SPIEGEL Gespräch »Wenn es dich trifft, stirbst du«
SPIEGEL: Frau Taylor, wären Sie heute noch bereit, in einem Hollywood-Film die Hauptrolle zu übernehmen, in dem Sie Liebesszenen spielen müßten?
TAYLOR: Aber natürlich, sofort. Das wäre einfach toll.
SPIEGEL: Manche Ihrer Kollegen denken offenbar anders. Sie sind derart besorgt, sich möglicherweise bei dieser Arbeit mit dem Aids-Virus zu infizieren daß die Schauspielergewerkschaft für sie das Recht erstritten hat, Kuß-Szenen ablehnen zu können.
TAYLOR: Offen gesagt: Das ist einfach absurd. Natürlich kann man diese tiefen leidenschaftlichen Küsse vortäuschen, Hingabe vermitteln, ohne daß es gleich zu einem Zungenkuß kommen muß, um mich einmal deutlich auszudrücken. Aids wird durch Sex, Blut und die Nadel des Süchtigen übertragen, nicht durch den trockenen Kuß, wie ihn Schauspieler sich in Filmszenen geben.
SPIEGEL: Ihren Kollegen ist diese künstlerische Kußvariante sicherlich nicht unbekannt und ...
TAYLOR: ... ihre Reaktion ist einfach nur mit blinder Panik zu erklären die weit über Angst hinausgeht. Dabei ist die Sachlichkeit verlorengegangen. Diese Stadt ist allein aus Unwissenheit aus Verwirrung in Panik geraten. Es ist einfach schrecklich. Bedauerlicherweise wird Aids immer noch als Krankheit von Homosexuellen betrachtet ...
SPIEGEL: ... und jeder Schauspieler, der plötzlich drastisch an Gewicht verliert, gilt als das nächste Opfer des tödlichen Virus.
TAYLOR: In Hollywood können Sie Ihr Privatleben einfach nicht privat gestalten. Das wird Ihnen einfach nicht gestattet. Hier liebt es jeder, zu spekulieren, zu tratschen. Jede Zeitung schreibt, was faszinierend scheint - selbst wenn es nicht die Wahrheit ist. Um die nämlich geht es nicht vorrangig, sondern um Aufregung, Unterhaltung.
SPIEGEL: Nach Schätzungen eines Nachruf-Autoren des »Hollywood Reporter« sind 30 Prozent der Toten, über die er die schönen letzten Worte verfaßt, Opfer von Aids. Also ganz so übertrieben, wie Sie meinen, kann die Angst in Hollywood nicht sein.
TAYLOR: Hollywood, Los Angeles ist eine von Künstlern bewohnte Stadt, wie New York oder San Francisco. Und kein Zweifel, diese Städte sind stärker von Aids gezeichnet als etwa Pittsburgh, die Welt der Kunst grausamer betroffen als die Ölindustrie. Aber diese Realität wandelt sich jetzt dramatisch schnell. Diese Krankheit trifft alle, nicht nur Homosexuelle. Was gestern erklärt wurde, nämlich, »das ist ein Leiden der Homos, sollen die sich doch damit auseinandersetzen«, trifft heute einfach nicht mehr zu.
SPIEGEL: Nach neuesten Schätzungen werden bis 1991 mindestens 170000 Amerikaner an Aids sterben, mehr als US-Soldaten in den Kriegen von Vietnam und Korea gefallen sind.
TAYLOR: Es wird noch schlimmer noch verzweifelter werden. Wissenschaftler schätzen, daß das Aids-Virus 15 Jahre im Körper nisten kann, bevor es plötzlich aktiv wird. Wenn ich darüber nachdenke, wie viele Bluttransfusionen ich in den letzten 10 Jahren über mich ergehen lassen mußte ...
SPIEGEL: Haben Sie Angst?
TAYLOR: Nein. Bewußt geworden ist mir allerdings, wie anfällig wir alle sind. Wenn Gottes Zeigefinger bei dir haltmacht, dann ist''s vorbei. Es ist eine Krankheit, die uns wie aus dem Nichts _(In ihrer Residenz im kalifornischen ) _(Bel Air mit Redakteur Helmut Sorge. )
befällt, Reiche, Arme, Schwarze, Weiße, Heterosexuelle, Homosexuelle, Männer und Frauen werden zerstört. Wir sind alle bedroht.
SPIEGEL: »Verheerenden Schaden«, meldete das Society-Blatt »Vanity Fair«, richtete das Aids-Virus bisher vor allem in der Welt der Künstler und anderer Kreativer an.
TAYLOR: Welch ein Drama, welch einen Verlust haben wir bisher erlitten: Ballettänzer, Innendekorateure, Modeschöpfer. Keine Berufsgruppe ist verschont geblieben. Nur, geben wir uns keinen falschen Illusionen hin, das Drama ist unser aller Drama. Und uns bleibt nicht so viel Zeit, nach einem Heilmittel zu suchen, wie etwa bei der Suche nach einem Medikament gegen den Krebs. Gott stehe uns bei, wenn es so lange dauern sollte.
SPIEGEL: Darauf einstellen sollten wir uns zumindest.
TAYLOR: Wenn es hundert Jahre dauert, bis wir ein Mittel gegen Aids finden, dann wird von der Welt nicht mehr viel übrig sein. Deshalb ist Aufklärung so ungemein wichtig. Nur durch Erziehung können wir darauf hoffen, die Verbreitung von Aids zu verlangsamen. Und ich vertraue auf Gott, auf Gottes Kinder, daß ein Mittel gefunden wird, um die Menschheit vom Abgrund der Katastrophe zurückzureißen. Betet dafür zu Gott, daß irgend etwas die Menschheit vor der Auslöschung durch diese Krankheit bewahrt.
SPIEGEL: Bis zum heutigen Tag ist keine Rettung erkennbar.
TAYLOR: Wir wissen nun, daß Herr Jones und Frau Jones, Bürger von Chicago, ebenfalls bedroht sind. Und dies läßt sich ganz einfach erklären: Herr Jones nimmt an einer Tagung teil, betrinkt sich ein wenig ...
SPIEGEL: ... und verbringt eine Liebesnacht mit einer Frau, die er wenige Stunden zuvor kennengelernt hat ...
TAYLOR: ... und nach der Rückkehr nach Hause überträgt er das Aids-Virus auf seine Mätresse oder seine Freundin, die Aids an ihren Geliebten weitergibt oder an ihren Ehemann, und und und. Es ist unglaublich einfach, wie diese Krankheit so viele ahnungslose Menschen treffen kann. Dies aber ist die Realität.
SPIEGEL: Seit 1981 sind nahezu 20000 Amerikaner an Aids gestorben. Erst als Rock Hudson starb, so scheint es, ist Amerika die Dimension dieser Tragödie bewußt geworden. Hat Sie diese späte Reaktion überrascht?
TAYLOR: Sie hat mich sehr verärgert. Das dokumentiert doch, wie unwissend so viele Menschen sind in unserem Zeitalter der Kommunikation. Die sensationelle Aufmachung der Presse, die skandalöse Berichterstattung über Rocks Tod hat mich zutiefst getroffen. Das Verhalten vieler Menschen hat mich einfach krank gemacht. Es wurde nicht
offen über Aids gesprochen, sondern man hat sich damit auseinandersetzt, als sei es nichts anderes als ein schmutziger Witz.
SPIEGEL: Hat der Tod Ihres Freundes und Kollegen, mit dem Sie bei Ihrer gemeinsamen Arbeit im Film »Giganten« einen Welterfolg hatten, Ihr Engagement ausgelöst?
TAYLOR: Nein, sieben Monate bevor ich von Rocks Krankheit erfuhr, hatte ich mich bereits engagiert. Wissen Sie, berühmt sein bedeutet nicht nur Vorteile zu haben. Man hat auch eine Last zu tragen. Natürlich, wenn Sie einen Tisch in einem Restaurant reservieren wollen, ist das für einen Star sicher leichter, doch auf Ihr Privatleben müssen Sie weitgehend verzichten. Ruhm hat jedoch einen gewaltigen Vorteil: Wenn Sie etwas zu sagen haben, werden Sie gehört. Und wenn Sie sprechen, hebt sich Ihre Stimme über das Geschrei der Massen hinweg. Und Sie können Dinge erreichen eben weil sie berühmt sind. Es gab so viele, die ihre Stimme hätten erheben können, doch sie blieben stumm.
SPIEGEL: Weil Aids als Homosexuellen-Problem tabuisiert war?
TAYLOR: Genauso war''s. Dabei konnte jeder erkennen, daß wir auf eine Katastrophe zusteuerten. Wo aber waren die Stimmen jener, die von den Massen gehört worden wären? Natürlich bin ich der Überzeugung, daß wirkliche Wohltätigkeit anonym bleiben sollte. Ich mag die Menschen, ich habe mein Leben lang anderen geholfen, allerdings diskret, ohne Aufhebens, weil es nach meiner Überzeugung so sein sollte. Doch in diesen schwierigen Zeiten ist der Ruhm nützlich; wenn die Menschheit in ihrer Existenz bedroht ist, muß man aufstehen und etwas tun.
SPIEGEL: Nach einer Bypass-Operation und den damit verbundenen Bluttransfusionen hätte Rock Hudson durchaus erklären können, er sei nicht homosexuell, sondern erst durch die Transfusionen vom tödlichen Virus befallen worden ...
TAYLOR: ... einige haben versucht, ihre Krankheit so wegzureden.
SPIEGEL: ... statt dessen hat Rock Hudson eine einzige Erklärung abgegeben: »Ich bin nicht glücklich, daß ich Aids habe, aber wenn es anderen helfen sollte, weiß ich zumindest, daß mein eigenes Unglück Positives bewirkt.«
TAYLOR: Die Amerikaner waren schockiert, weil sie irgendwie das Gefühl hatten, ihn zu kennen. Die Menschen sind irgendwie immer überzeugt davon, die Filmstars zu kennen. Wir erscheinen bei ihnen auf dem Fernsehschirm zu Hause, sie haben uns überdimensional groß auf der Leinwand gesehen. Sie kennen uns, wissen etwas über unser Leben, ob sie nun die Wahrheit lesen oder nicht, bleibt dabei zweitrangig. Sie wissen von unseren Schwächen. Rock war beliebt. War ein typischer Amerikaner.
SPIEGEL: Wie meinen Sie das?
TAYLOR: Rock war das saubere Amerika: stark, schön - ein Held.
SPIEGEL: Es muß ein Schock für die Fans gewesen sein, als sie erfuhren, daß ihr Held ein Homosexueller war.
TAYLOR: Das war seine persönliche Anlegenheit. Er hat sein Privatleben geschützt und würdig gelebt. Sein Bekennen zu der Krankheit war wunderbar, prächtig und außerordentlich tapfer. Ich habe ihm das auch so gesagt, als ich mit ihm im Pariser Krankenhaus sprach, in dem er zeitweilig behandelt wurde. Seine Fans haben ihn auch weiterhin bewundert, seinen Mut respektiert. Sie haben echt getrauert, bestürzt, daß ein Mitglied der Familie auf so schmerzhafte Weise sterben mußte.
SPIEGEL: So ehrenhaft es für einen Schauspieler oder eine Schauspielerin auch sein mag, zuzugeben: »Ich bin Aids-infiziert«, so ist diese Ehrlichkeit doch wohl auch gleichbedeutend mit dem Ende der Hollywood-Karriere.
TAYLOR: Selbstverständlich, in dieser Stadt haben einige Leute immer noch nicht begriffen, worum es geht. Die werden erst aufwachen, wenn eine berühmte heterosexuelle Frau an Aids stirbt.
SPIEGEL: Die Homosexuellen müssen sich wohl auf eine weitere Tragödie gefaßt machen: Wieder einmal sind sie in Gefahr, von der Gesellschaft in Gettos abgedrängt zu werden.
TAYLOR: Wir müssen alles tun, um zu gewährleisten, daß dies nicht passiert. Ich bete zu Gott, daß wir genug vernünftige Leute finden, die bereit sind, die Würde dieser Menschen zu schützen. Mir ist allerdings bewußt, daß wir - wieder einmal - auf eine Art mittelalterliche Hexenverfolgung zusteuern. Unsere »Amerikanische Stiftung für Aids-Forschung« (AmFAR) tut, was sie kann, um ausgewogen zu informieren und Mitgefühl und Verständnis zu erwecken. Nur so können wir jene Leute bekämpfen, die Homosexuelle wieder in die Isolierung treiben wollen.
SPIEGEL: Trotz der Bemühungen von AmFAR und anderen Organisationen, trotz aller Aufklärungskampagnen bleibt Aids für viele Amerikaner eine Krankheit, die mit einem Stigma behaftet ist. Die »Chicago Tribune«, um nur ein Beispiel zu nennen, hat bislang in ihren Nachrufen Aids noch nie als Todesursache genannt. Viele Zeitungen schreiben bei Aids-Toten einfach »gestorben nach langer Krankheit« oder schlicht »Herzversagen«.
TAYLOR: Diese Ausflüchte einiger Leute sind wirklich tragisch, denn es hat sich doch mit der Krankheit niemand schuldig gemacht.
SPIEGEL: Möglicherweise reagieren Familien so, weil sie oft von den homosexuellen Neigungen ihres Sohnes erst erfahren, wenn er vom Aids-Tod gezeichnet ist. Sie schämen sich einfach wegen dieser Veranlagung.
TAYLOR: Sie reden immer nur von den homosexuellen Männern. Vergessen Sie das. Nicht der Sohn allein ist gefährdet, auch die Tochter.
SPIEGEL: Das amerikanische Fernsehen, nicht eben zögerlich, wenn es darum geht, menschliche Tragödien zu vermarkten, ist merkwürdig zurückhaltend in der Berichterstattung über das Aids-Drama. Wie erklären Sie das?
TAYLOR: Vor einigen Jahren, vor 20, nein, mehr, vor 25 Jahren, habe ich in dem Film »Die Katze auf dem heißen Blechdach« gespielt. »Big Daddy« stirbt in dem Stück an Krebs. Die Zensoren haben uns nicht erlaubt, das Wort Krebs« zu erwähnen. Wir mußten von einer »Bösartigkeit« reden. Viele Amerikaner pflegen ihre Augen vor Unannehmlichkeiten
und Realitäten zu verschließen. Erst Präsidenten-Ehefrau Betty Ford, um ein Beispiel zu nennen, hat der Nation das Problem von weiblichen Alkoholikern nahegebracht. Und das ist nur einige Jahre her. Unsere Nation ist sehr kommerzialisiert. Die Industrie, Fernsehen, Film, alle wollen Geld verdienen. Erst jetzt wagen sie es, Filme über das Grauen von Vietnam zu produzieren.
SPIEGEL: Mehr als ein Jahrzehnt zu spät.
TAYLOR: Ja, doch es ist niemals wirklich zu spät. Wir können immer aus unserer Geschichte lernen. Allerdings gebe ich zu, daß man in unserer Branche auf kontroverse Themen sehr zögernd reagiert. Die glauben wohl, daß mit Aids kein Geschäft zu machen ist. Allerdings habe ich gehört, daß an einer Aids-Produktion gearbeitet wird. Es ist wirklich kein Thema, das man gern berührt. Als wir ein Wohltätigkeitsdinner für meine Stiftung organisierten, hätte man eigentlich davon ausgehen können, daß die Studios, die großen Unternehmen - und Gott weiß, wieviel Geld die habeneinen Tisch für je 10000 Dollar reservieren würden. Ich habe bei ihnen gebettelt und gebeten, doch mit Aids wollten sie nicht in nähere Verbindung gebracht werden.
SPIEGEL: Haben Sie jemals befürchtet, daß Ihre Karriere durch das Engagement in der Aids-Kampagne Schaden nehmen könnte wie einst die Ihrer Kollegin Jane Fonda, die von den ersten Tagen an gegen den Vietnamkrieg opponierte?
TAYLOR: Junge, Junge, was hatte sie für einen Mut, und recht hatte sie. Nein, an Konsequenzen habe auch ich dabei nie gedacht, obwohl die nicht lange auf sich warten ließen. Ich habe einen Werbevertrag verloren, nachdem die Auftraggeber erfahren hatten, daß ich die nationale Vorsitzende der »Stiftung für Aids-Forschung« bin. Natürlich haben die das so nicht begründet, weil die wußten, ich würde sie sonst wegen Diskriminierung verklagen. Aber ich kenne den wahren Grund - mein Engagement.
SPIEGEL: Ein ehemaliger Hollywood-Schauspieler sitzt im Weißen Haus. Sind Sie überzeugt, daß Ronald Reagan das Ausmaß der Aids-Tragödie erkannt hat?
TAYLOR: Nein, nein, das glaube ich nicht.
SPIEGEL: Warum rufen Sie ihn nicht einfach an und erklären: »Herr Präsident, wissen Sie, daß hier draußen viele Menschen sterben und Sie etwas tun müssen?«
TAYLOR: Es zählt nicht zu meinen Gewohnheiten, mit dem amerikanischen Präsidenten zu telephonieren. Allerdings bin ich gemeinsam mit meinen Freunden von der Stiftung häufiger in Washington, um auf den Kongreß einzuwirken. Das hatte Erfolg: Für Aids-Forschung und Aufklärung stehen jetzt mehr als 500 Millionen Dollar zur Verfügung.
SPIEGEL: Ihre Stiftung hat erklärt, die Aids-Krankheit sei »eine der gefährlichsten Epidemien dieses Jahrhunderts«. Der Präsident jedoch hielt es nicht für erforderlich, Aids auch nur mit einem Wort in seiner »State of the Union Message«, in seinem neuesten Bericht zur Lage der Nation, zu erwähnen.
TAYLOR: Er ist einfach schlecht beraten worden. Ich bin überzeugt, man hat ihm gesagt, er solle zu diesem Thema auf Distanz gehen, etwa mit den Worten: »Sie haben schon genug Ärger.«
SPIEGEL: Ronald Reagan hat sich vor wenigen Tagen, nach mehr als einjährigem Schweigen, zu dem Thema, endlich geäußert. Er sprach sich für Aids-Aufklärung in den Schulen aus, allerdings mit dem Rat an Amerikas Jugend, sexuelle Abstinenz sei das beste Mittel, sich gegen Aids zu schützen.
TAYLOR: Ist diese Betrachtungsweise als realistisch anzusehen, wenn Sie bedenken, daß in jedem Jahr eine Million Teenager schwanger werden? Sein Rat ist wirklich nicht sehr sinnvoll. Es ist einfach erstaunlich, wie sich unser Präsident mit dieser nationalen Katastrohe auseinandersetzt.
SPIEGEL: Er steht nicht allein mit seiner Zurückhaltung: Manche Senatoren und Abgeordnete bewilligen zwar Geld für die Aids-Forschung, nur sie engagieren sich nicht bei der nötigen öffentlichen Aufklärung.
TAYLOR: Richtig. Stiftungen wie unsere haben Druck ausgeübt, die Bewilligung von Geldern durchgesetzt. Ich erinnere mich an meinen letzten Besuch in Washington. Gemeinsam mit anderen Verantwortlichen unserer Organisation, Dr. Mathilde Krim und Dr. Mervyn Silverman, beide angesehene Experten auf dem Gebiet der Aids-Forschung, haben wir wohl mit 20 Senatoren und 15 Abgeordneten gesprochen. Es war schon erstaunlich zu erleben, wie mangelhaft informiert oder auch völlig unwissend einige dieser Herren im Kongreß über Aids waren, eben jene, die letztlich darüber entscheiden, wieviel Geld für die Herzforschung, für die Aids- oder Krebsbekämpfung bereitgestellt wird. Die schienen schlicht verwundert über die Dimension der Katastrophe.
SPIEGEL: Das erklärt wohl, weshalb die Aids-Forscher so hart um die Bewilligung von Mitteln kämpfen müssen.
TAYLOR: Erforderlich sind Milliarden, nicht Millionen. Auch der Kongreß hat die Ernsthaftigkeit der Krankheit lange Zeit unterschätzt und unter dem Eindruck gestanden, Aids sei begrenzt auf eine bestimmte Bevölkerungsgruppe, auf eine Minorität. Ich will mich wiederholen: Es ist nicht die Krankheit von irgend jemand, sondern jedermann. Niemand hat schuld daran. Die Leute müssen damit aufhören, mit dem Finger auf andere zu zeigen. Damit erreichen wir nichts. Die Krankheit existiert, und jeder, der sich unvorsichtig verhält, kann davon befallen werden. Und wenn sie dich trifft, dann stirbst du. Gnade gibt es nicht. Du stirbst auf schreckliche Weise. Und viele sterben allein.
SPIEGEL: Je mehr Menschen von dem Virus befallen sind, desto stärkeren
Zulauf müßte Ihre Organisation haben.
TAYLOR: Geld für unsere Stiftung einzutreiben ist so, als wollten Sie mit dem Kopf eine Mauer einrennen. Es ist eine neue Stiftung. Bisher haben wir 2,5 Millionen Dollar für Forschungsaufträge verteilt. Aber es ist tatsächlich, als wollten Sie Blut aus einem Stein quetschen. Es ist schon peinlich zu sehen, wie sich die Leute wenden und drehen, wenn man sie um Spenden bittet, wie sie nach Entschuldigungen suchen. Es ist mir pemlich, und ich schäme mich für sie. Viele hervorragende Wissenschaftler haben AmFAR um finanzielle Unterstützung gebeten. Wir mußten sie abschlägig bescheiden, weil es uns an den erforderlichen Mitteln fehlt.
SPIEGEL: Einigen Künstlern zumindest ist das Drama bewußt. Die Rockgruppe »Huey Lewis & the News« etwa gibt Geld für die Finanzierung von Aids-Ausbildungsprogrammen für Ärzte in der ganzen Welt.
TAYLOR: Das ist wirklich toll. Burt Bacharach und Carole Sager haben die Einnahmen aus ihrem Hit »That''s What Friends Are For« an uns überwiesen. Damit können wir 15 Forscher finanzieren, die eine Antwort auf diese tragische Epidemie suchen.
SPIEGEL: Sind Künstler wie Bacharach und Sager die Ausnahmen?
TAYLOR: Ja, sie sind wirklich Ausnahmen.
SPIEGEL: Und was tun die anderer. Kollegen?
TAYLOR: Die reden. Jetzt aber werden mehr und mehr persönlich getroffen, weil jemand, den sie kennen oder lieben, stirbt. Und das treibt sie endlich zu einem Engagement. Unglücklicherweise ist das wohl der einzige Weg.
SPIEGEL: Wer weiß, vielleicht haben PR-Berater gewarnt: »Wenn du zuviel für Aids-Gruppen Propaganda machst, wenn du dich zu sehr involvierst dann wird sich die Öffentlichkeit schließlich fragen, ob du nicht selbst ein Aids-Kranker bist.«
TAYLOR: Barbra Streisand hat uns geholfen, Stevie Wonder, Elton John Gladys Knight, Dionne Warwick und Patti LaBelle, um nur einige zu nennen und das hat ihren Karrieren nicht geschadet.
SPIEGEL: Sie müssen allerdings einräumen: Von den vielen Dutzenden Stars, die in Hollywood Millionen und aber Millionen verdienen, helfen Ihnen nur wenige, oder wollen Sie das Gegenteil behaupten?
TAYLOR: Nein. Die könnten uns doch mit dem helfen, was Gott ihnen gegeben hat: mit ihrem Talent, ihrer Zeit. Damit könnten wir mehr Geld zusammenbekommen, als sie selbst je geben könnten. Wenn man berühmt ist, ein sogenannter Star, und sich engagiert, reagieren die Leute auch. Wenn jeder Bürger unserer Nation auch nur einen Dollar gäbe, den Gegenwert eines Bieres, wissen Sie, wieviel Geld wir zusammenbekämen?
SPIEGEL: Wenn Sie die Einwohnerzahl der USA meinen, dann mindestens 242 Millionen Dollar.
TAYLOR: Und wissen Sie, ein welch geringes Opfer das wäre? Aber es ist ganz einfach: Die Wahrheit hat Mr. Durchschnittsamerikaner und Mrs. Durchschnittsamerikanerin noch nicht erreicht, nämlich daß ihre Söhne und Töchter ebenfalls tödlich gefährdet sein können.
SPIEGEL: Sie selbst haben Kinder. Haben Sie mit ihnen dieses Thema diskutiert?
TAYLOR: Natürlich, die wissen Bescheid.
SPIEGEL: Und welchen Rat haben Sie gegeben?
TAYLOR: Gott sei Dank sind meine Kinder glücklich verheiratet.
SPIEGEL: Sie haben eben selbst argumentiert, daß dies noch lange kein Grund für absolute Sicherheit sein muß.
TAYLOR: Stimmt. Über Promiskuität zumindest muß ich mit meinen Kindern nicht sprechen.
SPIEGEL: Und was würden Sie der jüngeren Generation sagen?
TAYLOR: Daß die Tage der sexuellen Freiheit vorbei sind. Dieses Gehüpfe von Bett zu Bett, mal diesen oder jenen Partner zu haben, den man aus einer Bar abschleppt, ist wirklich zu einem Spiel mit dem Feuer geworden. Und wenn ihr Sex praktiziert, dann verwendet ein Kondom und Spermizide. Das ist sicherer.
SPIEGEL: Frau Taylor, wir danken Ihnen für dieses Gespräch. _(Vor einem Ausschuß, der für die ) _(Bereitstellung von ) _(Aids-Forschungsmitteln zuständig ist. )
*KASTEN
Elizabeth Taylor *
gilt amerikanischen Society-Reportern als letzte große Diva, als »Hollywoods lebende Legende«. Sieben Ehen sowie mehrere Schlankheits- und Entziehungskuren brachten die im Februar 1932 in London geborene Schauspielerin, Mutter von fünf Kindern, immer wieder in die Schlagzeilen. Zu Starruhm verhalfen ihr Filme wie »Die Katze auf dem heißen Blechdach« und »Giganten«. Für ihre Rollen in »Telefon Butterfield 8« und »Wer hat Angst vor Virginia Woolf« wurde sie mit dem »Oscar« ausgezeichnet. Noch vor dem Aids-Tod ihres Filmpartners Rock Hudson übernahm Elizabeth Taylor den Vorsitz der 1985 gegründeten »American Foundation for Aids Research » (Am-FAR), einer vor allem um die Finanzierung von Aids-Forschungsprojekten und Aufklärung der Öffentlichkeit bemühten Stiftung.
In ihrer Residenz im kalifornischen Bel Air mit Redakteur HelmutSorge.Vor einem Ausschuß, der für die Bereitstellung vonAids-Forschungsmitteln zuständig ist.