Wohlklang nein
Im Jazz- und Beat-Keller »Lila Eule«, so beschwerte sich der CDU-Fraktionsvorsitzende Dr. Hans-Hermann Sieling vor der Bremer Bürgerschaft, werde die »Jugend für die Revolution sensibilisiert«.
Jazz-Anarchist Peter Brötzmann, 27 (Wuppertal-Barmen, Siegesstraße 94), liefert die destruktive Akustik aus dem Bremer Untergrund neuerdings auch per Langspielplatte ins Haus.
Nachdem er die Schockwirkung seiner neuesten »Art Bruit« im März am Publikum der Jazzfestivals in Frankfurt und Nürnberg erprobt hatte, nahm der rebellische Saxophonist. dem die etablierten Plattenfirmen ihre Studios verweigern, in der »Lila Eule seine zweite Brötzmann-Platte für den privaten Postversand auf.
Die achtköpfige Horde wilder Free-Jazz-Männer« die -- bereits verpflichtet -- wegen ihres optisch beleidigenden Bühnenhabits von den diesjährigen »Berliner Jazztagen« relegiert wurde, entfesselte mit drei Saxophonen, Klavier, zwei Kontrabässen und zwei Schlagzeugen den 100-Phon-Lärm eines Sägewerks, vor dem die Tongeräte versagten.
Erst als Tontechniker die Mikrophone mit geliehenen Wolldecken aus dem Fundus des Bremer Theaters verhängten, gelang es, das betäubende Ton-Gehäcksel technisch zu bändigen.
Der so gedämpfte Plattenschall widerspricht Brötzmanns Intention: »Eine brutale Gesellschaft, die Biafra und Vietnam zuläßt«, so der Chaos-Bläser, »provoziert natürlich eine brutale Musik.« Der vollständige Titel dieser bislang radikalsten Jazz-Absage an den Wohlklang: »Maschinengewehr --Automatische Waffe für schnelles, andauerndes Feuern.«
* Von links: Johansson, Kowald, Breuker, Brötzmann, van Hove, Parker, Niebergall, Bennink.