ENGLAND Werben im Winter
Zum Ruhm der Nation griffen britische Aristokraten ihre Bildbestände an: Die Viscountess Galway lieh eine Kinderszene, der Earl Mountbatten of Burma - Onkel des Prinzgemahls - gab eine Schmiede-Idylle, Königin Elizabeth steuerte ein Doppelporträt bei.
76 Leihgaben, zum großen Teil aus Privatbesitz (Versicherungssumme: rund 33 Millionen Mark), werben jetzt bis März 1967 auf dem Kontinent für »Englische Malerei der großen Zeit«. Stationen der Ausstellung:
- das Wallraf-Richartz-Museum in
Köln;
- der Palazzo di Venezia in Rom;
- das Kunsthaus in Zürich;
- das Nationalmuseum in Warschau.
Mit der umfassenden Überschau, die Gemälde des 18. und 19. Jahrhunderts (von Hogarth bis Turner) präsentiert, will der British Council - nationale Organisation für internationale Kulturkontakte - einem europäischen Bildungsnotstand abhelfen: Auf dem Festland ist englische Malerei schlecht vertreten und wenig bekannt.
Gleichgültigkeit gegen die britische Pinsel-Produktion hatten zuerst die Briten selber an den Tag gelegt: Jahrhundertelang holten sich Englands Herrscher ihre Hofmaler vom Kontinent, so den Deutschen Hans Holbein und den Flamen Anthonis van Dyck. Mit Grund
- die heimischen Artisten schufen wenig Bedeutendes.
Erst bei verminderter Königsmacht, im 18. Jahrhundert, nahm die Überfremdung ein Ende - in zwei Generationen entstand eine spezifisch englische Malerei ohne barocken Pomp, religiöse Inbrunst und mythologische Verkleidung. Lieblingsthemen der neuen Kunst: die englische Gesellschaft und die englische Landschaft.
Als erster gewann der Londoner Lehrersohn William Hogarth (1697 bis 1764) den Anschluß ans internationale Malniveau. Hogarth, der als Silbergraveur und Kupferstecher begonnen hatte, erfand« das erzählende Gesellschaftsbild (Beispiel: eine Kinderaufführung des Dryden-Stücks »Die Eroberung von Mexiko"), er stach und malte moralisch belehrende Bilderfolgen. ("Fleiß und Faulheit«, »Lebenslauf der Buhlerin") und fertigte drastische Porträts. Einem enttäuschten Auftraggeber, der sein Konterfei nicht bezahlen wollte, drohte er das Gemälde »unter Hinzufügung eines Schwanzes und anderer Anhängsel« bei einem Tierbudenbesitzer auszustellen.
Den ungeteilten Beifall seiner Modelle fand dagegen der weltgewandte Porträtist Joshua Reynolds (1723 bis 1792). Der Junggeselle schmeichelte vor allem den Damen der Society mit einer Malweise, die er in Italien an den Meistern der Renaissance geschult hatte. Reynolds wurde Hofmaler, adlig, Präsident der 1768 gegründeten Königlichen Kunst-Akademie - und signierte fortan mit diesem Titel.
Mit derselben Akademie zerstritt sich Thomas Gainsborough (1727 bis 1788), als sie eines seiner Werke ungünstig ausstellen wollte. Das »ganz unbelehrbare Naturgenie« (so der Kölner Museumsdirektor Horst Keller), das England nie verließ, porträtierte häufig dieselben Aristokraten wie Reynolds - wie dieser ohne Rokoko-Geziertheit, aber in einem nervös verfeinerten Stil, an dem der Kollege den »Schein von Zufall und Nachlässigkeit« entdeckte.
Scheinbar nachlässig, skizzenhaft hingestrichen sind besonders die Landschafts-Hintergründe, vor die Gainsborough seine Figuren zu stellen liebte - und seine reinen Landschaftsbilder, die er noch lieber malte.
Solchen Bildern, die »den Geist der Romantik vorwegnehmen« (Keller), folgte ohne Bruch die Landschaftsmalerei der englischen Romantiker John Constable und Joseph Mallord William Turner. Auf dem unruhigen Kontinent unterbrach derweil die klassizistische Kunst der Revolutions- und Napoleon -Zeit die Überlieferung des 18. Jahrhunderts. Keller über die Ausstellung des British Council: »Eine so geschlossene Maltradition hat das deutsche Museumspublikum noch nicht zu sehen bekommen.«
Das seltene Phänomen zu sehen, haben die Deutschen nur wenig Zeit; denn britische Adlige, die im Sommer Touristen durch ihre Schlösser führen, liehen Bilder nur für den Winter aus. Die Dauer der Ausstellung ist deswegen jeweils auf einen Monat beschränkt - in Köln bis zum 6. November.
Angesichts der knappen Frist sputeten sich die Kunstfreunde: An den ersten zehn Tagen nach der Eröffnung kamen 6000 Besucher - darunter Heinrich Lübke - ins Wallraf-Richartz -Museum.
Maler Hogarth (Selbstporträt)
Belehrung durch die Buhlerin
Maler Gainsborough (Selbstporträt)
Abkehr von Akademikern