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FILM Zivilisierte Affen

»Männer«. Spielfilm von Doris Dörrie. Deutschland 1985. 98 Minuten; Farbe. *
aus DER SPIEGEL 3/1986

Nachdem er seinen Kummer und Frust in einer Kneipe gemeinsam mit einer verflossenen Freundin ertränkt und totgequatscht hat, kommt der Mann in die Wohnung, von der er weiß, daß da seine Frau den Abend mit dem Freund verbracht hat.

Er greift sich ein Küchenmesser und tritt ans Bett. Die beiden sind nicht mehr da. So legt er sich angetrunken mit dem Messer ins Bett und ritzt sich versehentlich den Oberschenkel blutig.

Diese Szene aus Doris Dörries neuem Film »Männer« macht deutlich, daß die Autorin und Regisseurin weiß, wie dicht Komödie und Tragödie nebeneinander liegen - getrennt nur durch einen winzigen Zufall.

So ist »Männer«, der dritte Spielfilm der Dörrie, eine Komödie, bei der man, obwohl sie hinreißend leicht und sehr lustig ist, dauernd Angst hat, sie könnte in die Katastrophe umkippen: Sobald die beiden Rivalen auf dem Balkon an der Brüstung lehnen oder ein Messer in der Hand haben, fürchtet man, daß sie sich - ganz die alten Affen - zerfleischen.

Aber keine Angst. Abgesehen davon, daß man mal dem Konkurrenten das kochende Eierwasser über die Hände gießt oder ihn beim Fitnesstraining fast erwürgt ("Entschuldige, Kumpel! War nicht so gemeint"), benimmt man sich zivilisiert.

Männer sind schließlich keine Affen mehr, und wenn sie sich eine Orang-Utan-Maske aufsetzen, dann zum Spaß oder um sich zu verstecken und zu verstellen. Und wenn sie schnarchen, dann sind das zwar noch Tierlaute, aber nur, um die anderen wilden Tiere von ihren schlafenden Frauen zu verscheuchen. Sagen sie.

»Männer« fängt als rasante Dreieckskomödie an. Julius, der Ehemann, ist erfolgreicher Verpackungsstratege, Manager und Bürohengst, sie, seine Frau Paula, stöckelt elegant durch ihren Bungalow in einem Münchner Vorort, hat einen Sportwagen und die obligaten zwei Kinder der gehobenen Kreise. Und, als der Mann ihr zum Hochzeitstag eine teure Kette um den Hals legen will, dort einen Knutschfleck.

»Wie lange geht das schon? Was hat er, was ich nicht habe?« »Aber du hast doch auch ...« »Das ist doch ganz etwas anderes.« Krach, er zieht aus, aber nur um seiner Frau (die Kinder werden geschickterweise in das Sommerferienlager verfrachtet) nachzuspionieren.

Er entdeckt, daß sie es mit einem alternativen Fahrradtypen aus einer WG hat. Es gelingt ihm, sich unerkannt in dieser WG einzunisten. Und auf einmal wird, was wie Boulevard, wie Feydeau 1985 angefangen hatte, zu einer perfid komischen Zoologie-Studie über zwei Vertreter der Spezies Mann, angestellt von der Komödien-Zoologin Dörrie.

Die beiden nämlich, der Manager im grauen italienischen Anzug wie der langhaarige Graphiker, der sich mit Gelegenheitsjobs durchschlägt, »vergessen« alsbald die Frau, die sie zusammengebracht hat, weil Männer sich in Wahrheit nur mit sich selber beschäftigen.

Dem Manager Julius (Heiner Lauterbach) gelingt es, den dahingammelnden Stefan (Uwe Ochsenknecht) für Karriere und Anpassung abzurichten. Er macht das scheinbar, um seine Frau zurückzuerobern.

In Wahrheit aber, so zeigt der Film, damit da einer nicht mehr so aus der Männerreihe tanzt. Und er gewinnt. Stefan hat auf einmal auch nur noch seinen neuen Porsche im Sinn und sagt der gemeinsamen Paula (Ulrike Kriener) am Telephon, daß er nun leider gar keine Zeit und lauter Termine ...

Gewinnt Julius wirklich? Doris Dörrie gibt ihrem wunderbar unangestrengten Film eine diabolische Pointe. Zwar ist Julius bei seiner Frau den Rivalen durch Gleichschaltung los. Aber als er ins Büro zurückkommt, erlebt er eine Überraschung: Er hat sich einen beruflichen Konkurrenten herangepäppelt.

Wer weiß, wenn der Film weiterginge, könnte es doch noch eine Tragödie bis aufs Messer werden. Hellmuth Karasek _(Mit Ulrike Kriener, Heiner Lauterbach ) _((maskiert) und Uwe Ochsenknecht. )

Mit Ulrike Kriener, Heiner Lauterbach (maskiert) und UweOchsenknecht.

Hellmuth Karasek
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