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Examensstress Abenteuer Abschluss

Wenn einer sein Examen macht, dann kann er was erleben. Denn die Gefahren des Uni-Dschungels lauern vor allem an dessen Ende. Vielen Studenten bleibt ihr Abschluss besonders wegen zahlreicher Prüfungs-Pannen in Erinnerung.
Von Matthias Sdun

Bernd stand kurz vor der Zulassung zum Examen. Jetzt brauchte der angehende Politologe nur noch einen Zweitprüfer. Über zu große Auswahlmöglichkeiten konnte er dabei nicht klagen. In seinem Teilbereich gab es nur zwei prüfungsberechtigte Dozenten, und bei der Ersten war er soeben abgeblitzt. "Keine Zeit," war ihre lapidare Antwort, sie hätte schon genug Examenskandidaten unter ihren Fittichen.

Blieb also nur noch die Hoffnung auf den Kollegen. Doch auch der machte Bernd erst einmal unmissverständlich klar, dass er ihn nicht prüfen könnte. Auch hier wieder der Verweis auf die unzähligen Diplom- und Magisterarbeiten, die er zu lesen hätte. "Außerdem sehe ich nicht mehr ein, warum ich ständig für die Faulheit anderer büßen muss," raunzte der Dozent. Als Bernd dem Professor offenbarte, dass er so sein Spezialgebiet nicht ins Examen einbringen könne, bot der ihm eine radikale Lösung des Problems an: "Ich betreue Sie, aber nur unter einer Bedingung. Schreiben sie eine offizielle Beschwerde über meine Kollegin!"

Um weiteren Ärger schon zu Beginn seines Examens zu vermeiden, wählte Bernd ein anderes Teilgebiet, bei dem nicht nur mehr, sondern willigere Prüfer zur Verfügung standen. "Ich hatte keine Lust, mich mit solchen Intriganten herum zu ärgern," meint er heute. "Da hätte am Ende ich den Kürzeren gezogen." Die Namen der Dozenten will er nicht nennen.

Klinken Putzen für die Prüfung

Auch bei Horst lief nicht alles nach Plan. "Meinen Nebenfach-Prüfer habe ich auf den allerletzten Drücker gefunden," sagt der 25-jährige Student aus Hamburg. Das Problem bei ihm: als Horst sich zum Examen melden wollte, gab es in seinem Nebenfach gar keinen Prüfungsberechtigten. Der einzige Lehrstuhlinhaber war nach langer Krankheit und langem Leben kurz zuvor gestorben. Seine Stelle wurde bisher nicht neu besetzt. Wer hier seinen Abschluss machen will, muss sehen, wo er bleibt. Horst ergriff die Initiative: "Kurz vor Ablauf der Anmeldefrist haben sie einem wissenschaftlichen Mitarbeiter eine Sondergenehmigung erteilt", sagt er. "Dafür habe ich stundenlang beim Sekretariat und beim Prüfungsamt Klinken geputzt."

Doch auch wer die formalen Hürden genommen und sich zum Examen gemeldet hat, ist vor bösen Überraschungen nicht sicher. Denn mit der Betreuung ihrer Schützlinge sind die Professoren oft hemmungslos überfordert. Das Examen wird dann schnell zum unberechenbaren Abenteuer.

Wie im vergangen Jahr für 27 Jurastudenten der Uni Hannover. Nach wochenlanger Büffelei lag die Examensklausur endlich hinter ihnen. Doch sie hatten sich zu früh gefreut. Die Arbeiten, die zur Korrektur an einen Götinger Professor geschickt worden waren, waren plötzlich spurlos verschwunden. Die Prüflinge mussten den ganzen Stress noch einmal über sich ergehen lassen (Klausurenfahndung: Ein bisschen Schwund ist immer).

Die Ursache für solche fatalen Pannen ist vor allem struktureller Natur. Vielen Hochschulen fehlt seit Jahren einfach das nötige Geld, um frei werdende Lehrstühle neu zu besetzen. Für die Betreuung von Examenskandidaten steht somit immer weniger Personal zur Verfügung. Eiligst rekrutierte Privatdozenten oder Gastprofessoren schaffen kaum Abhilfe - den einen fehlt häufig die Prüfungsberechtigung und die anderen sind oft nur für zu kurze Zeit an einer Hochschule.

Dozenten Mangelware

Am Institut für Kommunikationswissenschaft an der TU Dresden herrschen besonders katastrophale Zustände. Dozenten waren Mangelware, und auf zwei Lehrstühle kamen hier im vergangen Jahr fast 600 Studenten - 138 von Ihnen standen unmittelbar vor dem Examen. Instituts-Direktor Wolfgang Donsbach betreut in jedem Semester "so um die 30" Magisterkandidaten. Nach Angaben des Fachschaftsrates mussten die Prüflinge im Schnitt fast vier Wochen auf einen 15-minütigen Termin in seiner überfüllten Sprechstunden warten.

Donsbach räumt ein, dass unter solchen Bedingungen Pannen passieren können: "Bei einem Studenten habe ich in der Klausur das falsche Themengebiet abgefragt." Er fragte den Studenten noch vor der Korrektur, ob dieser Widerspruch einlegen wolle. "Der hat aber verzichtet, da ihm die Klausur trotzem gut gelungen war. Sonst hätte er nochmal schreiben dürfen."

Doch Prüfungspannen sind kein rein deutsches Phänomen. Auch im belgischen Gent mussten etliche Pädagogik-Studenten ohne eigens verschulden nachschreiben. Der Grund: Ein Studententraum war in Erfüllung gegangen, und ihr Professor hatte bei der Examens-Klausur die Antworten gleich mitgeliefert (Pleiten, Pech & Pannen: Prüfungsfragen mitsamt Antworten). Zur Freude der Prüflinge war bei dem Multiple-Choice-Test schon alles richtig angekreuzt, als sie die Frage-Bögen entgegennahmen. Doch der Fehler flog auf und die Klausur musste wiederholt werden - diesmal jedoch ohne Antworten.

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