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Frauen und Karriere "Immer an die Eins sprechen!"

Wenn der Platzhirsch röhrt, bleibt die Hirschkuh meist stumm. Als Coach bringt Marion Knaths Managerinnen die Codes der Alphatiere bei. Im Interview spricht die Hamburger Unternehmensberaterin über Eiertänze in Männerrunden - und erklärt, wie Frauen gegenhalten können.

SPIEGEL ONLINE: Frau Knaths, in dieser Woche erscheint in Deutschland ein Buch der amerikanischen Entwicklungspsychologin Susan Pinker über das "Geschlechterparadox". Die Autorin behauptet darin, Frauen seien aufgrund ihrer biologischen Natur ungeeignet, in den männlich geprägten Hierarchien unserer Arbeitswelt nach oben zu gelangen und zu führen - das müsste Sie doch ärgern.

Knaths: Nein. Ich weiß ja, dass Frauen führen können und wollen. Schließlich habe ich das selbst lange Zeit erfolgreich getan. Aber ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass Frauen Hürden nehmen müssen, die für Männer gar nicht existieren. Die Kommunikation der Macht in Unternehmen bereitet ihnen Schwierigkeiten: Wer darf wen unterbrechen oder anfassen? Wer grüßt wen und wie laut? Wie folgt Verbrüderung auf Foulspiel? Wie stecke ich dem Chef, dass ich der Tollste bin? Männern fällt das in den Schoß. Sie haben ja die Spielregeln gemacht.

SPIEGEL ONLINE: Und der Ursprung der unterschiedlichen Codes ist naturgegeben?

Knaths: Ob sie durch Biologie oder Umwelt gemacht sind, darüber streitet die Wissenschaft schon lange - ich denke, es ist beides. Entscheidend ist für mich, dass Frauen diese Codes der Männerwelt entschlüsseln lernen und für sich nutzen können.

SPIEGEL ONLINE: Kommunizieren Männer und Frauen denn tatsächlich so unterschiedlich?

Knaths: Im Großen und Ganzen ja. Es sind völlig verschiedene Systeme. Das können Sie schon bei Kindern beobachten: Bei Jungs geht es ums Gewinnen. Und auf dem Fußballplatz gibt es nur einen, der pfeift. Wenn Mädchen gemeinsam mit Puppen spielen, gibt es keine Gewinner und Verlierer. Sie achten genau darauf, dass nicht immer die Gleiche die Regeln bestimmt. Sonst macht es der anderen nämlich keinen Spaß mehr. Und mit diesen - individuell sicher unterschiedlich stark ausgeprägten - Haltungen gehen die beiden Geschlechter später auch ihre Karriere an: Männer denken in Hierarchien, Frauen in Netzwerken.

SPIEGEL ONLINE: Ein Wettbewerbsnachteil in der männlich geprägten Arbeitswelt?

Knaths: Zumindest tun sich Frauen deshalb mit der wichtigsten Spielregel der männlichen Machtkommunikation besonders schwer.

SPIEGEL ONLINE: Die lautet?

Knaths: Rangordnung vor Inhalt! Stellen Sie sich eine Konferenz vor, bei der es keinen klaren Anführer gibt: Männern geht es in den ersten 15 Minuten eines Meetings nur darum, ihre Position innerhalb der Rangordnung zu definieren. Wenn Sie die einzige Frau in der Runde sind, werden Sie dieses Platzhirschgebaren vermutlich als Zeitverschwendung betrachten. Sie sagen nichts, damit man schneller zu den Inhalten kommt; schließlich wartet noch eine Menge Arbeit auf Ihrem Schreibtisch. Die Folge ist, dass Sie, wenn die Sacharbeit losgeht, durch ihre Zurückhaltung in den Augen der Kollegen schon auf Platz zehn von zehn gelandet sind. Das bedeutet: Ihnen traut keiner was zu.

SPIEGEL ONLINE: Was raten Sie?

Knaths: Frauen müssen sich bemerkbar machen, auch wenn es Ihnen albern vorkommt. Und wenn es einen Ranghöchsten gibt: immer an die Eins sprechen! Frauen reden gerne in die Runde, um Gemeinsamkeit herzustellen. Aber es nützt nichts, wenn die Nummer sieben und acht Ihrem Vorschlag zustimmen, während der Chef genervt den nächsten Tagespunkt auf der Vorlage sucht. Männer sprechen immer zum Anführer hin. Sie wissen: Wenn er mir zuhört, hören auch alle anderen zu.

SPIEGEL ONLINE: Sie trainieren Frauen- und Männergruppen. Wie unterscheiden sie sich?

Knaths: Wenn ich eine Gruppe aus einer Firma trainiere, von der Geschäftsführerin bis zur Abteilungsleiterin, weiß ich manchmal nach drei Minuten noch nicht, wer die Geschäftsführerin ist. Das liegt daran, dass Frauen dazu neigen, Hierarchien einzuebnen. Die weibliche Eins wird ihre Position nicht so raushängen lassen, und alle anderen werden ihr das als Stärke anrechnen: toll! Die hat es nicht nötig. Bei einer Männergruppe weiß ich nach zwei Sekunden, wer die Eins ist. Weil Männer sich immer wie Kompassnadeln nach Norden zur Eins hin ausrichten. Das bedeutet, dass die weibliche Eins in einer gemischten Gruppe Probleme bekommt, wenn sie ihren Rang nicht deutlich macht.

SPIEGEL ONLINE: Wie demonstriert die männliche Eins ihren Status?

Knaths: Achten Sie mal auf die Körpersprache: Wer sitzt bei der Konferenz am breitesten im Sessel? Wer entert den Raum mit dem meisten Schwung, wer grüßt am lautesten, setzt sich am geräuschvollsten, redet am längsten? Richtig! Die Eins. Führungsfrauen dagegen müssen oft üben, sich den entsprechenden Raum zu nehmen - zum Beispiel, indem sie sich Redezeit genehmigen und ihre Arme dabei souverän über die Sessellehne breiten, statt die Hände brav im Schoß zu falten. Aber Frauen dürfen es mit der Fläzerei auch nicht übertreiben. Was bei Männern negativ wirkt - auch Brüllen oder zotige Sprüche - sollten sie auf keinen Fall imitieren, sonst kippt das Ganze in Richtung Mannweib. Wie es richtig geht, können Sie sehr schön bei Anne Will beobachten: Unten die Beine telegen gefaltet - oben breites Kreuz. Schließlich darf sie sich von den Alphatieren dieser Republik nicht verfrühstücken lassen.

Eiertänze in der Männerrunde - wenn der Kritiker zum Hofnarren wird und Männer um den fünf PS stärkeren Dienstwagen kämpfen

SPIEGEL ONLINE: Was bringen Sie Männern über Frauen bei?

Knaths: Ein Verständnis für die hierarchiebefreite, extrem sachorientierte Kommunikation der Frau. Wenn eine Frau erst mal zuhört und nichts sagt, bedeutet das nicht, dass sie nichts zu sagen hat. Aber genau so verstehen das die Männer und stufen sie runter. Auch, dass Frauen stärker an Inhalten als an destruktiven Spielen interessiert sind, ist ein Nutzen, der in unserer Gesellschaft noch nicht ausreichend gewürdigt wird. Ein anderer wichtiger Punkt, der zu Verwerfungen führt, ist das Üben von Kritik.

SPIEGEL ONLINE: Inwiefern?

Knaths: Sie werden selten erleben, dass ein Mann vor versammelter Mannschaft offen in Opposition zur Nummer eins geht. Und wenn doch, können Sie davon ausgehen, dass einer von beiden zwei Monate später nicht mehr da ist. Oder der Kritiker ist der Hofnarr. Frauen dagegen widersprechen freimütig. Sie glauben ja, dass es in diesem Meeting ausschließlich um die Sache geht. Der Bedeutung der Rangordnung sind sie sich dabei oft gar nicht bewusst. Aber der Hierarch wird die Kritik in der Sache als Angriff auf seine Position empfinden und niederschlagen - ein klassisches Missverständnis.

SPIEGEL ONLINE: Wollen Sie damit sagen, Frauen sollen nicht widersprechen?

Knaths: Ach wo! Sie müssen nur lernen, es als Zustimmung zu verpacken, wie Männer das intuitiv tun. Führt der Chef wortreich seine Ansichten aus, fällt ihm die Frau womöglich ins Wort: "Also, ich halte für grundverkehrt, was Sie sagen ...". Der Kollege Schröder hingegen sagt im richtigen Moment: "Das ist ein ganz wesentlicher Punkt, den Sie gerade angesprochen haben. Ich möchte dazu noch etwas ergänzen ...". Und dann sagt er alles, was er denkt.

SPIEGEL ONLINE: Ist das nicht, gelinde gesagt, etwas überdiplomatisch?

Knaths: In einer Frauenrunde können Sie sich solche Eiertänze sparen. Aber wenn Sie wollen, dass Ihr Beitrag in einer Männerrunde ernst genommen wird, und Sie irgendwann eine Position bekommen, in der Sie Dinge nach Ihren Vorstellungen gestalten können, dann bringt Sie glasklar formulierter Widerspruch zur Nummer eins nicht nach vorn.

SPIEGEL ONLINE: Aber Posten, Status und Geld, so sagt die Entwicklungspsychologin Pinker, seien Frauen sowieso viel weniger wichtig als Männern.

Knaths: Ich würde es so sagen: Keine Frau will schlecht verdienen, erst recht nicht weniger als der Kollege für die gleiche Arbeit. Geld und Posten sind nur nicht so entscheidend für ihren Selbstwert. Aber sie wollen sehr wohl inhaltlich Einfluss nehmen. Also müssen sie dazu an die entsprechenden Positionen gelangen und sich dort auch behaupten. Dafür gibt es Hilfsmittel: Statussymbole. Männer wissen bei der Beförderung genau, welches Dienstwagenmodell ihnen zusteht. Sie kämpfen um fünf PS mehr. Frauen sagen: Was soll ich mit dem dicken Auto? Mit meinem kleinen kriege ich in der Stadt einen Parkplatz, und hinten passen die Wasserkästen rein. Aber wenn die Frau ihr kleines praktisches Auto vor der Firma auf der Straße parkt, hat sie schon mal das Garagenspiel verloren. Nicht mal der Pförtner wird sie ernst nehmen. Wollen Frauen in Führungspositionen respektiert werden, müssen sie sich die PS, das größere Zimmer und den Besprechungstisch nehmen. Und natürlich das entsprechende Geld! Alles, was sie kriegen können. Sonst legen ihnen die geschätzten Kollegen das als Schwäche aus.

SPIEGEL ONLINE: Hört man Ihnen zu, könnte man meinen, Sie betrachten das Trainieren männlicher Rituale und Verhaltensweisen als eine Art Frauensport. Stützen Sie damit nicht in Wahrheit die männlichen Alphatierrituale?

Knaths: Nein. Meine Klientinnen sollen sich ja nicht innerlich anpassen und verbiegen. Sie bleiben Frauen mit ihren weiblichen Stärken und Fähigkeiten. Ich vermittle ihnen ein Repertoire, mit dem sie diese ergänzen können. Es geht darum, dass sie erfolgreicher mit ihren Inhalten punkten, ihr Gehalt verbessern und gelassener die Karriereleiter hinaufsteigen.

SPIEGEL ONLINE: Und was geschieht, wenn sie oben angelangt sind?

Knaths: In gemischten Gruppen bestimmt die Nummer eins die Kommunikation. Aber schon ab einem Anteil von etwa 30 Prozent Frauen in einer männlich geprägten Gruppe, sagen Experten, kippt das System. Das ist natürlich das Ziel dieses Marsches durch die Institutionen. Es müssen nur genügend Frauen bis nach oben durchkommen, damit sie selbst die Spielregeln verändern können.

Das Interview führte Beate Lakotta

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