Zwiebelfisch Zweifach doppelt gemoppelt
Greise sind immer alt, so wie Kugeln immer rund sind und Farben immer bunt, und Raser würden nicht Raser genannt, wenn sie nicht tatsächlich schnell führen. Ohne Bäume wären Alleen auch keine Alleen, sondern gewöhnliche Straßen. Solche Bedeutungsverdopplungen nennt man Pleonasmen. Das kommt aus dem Griechischen und bedeutet "Überfluss", "Übermaß" - bezogen auf den sprachlichen Stil also eine überflüssige Häufung sinngleicher oder sinnverwandter Begriffe. So erklärt es auch der Duden und führt als Beispiele den weißen Schimmel und den schwarzen Rappen an. Pferdeliebhaber indes wissen, dass Schimmel längst nicht immer weiß sind, sondern in der Regel dunkel geboren werden und erst im Laufe der Zeit aufhellen. So gibt es Schimmel in allen möglichen Schattierungen: als Apfelschimmel, Fliegenschimmel, Fuchsschimmel, Rotschimmel und Blauschimmel (nicht zu verwechseln mit Käse), als Grauschimmel, Braunschimmel und sogar als Schwarzschimmel. Ein weißer Schimmel ist also keine Selbstverständlichkeit.
Auch hinter "kleinen Zwergen" muss nicht zwangsläufig ein Pleonasmus stecken. Denn alles ist bekanntlich relativ, und wer wollte ernstlich behaupten, dass alle Zwerge gleich groß (oder gleich klein) seien? Einige mögen größer sein als andere, und nicht umsonst heißt es im Volksmund: Auch Zwerge haben mal klein angefangen.
Eng verwandt mit Pleonasmen sind Tautologien, das sind gleichbedeutende Wörter derselben Wortart, also Wortpaare wie "angst und bange", "ganz und gar", "immer und ewig", "nie und nimmer", "schließlich und endlich", "aus und vorbei", "still und leise". Diese Doppelungen gelten als rhetorische Stilmittel und sind daher über jede sprachliche Kritik erhaben.
Natürlich können auch Pleonasmen als bewusst eingesetztes Stilmittel dienen. Oftmals allerdings entstehen sie aus schlichter Unwissenheit. Das betrifft vor allem die Zusammensetzungen aus Fremdwörtern und deutschen Vorsilben. Wer hätte nicht schon einmal von einem "vorprogrammierten Chaos" gesprochen - wiewohl ein "programmiertes Chaos" völlig genügen würde, denn programmiert wird immer im Voraus. Oder haben Sie schon mal von einem nachprogrammierten Ereignis gehört? Ein weiterer Dauerbrenner unter den Überflusswörtern ist das Verb "aufoktroyieren" - eine Verschmelzung aus dem französischen Lehnwort "oktroyieren" und der deutschen Übersetzung "aufzwingen".
Meine Nachbarin, Frau Jackmann, ist eine Meisterin der Sinnverdoppelung. Als ich einzog, klärte sie mich detailliert über alle Mitbewohner des Hauses auf: "Die Lüders aus dem Erdgeschoss haben vier Jungs, richtige Rabauken, vor allem die zwei Zwillinge. Also wundern Sie sich nicht über den Krach!" Ich wunderte mich vor allem über den Hinweis, dass die Lüders zwei Zwillinge haben. Ich hätte mehr erwartet. Frau Jackmann überbot sich gleich darauf selbst, indem sie mir verriet, dass neben den Lüders ein "Zweierpärchen" wohne. Sollte es noch einen Untermieter aufnehmen, hätte man es dann mit einem "Dreierpärchen" zu tun? Im ersten Stock wohnt Herr Schaller, ein Finanzberater. Dem könne man absolut vertrauen, der sei nämlich "fachkompetent." Als es mit der Wirtschaft bergab ging, da habe er "Eigeninitiative" gezeigt und sich etwas aufgebaut - was ihm "erfolgreich geglückt" sei, wie Frau Jackmann anerkennend hinzufügte.
Als mein Freund Henry mich das erste Mal besuchte und sofort über den Zustand des Treppenhauses zu lamentieren begann, sagte sie: "Ich habe dem Hausmeister bereits schon gesagt, dass das Treppenhaus dringend neu renoviert werden muss, aber im augenblicklichen Moment scheinen die Eigentümer angeblich kein Geld dafür zu haben." Vier Pleonasmen in einem Satz! Das muss ihr erst mal jemand nachmachen! Henry nennt sie seitdem respektvoll "Jackie Pleonassis". Er reagiert allerdings oft ein bisschen überempfindlich. Wenn ich ihn frage: "Gehen wir zu Fuß?", dann kann es passieren, dass er erwidert: "Nein, wir gehen mit dem Auto!" Er lässt auch "spontane Reflexe" und "natürliche Instinkte" nicht gelten, zumal das die Existenz unspontaner Reflexe und unnatürlicher Instinkte voraussetzen würde. Selbst bei "künstlicher Bewässerung" zuckt Henry zusammen.
Bei Frau Jackmann ist das "umgekehrte Gegenteil" der Fall. In pleonastischer Hinsicht ist eine Unterhaltung mit ihr immer lohnend. Frau Jackmann würde sagen: "lohnenswert". Sie hat zu allem eine "persönliche Meinung", und ich habe es bislang wohlweislich vermieden, sie nach ihrer unpersönlichen Meinung zu fragen. In politischen Fragen ist sie unerbittlich. Nahezu alle Probleme unserer Zeit, sagt sie, seien die Folge der "weltweiten Globalisierung". "Als der Schröder an die Regierung kam, da haben sich doch alle falsche Illusionen gemacht." Offenbar macht sie sich lieber richtige Illusionen. Allerdings, so räumt sie ein, sei sein Kurs ja nicht immer ganz verkehrt gewesen. "Diese Reformen taten ja nötig. Eine andere Alternative gibt es doch gar nicht!" Womöglich gibt es nie mehr als eine einzige Alternative, wenn überhaupt. Aber darüber will ich mit Frau Jackmann lieber nicht diskutieren.
Henry hat da weniger Skrupel. Letzte Woche traf er Frau Jackmann auf der Treppe. "Es gibt Regen", rief sie ihm zu. "Wie kommen Sie darauf", fragte Henry erstaunt, "es ist doch kein Wölkchen am Himmel zu sehen!" - "Ich spür das", sagte sie, "ich hab da so ein inneres Gefühl!" Henry erwiderte, ihr "inneres Gefühl" sei ein Pleonasmus. Seitdem hält sie ihn für einen Arzt. Da sind falsche Missverständnisse natürlich bereits schon im Vorfeld vorprogrammiert.
Pleonasmen
doppelt gemoppelt | einfacher gesagt |
---|---|
angeblich sollen (z.B. sie soll angeblich einen Geliebten haben) | sie soll einen Geliebten haben; sie hat angeblich einen Geliebten |
Attentatsversuch | Anschlag, Attentat, Mordversuch |
aufoktroyieren | aufdrängen, aufzwingen, oktroyieren |
anfängliche Startschwierigkeiten | anfängliche Schwierigkeiten, Startschwierigkeiten |
im augenblicklichen Moment | im Augenblick, augenblicklich, im Moment, momentan |
auseinander dividieren | auseinander rechnen, aufteilen, dividieren |
Baumallee | Allee, von Bäumen gesäumte Straße |
bereits schon | bereits, schon |
ein berühmter Star | eine Berühmtheit, ein Star |
in bunten Farben angemalt | bunt angemalt, farbig gestrichen |
Eigeninitiative | Eigenantrieb, Initiative |
Einzelindividuum | Einzelwesen, Individuum |
der Einzigste | der Einzige |
erste Vorboten | erste Anzeichen, Vorboten |
drei Drillinge | Drillinge |
Düsenjet | Düsenflugzeug, Jet |
fundamentale Grundkenntnisse | fundamentale Kenntnisse, Grundwissen |
für gewöhnlich etwas zu tun pflegen | für gewöhnlich etwas tun, etwas zu tun pflegen |
Fußpedal | Fußhebel, Pedal |
Glasvitrine | Glasschrank, Vitrine |
herausselektieren | auslesen, herausfiltern, selektieren |
hochstilisieren | hochloben, stilisieren |
ein lästiges Ärgernis | ein Ärgernis, eine lästige Sache |
lohnenswert sein | lohnend sein, die Sache wert sein |
manuelle Handarbeit | Handarbeit, manuelle Arbeit |
marginale Randerscheinungen | marginale Erscheinungen, Randerscheinungen |
Mitbeteiligung | Beteiligung, Mitwirkung |
möglich sein können (es könnte möglich sein) | Es ist möglich; es könnte sein |
neu renoviert | kürzlich instand gesetzt, renoviert |
noch einmal wiederholen | noch einmal sagen, wiederholen |
(höchst)persönlich anwesend sein | anwesend sein, da sein, zugegen sein |
Rückerinnerung | Rückblende, Erinnerung |
runder Kreis | kreisförmige Figur, Kreis |
runde Kugel | Kugel |
Sanddünen | Dünen, Sandhügel |
schlussendlich | endlich, schließlich, zuletzt |
Testversuch | Test, Versuch |
tote Leiche | toter Körper, Leiche, Leichnam, der oder die Tote |
Vogelvoliere | Vogelhaus, Voliere |
Volksdemokratie | Demokratie, Volksherrschaft |
Vorderfront | Vordere Reihe, Front |
vorprogrammiert sein | programmiert sein, unausweichlich sein |
wahrscheinlich scheinen | scheinen, wahrscheinlich sein |
weibliche Kandidatin | Kandidatin, weiblicher Kandidat |
Zukunftsprognosen | Aussichten, Prognosen |
zusammenaddieren | addieren, zusammenzählen |
zwei Zwillinge | Zwillinge |
ein Zweierpaar | ein Paar, zwei |