ERFINDUNGEN Zweite Schlange
Die Gestrengen vom TÜV hatten den Heizofen und seine Abgase gemessen - und zu heiß befunden.
Das hätte das Aus bedeutet für den »Wunderofen aus Peine« ("Welt"), den umweltfreundlichen »Sparofen« ("Hannoversche Allgemeine"), der Politiker und Ingenieure, Behörden und sogar den niedersächsischen Landtag beschäftigt: Überstiege die Temperatur der Abgase, die durch ein simples Plastikrohr aus dem Heizsystem entweichen, den kritischen Wert von 60 Grad, so müßte dem Erfinder die Betriebserlaubnis versagt bleiben.
Doch dann, unter den TV-Kameras von »Panorama«, verhedderten sich die Hannoveraner TÜV-Ingenieure wieder in ihren eigenen Meßgeräten. Letzten Dienstag wurde das für den TÜV peinliche Fernseh-Stück ausgestrahlt: Der Meßschreiber des Thermometers wollte und wollte nicht über 50 Wärmegrade hinausklettern (zwischen 100 und 200 Grad Celsius waren angeblich bei früheren Tests gemessen worden). TÜV-Abteilungsleiter Rolf Schlüter nach mehrstündigem Testlauf kleinlaut: »Wir werden die angesetzte Messung nicht auf 100 Grad bringen können.«
Damit ist einstweilen der Weg wieder frei für das »Veritherm«-Heizsystem des gelernten Müllermeisters und Erfinders Richard Vetter, 65, aus Peine-Dungelbeck - ein offenbar pfiffiges Stück umweltfreundlicher Technologie, dessen Ausbreitung derzeit noch von »den Schlingen der Bürokratie« (so die Zeitschrift »Natur") behindert wird.
Erfinder Vetter verwendet bei seinem Hausbrand-Heizofen einen ganz normalen Brenner (geeignet für Heizöl oder Gas), aber sonst bricht er mit aller Kessel-Tradition. Ergebnis: *___Der Ofen verbraucht nur etwa halb so viel Brennstoff ____wie herkömmliche Hausbrand-Kessel. *___Der größte Teil des im Brennstoff enthaltenen ____Schwefels, der sonst aus dem Schornstein pufft und die ____Umwelt belastet, wird im Heizkesselsystem ____zurückgehalten.
Mehr als sechs Jahre Arbeit und über fünf Millionen Mark hat Vetter in seine Erfindung investiert. Der größte Teil des Geldes stammte aus einer Versicherungssumme, die er kassiert hatte, nachdem 1977 eine von ihm betriebene Brotfabrik abbrannte.
Der Handwerksmeister hatte seine Erfindung schon 1982 fertig - seither sieht sich der cholerische Tüftler von »Banditen, verfluchten«, ja, von einer »ganzen Teufelsgesellschaft« verfolgt, in Gestalt von renitenten Bezirksschornsteinfegermeistern, TÜV-Ingenieuren und Behördenvertretern. Bis heute hat ihm das niedersächsische Sozialministerium, die für ihn zuständige oberste Genehmigungsbehörde, das Plazet für seinen Spar-Kessel versagt.
Kern der Erfindung ist der Einbau eines zweiten Wärmetauschers im Kesselraum (siehe Graphik Seite 202). Während normalerweise die Heizflamme nur _(Mit Granulat-Behälter. )
eine Rohrschlange im Brennraum umstreicht - in ihr wird das Wasser aufgeheizt, das sodann die Heizkörper in den Wohnräumen durchströmt -, gibt es bei »Veritherm« noch eine zweite Heizschlange, weiter unten im Kessel.
Statt wie beim herkömmlichen Kessel die über 200 Grad heißen Abgase, die beim Verbrennen von Öl oder Gas entstehen, durch den Schornstein in die Luft zu jagen, benutzt Vetter sie dazu, in dem zweiten, unabhängigen Kreislauf Wasch- oder Badewasser zu erwärmen. Auf diese Weise abgekühlt, strömt die Abluft noch an einem Wassersprüher vorbei. Beides zusammen bewirkt, daß die Abluft kondensiert und der größte Teil der sonst aus dem Schornstein entweichenden Schadstoffe sich in einer schubladenartigen Wanne unter dem Kessel sammelt.
Die Säure im Wasser wiederum wird durch ein Granulat (jährliche Kosten: zehn Mark) neutralisiert. Am Ende habe das Kondensat »Trinkwasserqualität«, es könne also unbedenklich in die Kanalisation geleitet werden, bescheinigte ein amtlich zugelassener Lebensmittelchemiker dem Ofenbauer aus Peine.
»Der saure Regen, der sonst unkontrolliert in der freien Natur entsteht«, so umschrieb »Natur« das Konzept des Erfinders, »findet kontrolliert im Heizkessel statt.« Und da die Abluft am Ende nur noch 30 Grad warm und säurearm ist, braucht der »Wunderofen« auch keinen feuerfesten Kamin; die Abluft kann nicht im Schornstein »sotten« und keine Stahlrohre zerfressen - es genügen, sagt der Erfinder, ein Ventilator und ein schlichtes Plastikrohr.
Mit dieser Vorstellung jedoch mögen sich Schornsteinfeger, Brandsachverständige und wohl auch die mächtige Heizkessel-Konkurrenz noch nicht befreunden - obwohl schon etliche der neuartigen »Veritherm«-Heizungen anstandslos in Betrieb sind. Die bullern gleichsam im rechtsfreien Raum, weil die sogenannte Bauartzulassung, die Genehmigung für diesen Typ von Heizanlagen (Anschaffungskosten, je nach Baugröße: 6000 bis 24 000 Mark) noch aussteht.
Daß 92 Prozent des im Brennstoff enthaltenen Schwefels in der Anlage zurückgehalten werden, hatte der TÜV Hannover in einem Teilgutachten bereits im Dezember 1982 attestiert. Im praktischen Einsatz, so bei dem Peiner Immobilienbesitzer Roman Willi Hartfil, der sich zehn Anlagen in seine Häuser einbauen ließ, hat sich auch die versprochene Heizöl-Einsparung bestätigt: 45 Prozent Ersparnis gegenüber herkömmlichen Anlagen, weil durch die doppelte Ausnutzung der Heizgase der Wirkungsgrad entsprechend erhöht wird.
Obwohl Vetter einen Sicherheitsschalter einbaute, der die Anlage abschaltet, falls die Abgastemperatur gefährlich ansteigt, richtet sich vor allem auf das rückwärtige Plastikrohr noch die Skepsis der Behörden. Der Kunststoff, fürchten sie, könne sich entzünden.
Diese Bedenken hatte der TÜV Hannover durch seine Abgas-Messungen bestärkt, die angeblich bei Probeläufen mit dem Heizsystem gewonnen worden waren. Nach der Meß-Pleite vor den TV-Kameras kann Erfinder Vetter, der gern 200 Öfen täglich produzieren möchte, wieder hoffen.
»Die Chancen des Kessels«, erklärte letzte Woche Regierungsrat Peter Lamm vom niedersächsischen Sozialministerium, hätten sich »deutlich erhöht«.
[Grafiktext]
DER SAURE REGEN BLEIBT IM KESSEL Funktionsweise der Heizanlage »Veritherm« (schematisch) zu den Heizkörpern Frischluft Abluft Brenner Ventilator 1. Wärmetauscher Wassersprüher 2. Wärmetauscher erwärmtes Brauchwasser Granulat Wasserabfluß zur Kanalisation Die heißen Verbrennungsgase erhitzen im 1. Wärmetauscher das Wasser, das die Heizkörper durchströmt. Danach passieren sie einen 2. Wärmetauscher (für Wasch- oder Badewasser) sowie eine Düse, die Wasser versprüht. Dabei kühlt die Abluft so weit ab, daß sie kondensiert. Die Schadstoffe, die sonst durch den Schornstein entweichen, bleiben - gleichsam als Saurer Regen - im Kondenswasser gelöst, das sodann durch ein Granulat wieder neutralisiert wird. Die nur noch geringfügig schwefelhaltige Abluft, auf 30 Grad gekühlt, wird durch ein PVC-Rohr ins Freie geführt.
[GrafiktextEnde]
Mit Granulat-Behälter.