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Hickhack um Juniorprofessur Linke Nummer an der FU Berlin

Albert Scharenberg ist Nordamerika-Spezialist an der FU Berlin - der beste Kandidat für die neue Juniorprofessur am renommierten JFK-Institut, empfehlen Gutachter. Nur das Uni-Präsidium will ihn nicht: zu alt, unqualifiziert. Kollegen vermuten ganz andere Gründe für die Ablehnung.

Es muss irgendwann Anfang des Jahres gewesen sein, so erzählt man sich an der Freien Universität Berlin, als sich Uni-Präsident Dieter Lenzen an den Computer gesetzt und den Namen Albert Scharenberg in die Google-Suchmaske getippt haben soll. Einige hundert Treffer spuckt die Suchmaschine über den promovierten Politologen und Historiker, den Nordamerika-Experten und Redakteur der renommierten "Blätter für deutsche und internationale Politik" aus.

Ziemlich weit oben in der Trefferliste führt auch ein Link zur Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS). Albert Scharenberg ist im Kuratorium: Zwei-, dreimal im Jahr setzt man sich zusammen, um die Stiftung, die der Linkspartei nahesteht, fachlich zu beraten. Jahre schon lehrt Scharenberg am John-F.-Kennedy-Institut der FU, gibt dort Seminare über "Race und Ethnicity in American Politics" oder "Schwarzen Nationalismus in den USA", auch die Einführungsvorlesung im Nordamerikastudiengang hat er bereits gehalten.

Nun hatte ihn eine Berufungskommission für die dort geplante Juniorprofessur für die Politikwissenschaft Nordamerikas empfohlen. Doch als Uni-Präsident Lenzen Scharenbergs RLS-Kontakte entdeckte, so wird kolportiert, soll er einen Entschluss gefasst haben: der nicht.

"Damit droht das Ende meiner wissenschaftlichen Karriere", sagt Albert Scharenberg, der um seine Reputation bangt. Er sei zu alt und unqualifiziert für die Juniorprofessur - so begründet das Präsidium offiziell die Ablehnung des langjährigen Mitarbeiters. Doch das glauben weder Scharenberg noch seine Kollegen. Sie sind sicher, der wahre Grund ist: Scharenberg ist der wirtschaftsnahen Uni-Leitung zu links. Lenzen wollte sich auf Nachfrage von SPIEGEL ONLINE dazu nicht äußern.

Präsidium kassiert Favoritenliste der Gutachter

Am JFK-Institut grassiert Aufregung über "dieses substanzlose Willkürurteil". Es hat nach mehr als einem Jahr einen Berufungsprozess jäh gestoppt, der angesichts der Lehrengpässe eigentlich rasch durchgezogen werden sollte.

Nach Ausschreibung der Juniorprofessur im Mai 2006 hatte die Berufungskommission unter Vorsitz der Professorin Margit Mayer schon bald ein paar Dutzend Bewerbungen gesichtet. Das neunköpfige Gremium lud sechs Favoriten zur öffentlichen Anhörung, siebte noch einmal, holte zwei externe Gutachten über die drei Top-Kandidaten ein und übergab dann die obligatorische Empfehlungsliste an den Fachbereichsrat der Politik- und Sozialwissenschaften. Mitte Januar stand für alle Beteiligten fest: Am besten qualifiziert für die Juniorprofessur ist Albert Scharenberg.

"Dann passierte erst mal nichts", erinnert sich ein Mitglied des Berufungszirkels, "irritierend" sei das gewesen, schließlich war doch Eile geboten. Doch erst am 7. Mai, fast vier Monate nach Übermittlung der Liste, ging bei der Dekanin des Fachbereichs ein Schreiben ein. Das Präsidium nahm Stellung zum Berufungsverfahren - und zwar vernichtend: Man habe beschlossen, heißt es in dem vom Ersten Vizepräsidenten Klaus W. Hempfer unterzeichneten Brief, die Kandidatenliste nicht an den Wissenschaftssenator weiterzuleiten. Stattdessen empfehle man eine Neuausschreibung der Juniorprofessur.

Offizielle Begründung: Der Erstplatzierte, also Scharenberg, sei "im Hinblick auf sein Lebensalter (42 Jahre) in keiner Weise ausreichend wissenschaftlich qualifiziert, um auf Exzellenzniveau in einem Bereich mitzuarbeiten, der als bisher einziger im Exzellenzwettbewerb erfolgreich war". Die FU Berlin hatte jüngst bei der Exzellenzinitiative den Zuschlag für die Förderung der "Graduate School of North American Studies" am JFK-Institut bekommen und ist auch im Eliteuni-Finale der zweiten Runde.

Ein FU-Eigengewächs - aber nicht qualifiziert

Dabei ist aus der Kommission zu hören, unter den Bewerbern sei "niemand auch nur annähernd so geeignet gewesen", der Kandidat "sozial hoch kompetent" und "anerkannt". Der Kasseler Politikwissenschaftler Christoph Scherrer stellte als externer Gutachter fest, dass der Favorit "voll dem Ausschreibungsprofil der Professur" entspreche.

Seine akademischen Abschlüsse machte Scharenberg ausschließlich an der FU - mit Bestnoten. "Kaum jemand ist so sehr ein Produkt der FU wie ich", sagt er von sich selbst. "Absurd" findet es ein Mitglied der Berufungskommission, "dass die eigenen Leute nun nichts wert sein sollen".

Das Alter: Scharenberg ist heute 42. Das klingt kaum nach Juniorprofessur, in der Tat. Der Karriereschritt war vor fünf Jahren eingeführt worden, um den wissenschaftlichen Nachwuchs Anfang und Mitte 30 früher selbständig forschen zu lassen und an eine reguläre Professur heranzuführen. Auch die beiden externen Gutachter wiesen im Bewerbungsverfahren auf das fortgeschrittene Alter hin - nicht nur Scharenbergs, sondern aller drei Bewerber der letzten Runde.

Scherrer äußerte jedoch "angesichts der raren wissenschaftlichen Assistentenstellen, insbesondere in seinem Spezialisierungsgebiet" ausdrücklich Verständnis für "die ressourciell bedingte Verzögerung" der akademischen Karriere Scharenbergs. Zudem dürfte dieser "schon bald" für den nächsten Karriereschritt qualifiziert sein und bedürfe keiner Einarbeitungszeit am JFK-Institut. "Albert Scharenberg würde sicher sehr schnell ordentlich habilitieren", ist auch aus der Berufungskommission zu hören.

Zudem war die FU bei anderen Juniorprofessuren weniger kleinlich: Im gleichen Fachbereich finden sich Wissenschaftler über 40 auf entsprechenden Posten, auch in den Erziehungswissenschaften lehrt eine Juniorprofessorin mit Jahrgang 1964.

Die Kollegen stellen sich hinter den Kandidaten - doch das Präsidium bleibt hart

Schwer nachvollziehbar ist auch, wieso sich das Präsidium mit der altersbegründeten Ablehnung so viel Zeit gelassen hat. Den Brief des Vizepräsidenten, der zweimal explizit die 42 Lebensjahre Scharenbergs anführt, erhielt die Dekanin nur wenige Tage nach dem Geburtstag des Bewerbers. Hatte man extra gewartet, bis der Favorit auf dem Papier noch ein Jahr älter war, um der Begründung mehr Nachdruck zu verleihen?

Dass man Scharenberg nicht wollte, schien jedenfalls schon deutlich eher festzustehen - und zwar weniger aus Alters- oder Kompetenzgründen. Signale aus dem Präsidium deuteten schon im Februar in eine ganz andere Richtung, heißt es aus Kreisen der Berufungskommission.

"Es steckt mehr dahinter als das Alter", sagt ein Mitglied. Ein anderes sagt: "Alle wissen, dass die Entscheidung irrational ist, sie hat allein einen politischen Hintergrund." Aus dem Umfeld des Präsidiums wird fast schon Abscheu für die Kuratoriumstätigkeit Scharenbergs überliefert: "Stellen Sie sich vor, der ist in der Rosa-Luxemburg-Stiftung." Hinter verschlossenen Türen werde auf höchster Ebene über linke Seilschaften und Verschwörungen spekuliert.

"Sind Sie Mitglied in einer kommunistischen Partei?"

Präsident Lenzen gilt als Manager-Typ. Er ist Botschafter des neoliberalen Thinktanks "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft", die FU machte er zur "unternehmerischsten Hochschule" des Landes. Ärger mit Personalien ist unter Lenzen nicht neu: Vor zwei Jahren sollte nach seinem Willen Wolfram Weimer, Chefredakteur des Magazins "Cicero", für das auch Lenzen als Autor tätig war, den Lehrstuhl für journalistische Praxis besetzen. Kurzerhand kassierte Lenzen die akademische Empfehlung, die einen Wissenschaftler favorisierte. Weimer zog schließlich seine Bewerbung zurück.

Fürchtet das wirtschaftsnahe Präsidium im Fall Scharenberg nun einen neuen Peter Grottian, jenen Politik-Prof, der immer wieder als linker Aktivist Schlagzeilen machte? In den vergangenen Monaten kam ein Kenner des Berufungsverfahrens einmal auf Scharenberg zu und scherzte in Anspielung auf die Kommunisten-Jagd in den USA der Mc-Carthy-Ära: "Sind Sie Mitglied in einer kommunistischen Partei?" Ist er nicht. Scharenberg hat kein Parteibuch, Kollegen beschreiben ihn als linksliberal.

Die Fachgremien weiß der Politologe klar hinter sich. Sowohl der Fachbereichsrat als auch der Institutsrat haben sich dem Druck des Präsidiums bislang nicht gebeugt. Im Gegenteil: Sie haben ihre Empfehlung pro Scharenberg mit klaren Voten bekräftigt und dies der Universitätsleitung in einem Schreiben Ende Juli übermittelt. Darin schlägt die Berufungskommission auch vor, weitere auswärtige Gutachten einzuholen.

"Kein guter Stil"

Doch das Präsidium antwortete nicht, schlug bislang auch Gesprächsangebote des Gremiums und des Bewerbers aus. Dabei ist nicht einmal klar, ob das Präsidium überhaupt das Recht hat, die Empfehlungsliste zurückzuweisen und auf einer Neuausschreibung der Juniorprofessur zu bestehen.

Das Berliner Hochschulgesetz sieht für das Präsidialamt im Berufungsverfahren keine aktive Rolle vor: Danach hat es die Empfehlungen des Fachbereichs lediglich an den Senator weiterzuleiten, der dann entscheidet. Gegenüber SPIEGEL ONLINE wollte sich Präsident Lenzen zu dem Verfahren nicht äußern. Zu Personalangelegenheiten nehme man grundsätzlich nicht Stellung, hieß es aus seinem Büro.

"Das ist kein guter Stil", sagt ein langjähriger Kollege von Scharenberg enttäuscht. "Und für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Präsidium und Institut ist es katastrophal."

Hinweis der Redaktion:
Das Gutachten über Albert Scharenberg liegt SPIEGEL ONLINE vor. Der Kasseler Wissenschaftler Christoph Scherrer legt Wert auf die Feststellung, dass es ohne sein Zutun bekannt wurde.

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