollar-Grenze überschritten haben. Charlotte Fords Ideen -etwa doppelseitig tragbare Faltenröcke (außen hellblau, innen dunkelblau), die nach der Arbeit nur gewendet werden müssen -- bringt ein Designer-Team dann zu Papier.
Dabei war die erste Kollektion noch gar nicht gut gelaufen. Die Geschäfte orderten zwar die Kleider mit dem umsatzträchtigen Namen, aber die Käuferinnen, so Charlotte Ford. »hielten mich für eine Dilettantin, die sich mal einen Jux erlaubte«.
Zudem hatte sie zunächst nur komplett zusammengestellte Kombinationen angeboten, bei denen die Kundinnen nicht einmal mehr den Spielraum hatten, passende Blazer zum Rock oder das Tuch zur Bluse auszusuchen -- solche Einengung mochten sich die Amerikanerinnen nicht gefallen lassen.
Mittlerweile schieben sich auch Frauen, die Zeit hätten, sich zwischendurch mal umzuziehen, tagsüber das Ford-Oberteil in den Rock und ziehen es zur Cocktailstunde wieder heraus.
Selbstverständlich trägt Charlotte Ford, ehemals Stammkundin bei den amerikanischen Spitzen-Couturiers Bill Blass und Geoffrey Beene, nun Kleider aus ihrer eigenen Kollektion. Doch seit sie in der Branche ist, so bekennt das ehemalige »Golden Girl«, komme sie zwar morgens leichter aus dem Bett, »weil es nun etwas gibt, wofür man aufstehen muß«, aber ihr Interesse an Kleidern sei geschwunden. Charlotte Ford: »Wenn es nicht für meine Sekretärin wäre, würde ich mir nichts Neues mehr zulegen.«