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Bewerbungsreport Wer bin ich, und wenn ja, wie viele?

Die ersten Absagen trudeln ein, aber Felix Hoffmann hat noch Hoffnung. Der Absolvent der Medienwissenschaften sucht nach einer Stelle in der PR-Branche. Vor allem eine Hamburger Beratungsfirma hat es ihm angetan - Finale seines Bewerbungs-Logbuchs.

Bewerbungsgespräch: "Was sind Sie für ein Mensch?"

Zu Übungszwecken ein paar Vorstellungsgespräche bei minder interessanten Unternehmen - das ist meine ursprüngliche Taktik. Die verwerfe ich aber, als mich ein erfolgreicher Automobilhersteller als erstes (interessantes) Unternehmen zum Gespräch einlädt.

Eine Zugreise und Taxifahrt später befinde ich mich bereits in einer gepflegten Empfangshalle mit zwei besonders schönen, strahlend weißen Autos auf dem Parkett. Bin ich in einem Autohaus gelandet?

Ein Bayrisch sprechender Praktikant begleitet mich freundlich in den Aufzug und zu einer Sitzecke. Hier darf ich zehn Minuten warten, ein wenig schwitzen und in Broschüren blättern, bis meine zwei Gesprächspartner kommen: Frau Jasper, die brünette Personalerin, und Herr Weiss, ein gutgelaunter "Vertreter der zuständigen Fachabteilung".

Sie stellen Standardfragen ("Erzählen Sie doch mal, was Sie so gemacht haben - ab dem Abitur?" - "Was glauben Sie, was bringen Sie mit für diese Stelle?" - "Was sind Sie für ein Mensch?"). Kaum habe ich mich als neugierigen, interessierten Menschen beschrieben, ist die Zeit auch schon vorüber.

Keine Stelle, aber kostenlose Beratung

Später stelle ich fest, dass wir uns über eine Stunde unterhalten haben. Es war ein lockeres Gespräch, bereits nach kurzer Zeit sympathisch, persönlich, offen und ehrlich. Am Ende stellten wir gemeinsam fest, dass die Stelle nicht zu meinen Fähigkeiten und Vorstellungen passt.

Mein zweites Gespräch habe ich nach einer Initiativbewerbung bei einer bekannten Unternehmensberatung. Ein ICE bringt mich nach Frankfurt am Main, mit Verspätung wegen Wartungsarbeiten. Da ich einen Puffer von zwei Stunden eingeplant habe, komme ich nicht in Bedrängnis.

Auch hier holt mich eine Assistentin ab, diesmal geht's aber direkt ins Büro meiner Gesprächspartnerin. Das Gespräch entpuppt sich als Farce: Gleich zu Beginn erzählt mir die sympathische Frau überraschend, dass es für mich keine passende Stelle gebe, dass sie mir aber "so kurzfristig nicht absagen wollte". Dann gibt mir die langjährige Partnerin, die mütterliche Gefühle zu hegen scheint, zahlreiche Bewerbungstipps: "Bessern Sie Ihr Englisch auf!" - "Publizieren Sie in einschlägigen Fachmedien!" - "Arbeiten Sie sechs Monate lang für eine Non-Profit-Organisation!"

Nach etwa einer halben Stunde bedanke ich mich höflich bei ihr für die kostenlose Bewerberberatung und fahre wieder nach Hause, reich an Erkenntnissen und ein wenig müde. Wichtigste, aber absurde Erkenntnis: Mach dir einen Namen in der Branche, bevor du überhaupt anfängst zu arbeiten!

Was wissen Sie denn schon?!

Die kommenden Tage folgen einem festen Rhythmus: Vorbereitung aufs nächste Vorstellungsgespräch, Anreise, Abreise, Duschen, Hemd bügeln, Vorbereitung aufs nächste Gespräch… Mein Leben ist jetzt geprägt von Anzügen, Aufzügen, Fernzügen. Mit der Deutschen Bahn erkunde ich das Land und prosperierende Unternehmen. Krise? Welche Krise? Ich merke davon nichts. Die Reisekosten werden selbstverständlich übernommen.

Nach ein paar Gesprächen in Düsseldorf, München und Frankfurt steht das erste Assessment-Center an: Eine Hamburger Kommunikationsberatung lädt mich zum Wissenstest und zu einer fiktiven Konzepterstellung - flankiert von Gesprächen mit Seniorberatern oder Geschäftsführern der Agentur. Der Wissenstest lehnt sich stark an die der Journalistenschulen an: Es geht um Fragen aus den Bereichen Medien, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.

Ich muss etwa beantworten, wer die Chefredakteure von bekannten und weniger bekannten Publikumsmedien sind, von "Bunte" über "Cicero" bis "Capital". Ebenso soll ich ein paar prominenten Namen die passenden Ämter oder Funktionen zuordnen. Dummerweise halte ich einen osteuropäischen Ministerpräsidenten für einen Schlagersänger, schlage mich aber sonst ganz gut. Die weiteren Aufgaben sind kurz und machbar - bis auf die Übersetzung vom Deutschen ins Englische. Hier offenbaren sich Wissenslücken.

Standardabsagen auf die ersten Bewerbungen

Danach skizzieren zwei Agenturmitarbeiter in einem anderen Raum via Powerpoint kurz das aktuelle Kommunikationsproblem eines Kunden. Ich habe eine Stunde Zeit, ein grobes Konzept zu erstellen. Der Seniorberater und die Beraterin lassen mich allein. Ich grüble, schwitze und versuche eine rasche Ausgangsanalyse. Dann entwickle ich eine Strategie und - wie im Studium gelernt - eine "kommunikative Leitidee".

Nach 45 Minuten gehe ich auf die Toilette, sehe im Spiegel einen hochroten Kopf und wasche mir kurz das Gesicht. Bald darauf kommen die beiden Berater wieder. Ich habe rund zehn Minuten Zeit für die Präsentation und versuche, sie mit Flipchart für meine Ideen und für mich zu begeistern.

Im Zug nach Hause grüble ich: Habe ich genug richtig gemacht? War ich sympathisch? Ich habe mich zumindest wohl gefühlt, die Stimmung in der Agentur war sehr freundlich.

Zurück zu Hause lese ich ein paar neue Standardabsagen von Unternehmen. Grundtenor: "Bei der Vielzahl der eingegangenen Bewerbungen fiel uns die Entscheidung nicht leicht. Leider haben wir uns für ein paar Schaumschläger und gegen Sie entschieden. Eine eierlegende Sau können wir hier nicht gebrauchen. Wir hoffen, Sie haben dafür Verständnis." In den nächsten Tagen warte ich vor meinem Mobiltelefon und hoffe auf eine Zusage aus Hamburg.

Ein schäbiges Angebot und eine E-Mail aus Hamburg

Kein Signal von der Hamburger Agentur. Aber ein Gespräch bei einer PR-Agentur, die zu einem der großen amerikanischen Kommunikationsnetzwerke gehört. Es war ebenfalls eine Initiativbewerbung, ich habe keine Ahnung, was mich erwartet. In Frankfurt am Main treffe ich einen langjährigen Kommunikationsberater, er ist sympathisch, offen und äußerst gesprächig.

Ich fühle mich sehr wohl, bis er nach etwa 45 Minuten konkreter wird: "Was ich Ihnen anbieten kann, Herr Hoffmann: Bei uns fangen Sie in den ersten drei Monaten als Praktikant an. Für 350 Euro monatlich. Das ist die - wie wir es nennen - Kennenlernphase. Daran schließt sich ihr 15-monatiges Traineeship an. Hier verdienen Sie 1700 Euro brutto." Perplex von der Frechheit dieses Ausbeuter-Angebots überschlage ich das kurz im Kopf und komme auf rund 20.000 Euro im Jahr.

Da ist er - der Arbeitsvertrag

Eigentlich hätte ich in diesem Moment aufstehen und "Ist das Ihr Ernst?!" rufen sollen, um ihn dann in eine Diskussion über den Unterschied zwischen Respekt und Frechheit verwickeln sollen. Er hätte das wahrscheinlich als "mangelnde Demut" eines frischgebackenen Uniabsolventen gewertet. In der letzten Viertelstunde unseres Gesprächs schalte ich in punkto Konzentration zwei Gänge runter und verlasse später grimmig das Büro. In der festen Überzeugung, niemals in dieser Agentur arbeiten zu wollen.

Ein paar Tage und ein paar weitere Absagen von Industrieunternehmen später erhalte ich eine E-Mail der Hamburger Kommunikationsberatung: Sie würden sich sehr freuen, wenn ich bei ihnen anfinge. Nur ein paar Details wie das Gehalt müssten noch abschließend besprochen werden. In einem Telefonat versichert mir einer der Geschäftsführer, dass ihre und meine Gehaltsvorstellungen sich grob decken. Kurz darauf erhalte ich den Vertrag, den ich in Ruhe lese und guten Gewissens unterschreibe.

Bisher war ich eher emotionslos, dieser Moment aber ist ein ganz besonderer: Ein angenehmes Schaudern läuft mir über den Rücken, als ich meinen ersten unbefristeten Arbeitsvertrag unterschreibe. Viele meiner Kommilitonen suchen noch immer - in dieser schwierigen Zeit.

Ich gehöre nicht mehr zu denen, die einen Job suchen. Ich suche jetzt eine Wohnung. In Hamburg.

Am Mittwoch auf SPIEGEL ONLINE erschienen:

Bachelor+Bankenkrise+Bewerbung = Berufsstart?
Im ersten Teil schilderte Felix Hoffmann (Name geändert) den Start seiner Bewerbungstournee.

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