
Gleichstellung in der Wissenschaft: Ran die Professuren!
Männer-Domäne Hochschulprofessur Frauen in die erste Reihe
Um Professorin für Neuere deutsche Literaturwissenschaft zu werden, brauchte Sigrid Nieberle Durchhaltevermögen. Bis sie mit 40 Jahren ihren Ruf an die Universität Erlangen-Nürnberg bekam, war es ein langer Weg mit vielen Unsicherheiten. "Bevor ich Prof wurde, habe ich in befristeten Beschäftigungsverhältnissen gearbeitet", sagt die heute 46-Jährige. "Ich habe keine Kinder - und viele meiner Kolleginnen auch nicht."
Professorinnen wie Nieberle sind immer noch die Ausnahme. Zwar ist die Zahl der Lehrstuhlinhaberinnen in den vergangenen Jahren stetig angestiegen. 2012 waren es rund 8900, im Jahr 2002 nur rund 4500, das geht aus Erhebungen des Statistischen Bundesamts hervor. Trotzdem lag der Frauenteil 2012 im Durchschnitt nur bei 20 Prozent, der der Habilitationen immerhin bei 27 Prozent (siehe Grafik). In den Ingenieurwissenschaften ist nur jeder zehnte Lehrstuhl mit einer Frau besetzt.

Berühmte Professorinnen: Bekannt aus Film, Funk und Fernsehen
Dass nur verhältnismäßig wenige Frauen Professorin werden, liegt nach Meinung von Jutta Dalhoff, Leiterin des Kompetenzzentrums Frauen in Wissenschaft und Forschung, an den Strukturen im Wissenschaftssystem: Unterhalb der Professur gibt es kaum unbefristete Stellen. Gleichzeitig entscheidet sich häufig erst in einem Alter von 40 Jahren, ob Nachwuchswissenschaftler einen Ruf an die Hochschule erhalten. Vielen jungen Frauen ist diese Karriereperspektive zu unsicher.
Hinzu kommt, dass längere Auszeiten vor der Berufung ohne Karriereeinbußen kaum möglich sind: Zu viele Nachwuchsforscher konkurrieren um die wenigen Stellen. Viele Frauen wissen nicht, wie sie Karriere und Familie miteinander vereinbaren können.
Nicht darauf warten, entdeckt zu werden
Die Politik hat das Problem erkannt: Um die Gleichstellung von Männern und Frauen im Wissenschaftssystem voranzubringen, gibt es seit mehreren Jahren das Professorinnenprogramm der Bundesregierung. Hochschulen können nun Fördermittel erhalten, wenn sie eine Frau zur Professorin berufen.
Daneben haben Universitäten zunehmend Mentoring- und Nachwuchsförderprogramme speziell für Wissenschaftlerinnen aufgelegt. "Diese Angebote sollten angehende Professorinnen in Anspruch nehmen", empfiehlt Dorothea Jansen, sie leitet das hochschulübergreifende Programm Profil - Professionalisierung für Frauen in Forschung und Lehre.
Solche Angebote bieten die Chance, Mentoren kennenzulernen. Außerdem erfahren Frauen so, wie Berufungsverfahren ablaufen oder worauf Auswahlkommissionen besonders achten. Außerdem gebe es Berufungstrainings sowie Tipps zu den informellen Regeln im Wissenschaftssystem.
Gibt es an der Hochschule kein entsprechendes Programm, sollten Nachwuchsforscherinnen selbst das Gespräch mit dem Professor oder der Professorin suchen, rät Jansen. Wie vernetze ich mich in der Wissenschaftsgemeinschaft? Welche Auslandsaufenthalte sollte ich anstreben? Zu welchen Tagungen und Konferenzen sollte ich gehen? Professoren wüssten Antworten auf diese Fragen.
Zudem sollten Frauen so viel wie möglich netzwerken. Um sich innerhalb der Wissenschaftsgemeinde zu positionieren, sei es zum Beispiel unumgänglich, die eigene Forschung immer wieder auf Tagungen vorzustellen, sagt Jansen.
Wichtig sei, nicht darauf zu warten, entdeckt oder von jemandem gefördert zu werden. Das passiere oft nicht, warnt Literaturprofessorin Nieberle. Stattdessen müssten Nachwuchsforscherinnen selbst Fördermöglichkeiten für sich entdecken. Klug ist auch, sich an der Hochschulpolitik zu beteiligen und in Gremien mitzuarbeiten. Auch das gewähre Einblicke in die Funktionsweise des Wissenschaftsbetriebs.
Damit in Zukunft mehr Frauen den Weg zur Professur einschlagen, muss sich in den Augen von Sigrid Nieberle noch einiges tun. Zuweilen bekommt Nieberle Post, die an "Herrn Prof. Nieberle" adressiert ist. Sie kann dann zwar darüber schmunzeln. "Trotzdem zeigt das ja, dass der Prof in den Köpfen vieler Menschen noch immer männlich ist", sagt sie.

Frauen bleiben beim Wettlauf um Professorenposten oft auf der Strecke. Biophysik-Professorin Petra Schwille empfiehlt deshalb: erst Karriere und dann Kinder machen. Die Anthropologinnen Victoria Hegner und Anna-Carolina Vogel widersprechen: Wer solche Ratschläge gibt, passt sich an. mehr...