Post an den Zwiebelfisch Die Kuh am Schwanz am raus am Ziehen

Selten waren so viele Rheinländer dem Zwiebelfisch am Schreiben. Auch Leser aus benachbarten Regionen wie Ruhrgebiet und Eifel wussten Interessantes zum Thema "Verlaufsformen" beizutragen. Lesen Sie hier eine Auswahl der Zuschriften!




Ich bin gebürtige Rheinländerin (stamme aus der Gegend von Aachen), lebe aber schon seit über 15 Jahren nicht mehr dort und habe mir dadurch viele meine heimatlichen Spracheigenheiten bewusst oder unbewusst abgewöhnt. Die "rheinische Verlaufsform" ist mir aber noch gut bekannt. Eine netter Spruch, der die rheinische Verlaufsform demonstriert, ist der folgende:

"Die Kuh am Schwanz am raus am Ziehen"

Ich kann mich noch daran erinnern, dass mit diesem Spruch den rheinischen Kindern klargemacht wurde, dass die Verlaufsform "schlechtes" Deutsch sei.

Helga Wandel


Hallo Herr Sick, Ihre Kolumne auf SPIEGEL ONLINE ist für mich immer noch einer der Höhepunkte der Woche. Gratulation! Als gebürtiger Düsseldorfer kann ich zu Ihrem heutigen Tagesthema noch folgenden Satz aus längst vergangenen Jugendtagen beisteuern, mit dem wir nichtsahnend die aktuelle Problematik präventiv karikiert haben :

"Der Bauer war die Kuh am Stall am Schwanz am raus am Ziehen."

Ein gern benutzter Einwurf im Unterricht, wenn es zu einer unziemlichen Anhäufung von 'ams' beim jeweiligen Klassenkameraden kam.

Stefan Grünewald


Als Rheinländer mit dem Geburtsort Köln im Pass und gleichermaßen mit einer amerikanisch-enthusiastischen Freundin gesegnet, habe ich mich sehr über den letzten Artikel amüsiert. Auch sie (im Folgenden: Rachel) kannte Mark Twain, mokierte sich über die mangelnde Verlaufsform - und ließ sich daraufhin geduldig und mit wachsendem Interesse in die schier unbegrenzten Möglichkeiten des köllschen Sprachgebrauchs einweisen. Wir sind jetzt schon bei Lektion zwei, dem sogenannten "köllschen Genitiv"! (Beikircher läßt grüßen) Rachel (allerdings schon einige Jahre in Deutschland) spricht nun fehlerfrei "Dem Chantal sing Jürtel sing Schnall" und überraschte mich unlängst mit einer hervoragenden Kombination des bereits Gelernten: "Ich bin dem Kölner seine Sprache am Lernen!"

Florian Cahn, Köln


Erst nach dem Lesen Ihres Artikels fiel es mir auf:

Sven Falke, Helmstedt


Guten Tag Herr Sick, ich komme aus dem bergischen Land rechtsrheinisch von Köln, und dort sagt man: "Ich bin grad einen Brief am Schreiben dran!"

Tania Trambow


Lieber Herr Sick, wäre die von Ihnen als "rheinische" erkannte Verlaufsform nicht eher als "Ruhrpott-Durativ" zu bezeichnen? Aus Köln kenne ich das nicht so, wohl aber aus dem Ruhrgebiet. Ich bin hier nämlich im Sessel am Sitzen und denke an den wunderbaren Jürgen von Manger, der das so schön darstellen konnte.

Stephan Prehn

Anmerkung des Zwiebelfischs: Auch ich habe mich immer köstlich über Jürgen von Manger amüsiert! Natürlich ist das Phänomen der Verlaufsform nicht auf Köln beschränkt! Wie die Kommentare der anderen Leser zeigen, gibt es etliche regionale Ausprägungen, von Aachen bis ins Ruhrgebiet, von Westfalen bis nach Holland.


Hallo, Herr Sick, der Kölner an und für sich nennt das "kölsch continuous".

Sascha Wuthe, Köln


Lieber Herr Sick, Ihr Artikel zur rheinischen Verlaufsform hat mir sehr gefallen. Die Umgangssprache ist doch viel facettenreicher als die Standardsprache!

Ich möchte jedoch darauf hinweisen, dass die Verlaufsform nicht nur im Rheinland, sondern auch in Westfalen gepflegt wird. In der Schule (Bünde/Ostwestfalen) wurde sie uns als "westfälische Continuous-Form" abgewöhnt. Verstärkt wird dort die Verlaufsform gerne durch Anhängen des Wortes "zugange". Ihr Satz über das Ableben des Papstes hieße dann: "Der Papst ist am Sterben zugange".

Holger Niermann, Berlin


Lieber Herr Sick, das ist dem Rheinländer, zumal in der Diaspora, doch sehr wohltuend, das wir in unserer manchmal belächelten Sprache so was Schönes haben wie die von Ihnen beschriebene rheinische Verlaufsform. Dazu möcht ich Sie da auch noch aufmerksam gemacht haben wollen auf die von Konrad Beikircher veröffentliche rheinische Trilogie in fünf Bänden (im Rheinland geht das, da nimmt man es nicht so genau!) da findet man noch so manch anderen Hinweis auf die spezielle Grammatik!

Ich genieße Ihre Artikel und fühle mich doch ertappt dabei! Freundliche Grüße

Heinrich Maaßen, Ulm


Der Artikel über die rheinische Verlaufsform war sehr interessant. Dazu wäre zu erwähnen, dass diese vermutlich von der niederländischen Verlaufsform beeinflusst ist, die ganz ähnlich gebildet wird.

Phillip Helbig

Antwort des Zwiebelfischs: Das ist richtig. Im Niederländischen heißt es beispielsweise "Wij zijn aan het eten" ("Wir sind beim Essen") oder "Ik ben aan het werken" ("Ich bin beim Arbeiten").


Vielen Dank für Ihre "Zwiebelfische". Ich lese sie mit viel Vergnügen und lerne auch als Profi (ich bin Texter) immer noch dazu. Aus dem tiefsten Ruhrgebiet stammend und jetzt in Hamburg lebend, hätte ich einige Ihrer Beispiele für die Rheinische Verlaufsform allerdings etwas anders gebildet. Wer im Sterben liegt, der stirbt. Ganz einfach. Und der Rheinländer an sich erfasst so etwas instinktiv: "Der Papst ist wochenlang am Sterben gewesen."

Und wäre meine Heimatstadt Wanne-Eickel die Hauptstadt des Vatikans, so wären alle Einwohner traurig darüber, dass der arme Papst "wochenlang am Sterben dran war".

Ansonsten ein großes Kompliment, wie Sie als Nicht-Rheinländer die Rheinische Verlaufsform so verständlich und einfach herleiten. Und Ihre kalifornische Freundin würde auch in Wanne-Eickel sicherlich gut verstanden werden. Vor allem, wenn Sie sich länger dort aufhielte und in den "Hardcore-Status" gelangt. Denn dann wird sie ganz lässig die eine oder andere Verlaufsform bilden, indem sie dem Objekt ein "am" oder "an" voranstellt: "Tim repariert am Motor", "Der Doktor behandelt am Notfall".

Michael Funke


Hallo Zwiebelfisch, deine Freundin Holly würde es bei uns im Saarland noch leichter haben, denn dort exisitiert neben der Verlaufsform auch das "going-to"-Futur: Wenn sich ein Paar endlich traut, gehen sie heiraten, auch wenn erst in einem halben Jahr gefeiert wird. Zuvor gehen sie die Gäste einladen. Und die Braut geht mit ihrer Freundin ein Hochzeitskleid kaufen. Außerdem gehen sie ein Menü aussuchen.

Schlimmer als das saarländische "going-to"-Futur ist der massive Einsatz des Verbs "geben": Ich gen Schlosser (Ich werde Schlosser), du gevscht dick (Du wirst alt), E/It/Et gevt 20 (Er/Sie/Es wird 20).

Patrick Barth


Zur rheinischen Verlaufsform wäre noch anzumerken, dass es eine solchen Konstruktion auch in Westfalen gibt. Aus der ergeben sich schöne Stilblüten, vor allem in Kombination mit dem westfälischen Dativ (Akkusativ, wat is dat denn?). So rief einmal meine damalige Nachbarin ihrer Tochter zu: "Komm im Haus, es fängt am Regnen!"

Christoph Brüning


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