Gehaltsreport Was Journalisten verdienen
Anne Zipfel* wurde abserviert nach Sozialplan. Nach über sieben Jahren Redaktionszugehörigkeit erhielt die Fachjournalistin bei einem großen Hamburger Medienunternehmen eine betriebsbedingte Kündigung. Die Verlagsleitung, so teilte man ihr mit, habe Konsequenzen aus der handfesten Anzeigen- und Werbekrise im Medienbereich gezogen. Auch fünf weitere Kollegen - alle ausgewählt nach Sozialplan - wurden betriebbedingt gekündigt. Die Abfindung, die Anne Zipfel aushandelte, war da lediglich ein kleines finanzielles Pflaster.
Ein Sonderfall im Medienbusiness ist das keineswegs, in den letzten drei Jahren eher ganz normal. Nach Schätzungen des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV) sind bis zu 10.000 der insgesamt etwa 70.000 hauptberuflich tätigen Journalisten in Deutschland de facto arbeitslos.
Viele andere schlagen sich mit befristeten Arbeitsverträgen durch. Hanna Brühl* hat trotz Volontariat, Studium und einigen Jahren Berufserfahrung in der Programmredaktion einer Fernsehzeitschrift lediglich einen befristeten Zweijahresvertrag erhalten. Und das bei einer neu gegründeten Tochtergesellschaft des Verlages - und damit zu wesentlich schlechteren Konditionen. Auch dies kein Einzelfall: Die Journalistengewerkschaften DJV und IG Medien beobachtet eine deutliche Zunahme solcher befristeter Verträge und Ausgründungen.
Tarifverträge gelten nicht überall
Von den etwa 45.000 fest angestellten Journalisten in Deutschland arbeitet das Gros bei Tageszeitungen (31 Prozent) und beim Rundfunk (26 Prozent). Der Rest verteilt sich auf Zeitschriften (20 Prozent), Pressestellen (16 Prozent), Agenturen und Pressebüros (4 Prozent) sowie Online und Multimedia (3 Prozent).
Die Gehälter für Redakteure sind tariflich in Flächentarifverträgen oder Haustarifverträgen - wie sie große Verlage oder Sender haben - festgelegt. Viele Arbeitgeber im Medienbereich jedoch sind keinem dieser Tarifverträge angeschlossen. Das Gehalt wird dann frei ausgehandelt.
Die Gehaltsexperten der Vergütungsberatung PersonalMarkt haben die Daten aus der Medienbranche ausgewertet: Redakteure mit bis zu zwei Jahren Berufserfahrung verdienen, unabhängig vom Medium, durchschnittlich etwa 34.000 Euro. Die Bandbreite liegt jedoch zwischen 26.400 Euro und 40.000 Euro jährlich. Wer mehr als zwei Jahre Berufserfahrung hat, kommt auf durchschnittlich 43.600 Euro im Jahr. Das Gehaltsspektrum reicht hier von 32.500 Euro bis 51.800 Euro jährlich.
Viele Wege führen in den Journalismus
Einen deutlichen Sprung nach oben macht das jährliche Salär, wenn die Position des Redakteurs mit Personalverantwortung verbunden ist: Ein Chefredakteur beispielsweise bekommt durchschnittlich rund 69.500 Euro jährlich. Allerdings kann man davon ausgehen, dass gerade die Spitzenverdiener unter den Chefredakteuren ihre Gehälter nicht in der Datenbank preisgegeben haben; bei großen Magazinen und Zeitungen dürften die Einkommen deutlich höher liegen.
Journalist oder Redakteur nennen kann sich in Deutschland grundsätzlich jeder. Anders als in anderen Ländern ist die Berufsbezeichnung nicht geschützt, es ist nicht einmal eine spezielle Ausbildung nötig. Mehrere Ausbildungsmöglichkeiten führen in den Journalismus: Dazu gehören Journalistenschulen, journalistische Studiengänge an einer Universität oder, als klassischer Weg, ein Volontariat. Hinzu kommen an Privatschulen Lehrgänge zum Fachredakteur oder Umschulungen und Weiterbildungen sowie Autodidaktentum durch konsequentes "Learning by doing".
Mehr als 80 Prozent aller journalistischen Berufsanfänger (rund 2400) absolvieren nach Angaben des DJV ein Volontariat - ein in der Regel zweijähriges befristetes Anstellungsverhältnis in einem Medienbetrieb, in dem mehrere Ressorts durchlaufen werden. Das Jahresbruttogehalt eines Volontärs - unabhängig von Ausbildungsmedium und Ausbildungsjahr - liegt laut PersonalMarkt bei rund 23.830 Euro, also knapp 2000 Euro brutto pro Monat. Volontäre sind im Durchschnitt übrigens 26 Jahre alt.
Drei Viertel mit Hochschulabschluss
Für ein Volontariat wird heute in der Regel ein Studium vorausgesetzt. Die von PersonalMarkt untersuchten Daten ergeben, dass 46 Prozent aller Redakteure einen Magisterabschluss und etwa 29 Prozent einen anderen Hochschulabschluss haben. Tim Böger, Geschäftsführer von PersonalMarkt, überrascht das nicht: "Auch in der Medienbranche gibt es einen deutlichen Trend zur Höherqualifikation."
Anne Zipfel ist da eine Ausnahme: Sie hat nicht studiert. Nach dem Volontariat bei einer regionalen Tageszeitung ist sie in den Fachjournalismus eingestiegen. Seit mehr als 15 Jahren arbeitet die heute 36-jährige Journalistin im Medienbusiness. Sie ist davon überzeugt, dass vor allem praktische Erfahrungen entscheidend für eine erfolgreiche Karriere sind.
Jede Menge Praxis, Kenntnisse des Redaktionsalltages und nicht zuletzt gute Kontakte sind bei den so genannten Unternehmensredakteuren gefragt. Es gibt viele Redakteure, die "auf die andere Seite des Schreibtisches wechseln", um nun selbst die Kollegen mit Informationen zu versorgen. Redakteure, die im breit gefassten Bereich PR/Kommunikation arbeiten, verdienen durchschnittlich etwa 41.270 Euro pro Jahr. Die Bandbreite der Gehälter ist hier besonders groß: Sie liegt zwischen 30.800 Euro und 48.000 Euro Jahresbruttogehalt.
Echte Spezialisten sind die Technischen Redakteure. Sie müssen eine leicht verständliche Bedienungsanleitung für eine Waschmaschine genauso schreiben können wie Informationen zu extrem komplexen und gefährlichen Produkten wie Flugzeuge oder Atomkraftwerke. Technische Redakteure erhalten ein Jahresbruttogehalt von durchschnittlich rund 40.000 Euro.
Bei den von PersonalMarkt ermittelten Gehaltszahlen fällt auf, dass Frauen im Medienbereich weniger verdienen. Während ein Redakteur auf durchschnittlich 46.530 Euro Gesamtjahresbruttogehalt kommt, erreicht eine Redakteurin lediglich 39.900 Euro. Auch im Bereich PR/Unternehmenskommunikation geht die Schere auseinander: Männer erhalten hier durchschnittlich 45.300 Euro, Frauen 38.500 Euro. Und auch der Chefredakteur verdient deutlich mehr als die Chefredakteurin - er 73.700 Euro, sie 56.700 Euro.
Hartes Brot für Freie
Die Zahl der freien Journalisten, die ihre Tätigkeit hauptberuflich ausüben, schätzt der DJV auf insgesamt über 22.500 mit steigender Tendenz. Denn in der Branchenkrise haben die Medienunternehmen Tausende von Redakteuren vor die Tür gesetzt. Da greift das alte Branchengesetz: Ein Journalist kann kaum arbeitslos sein, höchstens stellenlos. Viele entlassene Journalisten halten sich durch freie Mitarbeit über Wasser - häufig eher mühsam.
Was freie Journalisten verdienen, ist wegen der vielen unterschiedlichen Beschäftigungsformen und Mediensparten schwer zu ermitteln. Es gibt zwar einen Tarifvertrag, aber der gilt nur für "arbeitnehmerähnliche" freie Journalisten und wird von vielen Medienunternehmen ohnehin ignoriert. Die Gewerkschaften starten regelmäßig Einkommensumfragen, und die belegen eine wirtschaftlich stark angespannte Lage. So zeigte im vergangenen Jahr eine DJV-Umfrage unter freien Journalisten bei Zeitschriften, dass 41 Prozent unter einem Jahreseinkommen von 20.000 Euro blieben. Ein Drittel erreichte 20.000 bis 40.000 Euro, nur jeder vierte brachte es auf über 40.000 Euro - und das bei schlechterer sozialer Absicherung und meist längerer Arbeitszeit als bei fest angestellten Redakteuren.
Auch Anne Zipfel* wird bald zum Heer der "Freelancer" zählen. Sie will jetzt versuchen, als freie Journalistin Fuß zu fassen. Erste Aufträge hat sie bereits an Land gezogen - von ihrem alten Arbeitgeber.
Von Heike Friedrichsen, Personalmarkt.de
(* Name geändert)