
Exzellenzinitiative Wer wird Forschungs-Millionär?
Der Erfolg beim Führen einer stellte sich früher langsam ein. In nur einem einzigen Moment berühmt zu werden oder den Ruf zu verlieren, war Sportlern oder Sängern vorbehalten. Heute ist das anders. Heute kann sich das Schicksal von Universitätspräsidenten an einem einzigen Tag entscheiden - immer dann, wenn die Gewinner der Exzellenzinitiative bekannt gegeben werden.
An einem Tag Mitte Juni 2012 werden die Gutachter im Elite-Wettstreit ihre Entscheidung fällen. In wenigen Tagen, am 1. September, müssen die Unis ihre Antragsskizzen eingereicht haben. Im April hatten 66 Universitäten 247 neue Vorhaben avisiert. Hinzu kommen 85 Projekte aus der ersten Runde, die sich um eine Fortsetzung bemühen: 39 Graduiertenschulen, 37 Exzellenzcluster und neun Elite-Universitäten. In den anstehenden Entscheidungen geht es um öffentliche Anerkennung und darum, wie weitere 2,7 Milliarden Euro bis zum Ende der zweiten Förderperiode 2017 verteilt werden. Das sind noch einmal 0,8 Milliarden Euro mehr als in Runde eins.
Ob die Summe viel ist oder wenig, darüber ließe sich zwar trefflich diskutieren. Nur führt das nicht weiter. Die Frage ist eher, ob das Geld richtig investiert wird. "Die Exzellenzinitiative ist als Instrument sehr gut", sagt der Vorsitzende des Wissenschaftsrates, Prof. Dr. Peter Strohschneider. "Wann hat es zuvor so viel Wirkung mit so wenig Geld gegeben?" Die Einschätzung teilen viele. So spricht die Politikwissenschaftlerin Dr. Dagmar Simon vom Wissenschaftszentrum für Sozialforschung Berlin (WZB) von den selbstverstärkenden Effekten der Exzellenzinitiative. "Die Exzellenzinitiative ist derzeit die Reputationsmaschine", sagt Simon, Leiterin der Forschungsgruppe Wissenschaftspolitik am WZB.
Andere gehen weiter. Für sie wird in dieser Runde darüber entschieden, wer zur Spitze gehört, wenn in sieben Jahren der letzte Euro des Exzellenzwettbewerbs ausgegeben ist. So motiviert der Rektor der Universität Hohenheim, Prof. Dr. Hans Peter Liebig, seine Professoren zum Antragschreiben, indem er prophezeit: Nach dem Auslaufen der Exzellenzinitiative würden die aufgebauten Kapazitäten weiter erhalten bleiben. Die dazu nötigen Mittel würden dann an anderer Stelle aus der Hochschulfinanzierung gekürzt. "Es zeigt sich also, welche große Bedeutung das erfolgreiche Bestehen in der Exzellenzinitiative für die Universität hat", sagt Liebig.
Das läuft positiv formuliert auf das hinaus, was Kritiker monieren, wenn sie vom Matthäus-Prinzip sprechen: Wer hat, dem wird gegeben. Wer 2017 Exzellenz-Profiteur ist, wird es lange bleiben. Manche Unis haben ihre Position bereits im Wortsinn auf Jahre betoniert: Baukräne kreisen über den Exzellenz- . Forscher vor die Tür zu setzen, kurz nachdem sie ihre Labors bezogen haben - dem Steuerzahler wäre das kaum zu vermitteln.
"Ich denke, wir können nicht endlos Exzellenzinitiative machen"
Solche langfristigen Folgen hatte der Soziologe und Elitenforscher Prof. Dr. Michael Hartmann von der TU Darmstadt bereits vor Jahren beschrieben: "Die Exzellenzinitiative wird jene Differenz zwischen Elite und Massenhochschulen in den nächsten Jahren als real erst schaffen, die festzustellen sie jetzt vorgibt." Einer der bekanntesten Kritiker der Exzellenzinitiative, der Bamberger Soziologie Prof. Dr. Richard Münch, warnte kurz darauf vor einem Verdrängungsprozess, wenn Forschung an privilegierten Standorten konzentriert wird.
Aber auch die Fans der Exzellenzinitiative denken längst über 2017 hinaus. Im vergangenen Jahr preschte als erster der baden-württembergische Wissenschaftsminister Prof. Dr. Peter Frankenberg (CDU) vor. "Ich denke, wir können nicht sozusagen endlos Exzellenzinitiative machen", sagte er, noch bevor die zweite Runde des Wettbewerbs richtig begonnen hatte. Dabei räumte auch er ein, dass die bis 2017 getroffenen Entscheidungen die Zukunft mitprägen werden: Die Exzellenz-Einrichtungen dürften nach Abschluss der Initiative nicht allein gelassen werden. Das investierte Geld wäre sonst verschwendet.
Wettstreit mit Nebenwirkungen: "ein Heer von Doktoranden"
Ideen für die Ära nach der Exzellenzinitiative gibt es also schon, die Debatte darüber läuft an. Welche Entscheidung für die Zeit nach 2017 am Ende auch gefällt werden mag, für Strohschneider steht fest: "Die Hochschulen sind strategiefähiger geworden - die geförderten und auch die nicht geförderten", sagt der Vorsitzende des Wissenschaftsrates. Die Universitäten machten sich mehr Gedanken über ihre Entwicklungsperspektiven, ihre Stärken und Schwächen. "Das ist ein zentraler Effekt der Exzellenzinitiative."
Klar ist heute aber auch, dass die Exzellenzinitiative ungewollte Nebenwirkungen hat. "Sie kann bundesweit gesehen zu Ungleichgewichten zwischen den Fächern und zu Überspezialisierung ganzer Wissenschaftlergenerationen führen", warnt die Berlin Brandenburgische Akademie der Wissenschaften in einer Studie über den Elite-Wettbewerb.
Für eine mögliche Exzellenzinitiative 3.0 drängt sie in ihrer Studie auf Verfahren, die transparenter, kriteriengeleiteter, mit mehr Zeit versehen und fachspezifischer zugeschnitten sein sollen. Studien-Mitautor Prof. Dr. Michael Zürn vom WZB schlägt vor, erst in Wissenschaftsbereichskörben etwa für Sozial oder Lebenswissenschaften eine Rangfolge zu ermitteln. Es gehe darum, "das Problem der bloßen Fiktion der Vergleichbarkeit des Verfahrens über Fächergruppen hinweg zu lindern".
Unerwünschte Nebenwirkungen
WZB-Expertin Simon sieht den "enormen Mobilisierungsschub, der durch die Universitäten gerauscht ist". Auch sie warnt vor einer Überspezialisierung, die für Kernaufgaben wie grundständige Lehre am Ende wenig nütze. "Das hat Verdrängungseffekte", mahnt sie. Zudem fehle eine Koordinierung - eine Steuerung, was wo eigentlich gefördert werde. Simon warnt auch vor den Grenzen wettbewerblicher Verfahren: "Wenn aus Partnern plötzlich Konkurrenten werden, ist irgendwann vielleicht auch ein Grenznutzen erreicht."
Schon in der ersten Runde des Elite-Wettbewerbs kam es zu einem Kampf um die besten Köpfe. In kurzer Frist waren 4000 Stellen zu besetzen. Die Unis jagten sich gegenseitig die Forscher ab, selbst Doktoranden wurden abgeworben. Simon warnt, die Masse der hoch spezialisierten Nachwuchsforscher stehe am Ende vor einer ungewissen Zukunft: "Wir werden ein Heer von Doktoranden haben, die nur ganz wenige Chancen im deutschen Wissenschaftssystem haben." Es wäre schon viel, wenn am Ende jeder Zehnte untergebracht würde. "Beim Denken in einem Karrieresystem ist das amerikanische System besser aufgestellt", erklärt Simon. Dabei hält sie die Zurückhaltung der Unis beim Angebot von Dauerstellen für verständlich - schließlich sei das über Wettbewerbe vergebene Geld stets befristet.
Wenn aus Partnern plötzlich Konkurrenten werden
Der Verzicht auf eine verlässliche Finanzierung schafft Probleme und macht auch jenen Sorgen, die an den Exzellenz-Milliarden per Definition so gut wie gar nicht teilhaben können: den . "Alle im Hochschulbereich sehen mit Sorge, wie stark sich im letzten Jahrzehnt die Sache von einer soliden Grundfinanzierung zu einer Projektfinanzierung hinentwickelt hat", sagt Prof. Dr. Joachim Metzner, Präsident der Fachhochschule Köln und Vizepräsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK).
Doch selbst Fachhochschulchef Metzner betont die positiven Effekte der Exzellenzinitiative, die über 2017 hinaus gerettet werden sollten. Durch den Wettbewerb sei "ein fatales Gleichheitspostulat ins Wanken gekommen", sagt er, "bei den Universitäten, aber auch bei den Fachhochschulen". Jeder suche eigene Qualitäten und Schwerpunkte. Die Verhältnisse dürften darum nach Ende des Wettbewerbs nicht erneut erstarren. Klar ist darüber hinaus aber auch: Exzellenz-Universitäten sollen sich nicht auf den einmal erreichten Lorbeeren ausruhen dürfen. Die Dynamik tunlichst im System zu halten, ist denn auch Anliegen des Wissenschaftsrates.
Die Ausgangsbedingungen dafür sind so schlecht nicht. So sieht Peter Strohschneider Kandidaten für Spitzen-Universitäten und Verfolger unter jenen, die in der Exzellenzinitiative Erfolg hatten. Das Feld bestehe nicht nur aus Universitäten, die Zuschüsse für die Umsetzung ihrer Zukunftskonzepte erhalten, betont Strohschneider. Es gebe auch die beiden anderen Förderlinien, mit denen Graduiertenschulen für den wissenschaftlichen Nachwuchs und Exzellenzcluster für die Spitzenforschung unterstützt werden. Manche Hochschule habe durch große Erfolge in diesen beiden Förderlinien fast so viele Mittel gesammelt wie eine Universität, die für ihr Zukunftskonzept Geld bekommt. "Da bildet sich ein Verfolgerfeld heraus", sagt Strohschneider.
Bund muss im Boot bleiben
Um die gewünschte Dynamik im System zu halten, wird allerdings auch weiterhin Geld nötig sein. "Ich stelle mir vor, dass nach zwei Förderperioden die dann erreichten Leistungsniveaus der geförderten Universitäten eine gute Entscheidungsgrundlage bilden könnten, um zu einer differenzierteren Universitätsfinanzierung zu gelangen, an der sich langfristig dann auch der Bund beteiligt", sagt Strohschneider. "Wenn man an einigen Standorten international konkurrenzfähige Spitzenforschung haben will, dann ist dafür mehr Geld erforderlich als für den Normalbetrieb - und selbst der ist hierzulande ja seit Jahrzehnten strukturell stark unterfinanziert."
Den Bund wollen auch andere nicht mehr aus der Verantwortung lassen - und so könnte eine Lockerung des Kooperationsverbots von Bund und Ländern in der Bildung eine bleibende Folge des Elitewettbewerbs sein.
"Die Exzellenz wird nur zu halten sein, wenn der Bund in der Größenordnung von ein bis zwei Milliarden Euro jährlich bei der Finanzierung der Forschung mithilft", mahnte Baden-Württembergs Wissenschaftsminister Frankenberg schon vor Monaten. Studienautor Leibfried stellt ebenfalls fest: "Es ist auf lange Frist unabdingbar, dass erhebliche Bundesmittel in solche Verbesserungen des Wissenschaftsstandortes Deutschland fließen." Exzellenz könne man als Projekt angehen, erklärt er. "Man muss dann aber nachhaltig mit Strukturpolitik nachfassen."
Frank von Bebber ist Journalist in Frankfurt/Main