Karriere-Irrtümer Fiese Fallen beim Gehaltspoker
Irrtum 1: Der Firmensitz ist fürs Gehalt zweitrangig
Was kostet eine 70-Quadratmeter-Wohnung? Jeder vernünftige Mensch würde, ehe er antwortet, zurück fragen: "Wo denn?" Doch wenn ich bei einem Vortrag wissen will, "was verdient ein Produktmanager mit fünf Jahren Erfahrung?", schwirren sofort Zahlen durch die Luft.
Seltsam - die Frage nach dem Wo scheint sich zu erübrigen. Dabei wirkt sich der Arbeitsort nicht nur auf den Miet-, sondern genauso auf den Gehaltsspiegel aus. In München werden andere Preise gezahlt als in Zwickau. Die regionalen Unterschiede sind groß.
Als Anhaltspunkt hier eine kleine Städte-Liste, jeweils mit einem Faktor, mit dem Sie das Durchschnittsgehalt multiplizieren und so das Regionalgehalt in deutschen Großstädten ermitteln können:
Frankfurt x 1,19
München x 1,16
Stuttgart x 1,14
Heidelberg x 1,12
Düsseldorf, Wiesbaden, Darmstadt, Aachen x 1,10
Köln x 1,06
Mannheim x 1,05
Hamburg, Hannover, Freiburg x 1,03
Duisburg, Kaiserslautern, Recklinghausen x 1,0
Berlin x 0,96
Cottbus x 0,94
Rostock x 0,81
Zwickau x 0,76.
Ein Beispiel: Wenn das Durchschnittsgehalt (Faktor 100) in Ihrer Branche bei 42.000 Euro liegt, bekommen Sie in Frankfurt rund 50.000 Euro für Ihre Leistung, in Rostock dagegen nur etwa 34.000.
Also dort anheuern, wo das höchste Gehalt winkt? Nicht unbedingt. Entscheidend ist, wo Sie die interessanteste Aufgabe, die beste Perspektive finden - und wo Ihnen, nach Abzug der Lebenshaltungskosten, am meisten übrig bleibt.
Irrtum 2: Frauen verdienen vom ersten Tag an weniger als Männer
Stellen Sie sich vor: eine Demo in der Fußgängerzone, Trillerpfeifen und Protestchöre. Auf dem Transparent steht: "Gleiche Einstiegsgehälter für alle Führungskräfte - auch für unser Geschlecht!" Frauen beim Protestieren? Nein, Männer!
Denn weibliche Führungskräfte unter 30 hängen ihre männlichen Kollegen beim Gehalt locker ab: Im Schnitt verdienen sie sieben Prozent mehr, wie eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung ergab. Kein Wunder, bringen sie doch oft die besseren Schul- und Hochschulabschlüsse und die größere soziale Kompetenz mit.
Warum kippt dieser Vorsprung später ins Gegenteil? Warum verdienen die Männer in gehobenen Führungspositionen im Schnitt ein Drittel mehr als Frauen: 5300 statt 4000 Euro? Erklärung eins: Frauen ordnen ihre Karriereinteressen oft dem Lebenspartner und den Kindern unter. Wer eine Kinderpause einlegt, wird im Gehalts- und Karriererennen überrundet. Gerade zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr lassen sich die Weichen stellen.
Erklärung zwei: Frauen tun sich beim Gehaltspoker schwerer als Männer. Sie neigen dazu, ihre Forderung weichgespült vorzutragen, in bittendem Tonfall und häufig im Konjunktiv ("Es wäre schön, wenn "). Solche Signale der Unsicherheit mindern die Chancen.
Dasselbe gilt für die mangelnde Bereitschaft, Prämien zu akzeptieren. Ein Experiment der Uni Bonn ergab: Frauen gehen auf eine leistungsabhängige Vergütung deutlich seltener ein als Männer. Dabei macht gerade die Leistungsprämie einen großen Teil eines Chefgehaltes aus.
Es gilt dasselbe wie am Roulettetisch: Nur wer den Mut hat, etwas zu setzen, fährt am Ende die Gewinne ein.
Irrtum 3: Man sollte fordern, was man haben möchte
Als ich den Architekten Herbert Benz, 52, in der Gehaltsberatung nach seinem Wunschgehalt fragte, kam die Antwort wie aus der Pistole geschossen: "Ein Plus von 250 Euro - und keinen Cent weniger." Ich hakte nach: "Und was wollen Sie dann fordern?" Er sah mich verständnislos, fast etwas zornig an: "Aber das habe ich Ihnen doch gerade gesagt "
Vielen Mitarbeitern ist noch immer nicht klar: Wer genau das fordert, was er will, bekommt ganz sicher eines - weniger! Zu den ungeschriebenen Regeln einer Verhandlung gehört: Fordern Sie mehr, als Sie eigentlich wollen. Im Gegenzug bietet Ihr Chef auch weniger, als er zu geben bereit ist. Man kennt dieses Spiel von den Tarifverhandlungen: Die Gewerkschaft fordert sechs Prozent, die Arbeitgeber bieten zwei Prozent. Nach rhetorischem Gepolter und Muskelspielen trifft man sich schließlich bei etwa vier Prozent.
Warum dieses Ritual? Damit beide Seiten ihr Gesicht wahren können. Das Feilschen erhöht die Entscheidungssicherheit. Nehmen Sie einen Autokauf: Wenn Sie für einen Gebrauchtwagen 8000 Euro bieten und der Besitzer schlägt freudestrahlend ein - kommt Ihnen dann nicht der Verdacht, Sie hätten ein schlechtes Geschäft gemacht?
So ginge es dem Chef von Herbert Benz, wenn er die Forderung von 250 Euro einfach durchwinkte. Wenn Benz dagegen 400 Euro fordert und sich auf 250 Euro runterhandeln lässt, hält sich sein Chef für einen tollen Verhandlungshecht - und steht voll hinter der Erhöhung.
Gehen Sie mit drei Zielen in die Gehaltsverhandlung:
- einem Maximalziel, das Sie als Forderung in den Raum stellen
- einem Minimalziel, das Sie (innerlich) als Schmerzgrenze festlegen
- und einem Alternativziel, etwa Prämie oder Kilometergeld
So lässt sich mancher festgefahrene Verhandlungskarren doch wieder in Fahrt bringen.
Irrtum 4: Wenn der Chef nein sagt, ist auch nein gemeint
Als Otto von Bismarck einmal sagte, es werde "niemals so viel gelogen wie vor der Wahl, während des Krieges und nach der Jagd", da übersah er einen weiteren Anlass: das Gehaltsgespräch. Die meisten Chefs verteidigen ihren Etat wie Jagdhunde ihre Beute: Sie kläffen jeden an, der mehr Gehalt will. Sie tun so, als wäre nicht ein Cent zu holen. Wer jetzt die Flucht ergreift, hat das Spiel nicht begriffen: Die Verhandlung hört nicht auf, wenn der Chef widerspricht - sie fängt erst an!
Das Nein des Chefs heißt nicht nein, es heißt nur: "Eine Gehaltserhöhung gibt's nicht ohne Weiteres, nicht ohne gute Argumente." Rücken Sie Ihre Leistung ins rechte Licht. Machen Sie deutlich, dass Sie nicht teurer werden, nicht für dieselbe Leistung mehr Geld wollen.
Vielmehr geht es um eine "Gehaltsanpassung": Ihre Vergütung soll sich dem gesteigerten Niveau Ihrer Leistung angleichen. Die Gehaltserhöhung ist also keine Ausgabe, sondern eine Investition.
Zeigen Sie auf, wie sich Ihre Leistung entwickelt hat. Wo haben Sie den Umfang, wo die Qualität Ihrer Arbeit gesteigert? Welche zusätzlichen Einnahmen haben Sie der Firma gebracht, welche Ausgaben erspart (zum Beispiel durch Urlaubsvertretung, durch die Vermittlung von Arbeitskräften, durch Verbesserungsvorschläge usw.). Eine solche Argumentation macht den bissigsten Jagdhund zahm.
Irrtum 5: Wer mehr Geld fordert, verdirbt sich's mit dem Chef
"Ich würde ja mehr Gehalt fordern - aber mein Chef wäre dann stinksauer."
"Wären Sie sauer auf einen Kellner, der Ihr Dessert zum Preis des Hauptgerichtes addiert?"
"Das ist doch was anderes! Jeder weiß, dass ein Dessert extra kostet."
"Sehen Sie! Zusätzliche Leistung hat einen zusätzlichen Preis. Das hat sich auch schon unter den Chefs herumgesprochen. Und haben Sie mir nicht gerade erzählt, Sie hätten die Qualität Ihrer Arbeit in den letzten Jahren enorm gesteigert? Haben Sie mir nicht erzählt, Sie hätten durch einen Verbesserungsvorschlag Tausende von Euro für das Unternehmen gespart?"
"Und in meiner Freizeit habe ich auch noch eine Fortbildung besucht "
"Also bieten Sie dem Chef nicht nur die Standardleistung, nicht nur das Hauptgericht, wofür Sie Ihr Grundgehalt bekommen. Sondern Sie bieten ihm einen zusätzlichen Nutzen."
"Wirke ich denn nicht wie ein Prahlhans, wenn ich mit all diesen Leistungen im Gehaltsgespräch hausieren gehe?"
"Im Gegenteil. Heimlich wird es Ihr Chef zu schätzen wissen, wenn Sie Ihre eigenen Interessen in der Gehaltsverhandlung gut vertreten. Sie geben eine Kostprobe Ihrer Rhetorik, Ihres strategischen Denkens und Ihrer Verhandlungsqualitäten."
"Was hat der Chef davon?"
"Er weiß, dass Sie dieselben Talente auch für die Firma einsetzen können. Zum Beispiel bei Verhandlungen mit Geschäftspartnern. Das gibt er natürlich nicht offen zu, aber "
"Aber was?"
"Indirekt kann er es würdigen: indem er eine ordentliche Gehaltserhöhung rausrückt. Aber erst nach einer zähen Verhandlung. Seien Sie hartnäckig!"
In der SPIEGEL-ONLINE-Serie erklärt Martin Wehrle die heimlichen Spielregeln im Job.
- Erster Teil: Die Wirtschaftskrise als Karrierechance
- Teil zwei: Fettnäpfchen beim Berufsstart
- Teil drei: Mit Vollgas zum Traumjob
- Teil vier: Die heimlichen Spielregeln des Aufstiegs