Ausstellungen Zu den Menschen
»Wir könnten«, sagt die Amerikanerin TV Nancy Hanks, »zwar die Mona Lisa auf den Mond schießen und ohne einen Kratzer wieder zur Erde zurückbringen. Aber die Ausstellungsreise eines kleinen Dutzendbildes von Boston nach Los Angeles ist schier unmöglich.«
Recht hat sie, und daher ist der Kontakt mit den Originalen der Weltkunst noch immer ein Privileg für wenige: Nur wer viel reist, bekommt auch viel zu sehen. Selbst Großstädter sind überwiegend auf den festen Besitz ihrer Museen angewiesen, und den Provinzbewohnern sind die großen Meister ohnehin meilenfern. Nur Ausstellungen können Kunst noch überall vermitteln; doch die zu bewerkstelligen wird immer schwieriger.
Um diesen Mißstand zu beheben, hat jetzt die amerikanische Stiftung »National Endowment for the Arts« (Vorsitzende: Nancy Hanks) ein praktikables Modell entwickelt, das auch in Europa als Vorbild wirken könnte. Anstöße dazu kamen auch von Präsident Nixon: »Tragt die Kunst zu den Menschen«. so hatte er im Mai letzten Jahres seine Kulturbeamten angespornt, »kreuz und quer durch die ganze Nation!«
Tatsächlich arbeitete Nancy Hanks bereits seit 1969 nach dieser Parole -- gemeinsam mit einem Team von Industriedesignern, Weltraum-Ingenieuren, Versicherungsspezialisten und Ausstellungspraktikern. Als größte Hindernisse einer breitgestreuten Kunstvermittlung hatte das Team zunächst die wohlbekannten, für alle westlichen Länder gültigen Gründe konstatiert: > Furcht der Leibgeber vor Beschädigung ihres Bilderbesitzes auf Ausstellungen oder Transporten; > hohe Versicherungsprämien, die von lokalen Ausstellern kaum noch aufgebracht werden können.
Als Konsequenz dieser Erkenntnis dachten sich die Planer ein Projekt mit Namen »Art Fleet« (Kunst-Flotte) aus: ein neuartiges Container-Museum auf Rädern, das nach Zirkusart im Lastwagen mit Ausstellungen über Land ziehen soll. Nixon fand das Konzept sogleich »höchst aufregend«.
Kernstücke der so gelobten Wanderschau sind durchsichtige Kunststoff-Behälter, in die -- je nach Format -- ein oder mehrere Ausstellungsstücke vor Beginn der Tournee eingeschlossen werden. Erst nach Schluß der Rundreise werden die Behälter wieder geöffnet und die Objekte, die Ausstellung und Transporte im Glaskäfig unbeschadet überstanden haben, ihren Besitzern zurückgegeben.
Die spezialgefertigten, durchsichtigen Bilder- und Büsten-Halter sind stoß- und schlagfest, wasserdicht, dazu feuer- und strahlungssicher. Temperatur und Luftfeuchtigkeit werden automatisch von außen geregelt.
Die Werke sind also vor »jeder Art von Vandalismus« auf das beste geschützt. Denn die Kunst-Konserve (Prototypen-Maße: 350 mal 250 mal 80 Zentimeter) bietet, so ein Fachmann der Washingtoner National Gallery, »den Objekten mehr Sicherheit auf den Tourneen, als die meisten Museen bei sich zu Hause aufwenden könnten«. Den Transport der genormten Glaskästen auf möglicherweise jahrelangen Tourneen übernehmen Spezial-Lkw. Sind sie am Zielort, so kann auf Marktplätzen oder Kuhangern, auf Äckern, Pferdekoppeln oder Schulhöfen ein Verbundsystem von aufblasbaren Ballon-Zelten aufgeschlagen werden, in denen ohne Zeitverlust und Umstände, jedoch »festlich« (Art-Fleet-Exposé), die Kunst-Stücke dargeboten werden.
Das Entwicklungs-Team hat aber nicht nur an die Kunst, sondern auch an WCs, Erste-Hilfe-Stationen, Kinderbewahrstuben und Feldkuchen gedacht -- wie auch an die »Aktivierung« des vor der ungewohnten Kunst vielleicht gelähmten Dorf-Publikums.
Darum soll ein Meldegänger jeweils kurz vor dem Eintreffen der Fahr-Kunst mit Lokal-Behörden und Einwohnern »Aktionen« besprechen oder auch eine Zusatz-Ausstellung von etwa ortsansässigen Künstlern organisieren. Denn Art Fleet will, nach eigener Vorstellung, außer »Kunst im Kanister« auch und vor allem »lebendige und abwechslungsreiche Erfahrung« bieten.
Und das zu erschwinglichem Preis. Denn nicht nur sind die Leihgeber beruhigt -- auch die National Gallery in Washington interessiert sich bereits für eine Art-Fleet-Tour -, überdies ließen Versicherungen wissen, daß die Bilder und Skulpturen. so verpackt und geschützt, zu einem »Bruchteil« der früheren Hoch-Rechnungen versichert werden könnten.
Schon ist auch die erste Schau beisammen, die mit »der Kunst-Flotte demnächst quer durch die Staaten ziehen soll. Es ist eine kürzlich in der Corcoran Gallery of Art in Washington gezeigte Ausstellung mit gemalten Amerika-Landschaften vornehmlich aus dem 19. Jahrhundert.
Zu der »Wilderness« (Wildnis) genannten Sammlung hat aber, mit Farb-Photos aus der Zeit um 1940, auch ein jüngerer Provinz-Artist beigetragen: der heutige Senator Barry Goldwater.