In Kooperation mit

Job & Karriere

Jobs im Mittelstand Geht's auch etwas kleiner?

Raus aus der Uni, rein ins Trainee-Programm und dann die steile Kaminkarriere im Großkonzern - so stellen sich viele Hochschulabsolventen ihre Zukunft vor. Doch es müssen nicht immer "Big Player" wie Siemens, Allianz oder die Deutsche Bank sein. Auch mittelständische Unternehmen haben ihren Charme.

An Angeboten hat es Markus Fehnmann wirklich nicht gemangelt: Nach seiner Trainee-Ausbildung  hätte er sicher auch bei der Deutschen Bank oder einem anderen Weltkonzern den Weg nach oben nehmen können, wie er es heute formuliert. Stattdessen entschied er sich jedoch für einen anfangs belächelten Schritt: Er wurde Geschäftsführer bei einem mittelständischen Handelsbetrieb.

Bereut hat er sie nie, seine Entscheidung, die zunächst so viel Kopfschütteln hervorrief. "Viele Kollegen haben die Wahl des Unternehmens damals nicht verstanden. Was ich da wolle, fragten sie mich, ob ich mich da nicht verschenke", erzählt Fehnmann, "sie wollten Karriere machen, entschieden sich für die großen Konzerne und blieben irgendwann in der Entwicklung und damit auch auf der Karriereleiter hängen."

Fehnmann dagegen hat seinen Aufgabenbereich und seine Position Schritt für Schritt ausgebaut: "Ich kann zwar heute nicht behaupten: Ich war bei den Top 5 Unternehmen der Finanzbranche - aber dafür habe ich die Entwicklung eines ganzen Unternehmens gesteuert und mitgeprägt."

Karriere der kurzen Wege

Der berufliche Aufstieg in mittelständischen Unternehmen gilt heute als reizvoller denn je. So will die Financial Times herausgefunden haben, dass es in ganz Deutschland Hunderte kleinerer Unternehmen gibt, die in ihren Branchen den Ruf haben, für ambitionierte High Potentials "besonders sexy" zu sein. Vor allem Ingenieure und Techniker sehen dem Bericht zufolge bei Mittelständlern größere Chancen, ihre beruflichen Vorstellungen umzusetzen.

"Die Bewerber wollen sich nicht mit illustren Firmennamen im Lebenslauf schmücken", erklärt auch Personalberater Horst-Heinrich Bechtluft. "Sie wollen heute in einem Unternehmen und einem Umfeld arbeiten, dass ihnen vom Aufgabenbereich her die besten Perspektiven bietet, Verantwortung zu übernehmen und eigeninitiativ zu arbeiten. Das zählt mehr denn je."

Ein Wechsel in den Mittelstand ist vor allem für Führungskräften attraktiv, die Wert auf Tempo und flache Hierarchien legen. "Ich war früher in einem Riesenkonzern und konnte nach dem Wechsel kaum glauben, wie schnell und unkompliziert Entscheidungen machbar sind", sagt Andrea Willert. Noch heute denkt sie nicht gerne an den letzten Job zurück: "Die Arbeit als Abteilungsleiterin im Einkauf hat Spaß gemacht, aber auch als Führungskraft konnte ich kaum etwas bewegen. Für flexible Entscheidungen war also kein Raum. Und wenn ich die OK´s aller Verantwortlichen endlich eingeholt hatte, war es nicht selten schon zu spät."

Keine Effenberg-Gehälter, aber faire Angebote

Jetzt leitet Andrea Willert den Einkauf in einem mittelständischen Baubetrieb und fühlt sich pudelwohl: "Ja, vielleicht wäre ich bei Siemens, Beiersdorff oder wo auch immer ganz nach oben gekommen. Aber jetzt habe ich hier meinen Bereich, den ich eigenverantwortlich leite und habe genauso Karriere gemacht."

Auch bei der Bezahlung haben die Big Player nicht mehr unbedingt die Nase vorn. "Einige Firmen setzen von der ersten Minute des Bewerbungsverfahrens auf den großen Namen und machen klar: Der Job bei uns öffnet in Zukunft Türen", hat zum Beispiel Andrea Wilmers festgestellt. "Ohne es ausdrücklich zu sagen, wird beim Gespräch ums Geld der Nachsatz klar: Und deswegen verdienen Sie hier und jetzt etwas weniger."

Thomas Lindow hat ebefalls die Erfahrung gemacht, dass bei renommierten Großunternehmen oft keine Top-Gehälter drin sind. "Natürlich heißt das nicht, dass im Mittelstand Fußballer-Gehälter gezahlt werden", schränkt er ein, "aber es geht in der Regel einfach fair zu, und man bekommt als Abteilungs- oder Bereichsleiter ein Angebot, das dem Job angemessen ist."

Die Kehrseite der Medaille

Doch auch im Mittelstand halten nicht alle Unternehmen, was der Trend verspricht. "Ich war mehr als zwei Jahre Geschäftsführer in einem Gartenbaubetrieb in Schleswig-Holstein", schildert Klaus Wenniger seine Erfahrungen. "Auf dem Papier hörte sich meine Aufgabe wirklich spannend an: Viel Verantwortung, Personalaufbau, Finanzcontrolling und einiges mehr. Aber in Wirklichkeit war ich einfach für alles verantwortlich und musste einen schlecht organisierten Laden zusammenhalten."

Wenniger kündigte und entschied sich danach für eine Konzern-Karriere. Ein richtiger Schritt für bestimmte Charaktere, rät auch Horst-Heinrich Bechtluft. "Wer den Umgang mit Hierarchien und Teamarbeit lernen will, wer zumindest am Anfang der Karriere auch einen Mentor sucht, dem kann man nur zum Einstieg in einem großen Unternehmen raten. Denn nur dort kann man erste Erfahrungen mit Firmenpolitik sammeln, ohne dabei selber zum Gegenstand der Politik zu werden." Auch gute Organisation, sicheres Auftreten, Management und den Umgang mit den Mitarbeitern lernen viele leichter in größeren Unternehmen. meint der Berater.

Oliver Mest, Jobpilot.de

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten