In Kooperation mit

Job & Karriere

Doktorand mit 18 Das Wunder von Halle

Mit zwei konnte er lesen, mit vier das Große Einmaleins, mit 13 war er Student - Marian Kogler ist hochbegabt. Als 18-Jähriger promoviert er jetzt in Halle und unterrichtet Studenten in theoretischer Informatik. Ein Leben im Zeitraffer - "ich konnte gut simulieren, älter zu sein".
Marian Kogler im Uni-Arbeitszimmer: "Ich habe älter gedacht, gefühlt, kommuniziert"

Marian Kogler im Uni-Arbeitszimmer: "Ich habe älter gedacht, gefühlt, kommuniziert"

Foto: SPIEGEL ONLINE

Der Flur im zweiten Stock des Instituts für Informatik der Martin-Luther-Universität in Halle sieht aus, wie es sich für Gänge in ganz gewöhnlichen Unis gehört: Dunkelgrau glänzende Fliesen, kahle Wände, ab und an eilt ein Professor mit Akten unterm Arm vorbei, aus der Ferne hört man Studenten lachen. Nichts deutet darauf hin, dass Zimmer 228 eine kleine Sensation beherbergt. "Hardwarealgorithmen, Rechnerarchitektur, Schaltungsentwurf" steht an der Tür. Und ein Name: "Marian Kogler, Diplomingenieur".

Drinnen an der Tafel stehen komplizierte mathematische Formeln. Am Rechner: die Sensation. Schwarze Jeans, kariertes Hemd und eine Brille trägt die Sensation, hat kurze braune Haare und lächelt höflich. Marian Kogler ist 18 Jahre alt und gerade erst bei seinen Eltern in Wien ausgezogen - wie andere Jugendliche seines Alters auch. Doch Kogler ist der wohl jüngste Mitarbeiter einer deutschsprachigen Hochschule: Seit April promoviert er in theoretischer Informatik, zweimal in der Woche unterrichtet er in einer Übung Studenten. Sie alle sind älter als er.

In Zimmer 228 sitzt kein arroganter, neunmalkluger Schlauberger. Kogler wirkt nicht wie ein zahlenfixierter Nerd, schon gar nicht kokettiert er mit seinem Alter. "Wenn mich jemand fragt, dann verschweige ich nicht, dass ich erst 18 bin, aber es ist für meinen Job überhaupt nicht relevant."

Sein IQ liegt bei mindestens 150

Die Studenten akzeptierten ihn, erzählt Kogler, obwohl er noch so jung sei. Es falle ihm zwar manchmal schwer, ihre Denkprozesse nachzuvollziehen, wenn für ihn doch alles logisch und trivial ist. Doch er habe als Student komplexe Konzepte auch nicht immer gleich verstanden. "Es ist für mich eine Herausforderung, die Dinge so zu erklären, dass die Leute sie verstehen und sich dafür interessieren", sagt Marian Kogler.

Sein bisheriges Leben hat er im Zeitraffer absolviert. Schon früh war klar, dass er hochbegabt ist. In Wien wuchs er auf und konnte mit zwei schon lesen, das weiß er aus Erzählungen seines Vaters, eines Schriftstellers. Als andere Kinder seines Alters anfingen zu sprechen, fragte er, warum auf einem Schild das Wort "Achtung" steht. "Ich weiß selbst nicht, wie ich dazu gekommen bin", so Kogler. "Ich muss mir das Lesen irgendwie beigebracht haben. Aber ich erinnere mich natürlich nicht daran."

Als Kogler drei Jahre alt war, konnte er dreistellige Zahlen addieren und subtrahieren, las sein erstes Kinderbuch. Die Eltern schickten ihn zum Psychologen, der einen Intelligenztest mit ihm machte. Kogler löste alle Aufgaben richtig, also gab der Psychologe ihm schwerere Aufgaben, die er ebenfalls ohne Schwierigkeiten bewältigte. Irgendwann war das Kind so müde, dass der Test abgebrochen werden musste.

Ab einem IQ von 130 gelten Menschen als hochbegabt. Der Deutschen Gesellschaft für das hochbegabte Kind zufolge haben zwei bis drei Prozent aller Kinder einen IQ von 130 oder mehr. Der Test bei Kogler ergab: Sein IQ liegt bei mindestens 150.

"Ich habe älter gedacht, gefühlt, kommuniziert"

Kogler entwickelte sich rasant: Mit vier - wenn andere Kinder bis zehn zählen - konnte er das große Einmaleins. Kinderbücher fand er nun langweilig und las sein erstes Sachbuch, verschlang Literatur über Chemie und Astronomie, schon bald konnte er schreiben. Die Kindergärtnerinnen waren schnell überfordert mit dem Wunderkind und verlangten von ihm, wie die anderen Kinder zu spielen. Er kam in einen anderen Kindergarten, wo man ihn förderte: Statt mit Bauklötzen spielte er Monopoly mit den Kindergärtnerinnen.

Trotz seiner überragenden Intelligenz besuchte Kogler, mit fünf Jahren eingeschult, eine ganz normale Wiener Schule. Er übersprang zwei Klassen. Als er zwölf Jahre alt war, waren seine Klassenkameraden 15, 16, manche auch 17. Das blieb nicht ohne Folgen: Er wurde ausgeschlossen, mitunter gehänselt oder sogar gemobbt.

Doch Kogler wusste sich zu helfen. Er gewöhnte sich schnell an, älter zu wirken. "Ich habe mich so sozialisiert, dass ich in die jeweilige Altersgruppe gepasst habe", sagt er. Es klingt so technisch, als würde er über theoretische Informatik sprechen. "Ich konnte gut simulieren, älter zu sein. Ich habe älter gedacht, gefühlt, kommuniziert."

Kogler begriff zwar schneller als die anderen und schrieb die besseren Noten. Doch sein Körper entwickelte sich normal: Der war erst zwölf, und während sich die anderen zu Mädchen hingezogen fühlten, konnte er auch hier sein Interesse nur simulieren. "Ich konnte das bei den anderen schon nachvollziehen", sagt er, wieder klingt es ein bisschen wie theoretische Informatik.

"Das war Glück, dafür kann ich nichts"

Dann ging alles ganz schnell: Mit 13 begann Kogler neben der Schule mit dem Studium an der Technischen Universität in Wien. Mit 15 hatte er seine Matura - das österreichische Abitur - in der Tasche, mit 16 einen Bachelor-Abschluss, mit 17 war er Österreichs jüngster Diplomingenieur. Und kürzlich ist sein erstes Buch erschienen, in dem er über seine Erfahrungen als Hochbegabter berichtet (siehe Kasten).

Es gibt allerdings auch Dinge, die Kogler nicht kann: "Ich bin motorisch ziemlich ungeschickt, und Sprachen fallen mir nicht leichter als jedem anderen." Auch sich zu orientieren falle ihm schwer.

Viele Hochbegabte leiden unter ihrer Intelligenz. Manchmal werden sie zu Außenseitern, weil ihre Begabung nicht erkannt wird, sie sich unterfordert fühlen und den Unterricht stören. Kogler sieht seine Hochbegabung eindeutig als Segen. Überheblich wirkt er nicht. Die meisten seiner Freunde seien normal intelligent, erzählt er: "Ich suche mir meinen Kreis nach gemeinsamen Interessen aus. Begabt oder nicht begabt ist kein Kriterium für mich."

Ist er denn stolz auf seinen IQ? Nein. Stolz sei er vielmehr auf seine Eltern, die ihn gefördert haben. "Die Hochbegabung ist keine Leistung von mir", sagt Kogler. "Das war Glück, dafür kann ich nichts."

Manchmal jedoch kann seine Hochbegabung auch ein Fluch sein: wenn er sich langweilt. "Zur Untätigkeit verdammt zu sein, ist der größte Horror für mich", so Kogler. Ständig braucht er Input, einfach so herumsitzen kann er nur, wenn er über ein konkretes Problem nachdenkt. "Kein Buch lesen, nicht fernsehen, nicht denken, das fällt mir schwer - dann schlafe ich lieber."

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten