Arbeitszeit-Jongleure Arbeitest du noch, oder lebst du schon?
Am Anfang war der Spott. Sozialromantischer Schmus, urteilten deutsche Firmenchefs noch vor wenigen Jahren über das Schlagwort von der "Work-Life-Balance": Von amerikanischen Unternehmern lernen, das heißt noch lange nicht erfolgreich sein. Und überhaupt: Ist er denn messbar, der wirtschaftliche "Benefit" von Arbeitszeitkonten, Teilzeitmodellen, Telearbeitsplätzen, Gesundheitskursen, Entspannungsseminaren und betrieblicher Kinderbetreuung?
Ist er. "Investitionen ins Humanvermögen", ergab eine Studie im Auftrag des Bundesfamilienministeriums, sind weit mehr als Bonbons für gestresste Mitarbeiter. Sie machen Arbeitnehmer dauerhaft glücklicher - und rentabler obendrein. Weil sie weniger fehlen, seltener kündigen und mehr leisten wollen für ein Unternehmen, das ihre Bedürfnisse ernst nimmt. Zufriedenheit zahlt sich demnach aus: Für familienfreundliche Maßnahmen "konnte in einer Modellrechnung eine Rendite in Höhe von 25 Prozent ermittelt werden", so die Studie.
Ein gutes Argument dafür, dass der Work-Life-Balance-Gedanke nun auch hiesige Führungsetagen umtreibt. Denn nicht nur Topmanager, sondern auch immer mehr Angestellte der mittleren und unteren Firmenetagen fragen sich: Arbeite ich noch, oder lebe ich schon? Und fordern ein Recht auf Privatleben, Familie und Freunde neben dem Full-Time-Job.
Es gibt ein Leben neben dem Job
Auf deutschsprachigen Websites bei Google landet "Work-Life-Balance" nun rund 450.000 Treffer. Schon haben sich Dienstleistungsunternehmen und Beraterfirmen etabliert, die maßgeschneiderte Konzepte für große Firmen entwickeln und, wenn gewünscht, auch in die Tat umsetzen. Die Referenzliste ihrer Kunden ist lang und liest sich beim Marktführer Familienservice wie ein Verzeichnis der deutschen Wirtschaftselite: Unternehmen wie DaimlerChrysler, die Commerzbank AG, IBM Deutschland und die Deutsche Bahn finden sich auf der Homepage des Dienstleisters. Auch das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie hat sich hier bei der Personalpolitik unter die Arme greifen lassen.
Work-Life-Balance - in erster Linie ein Instrument nüchternen ökonomischen Kalküls? Es geht um Flexibilität und Eigenverantwortung, sagen Arbeitspsychologen und Zeitmanagement-Experten. Es geht um mehr Leben neben dem Job, sagen Arbeitnehmer. Es geht um eine dreifache Win-Situation, sagen Firmenchefs. Denn am Ende hätten doch alle was davon: die Unternehmen, die Volkswirtschaft und die Arbeitnehmer, das sogenannte "Humanvermögen". Win, win, win.
Und was gewinnen oder verlieren Menschen, die nach ihrer ganz eigenen Work-Life-Balance fahnden müssen, weil in ihren Jobs seltsame Arbeitszeiten einfach dazu gehören? Vier junge Berufstätige erzählen, wie es ihnen damit geht.
Daniela Holtz, 28, Schauspielerin
Christina Weiss, 27, Morgen-Moderatorin im Radio
Angelika Beck, 30, Bordfotografin