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Job & Karriere

Karrierefrau, 35, Single "Wenn ich Männer treffe, haben die alle schon eine Frau"

Anna hat promoviert, Preise gewonnen und schnell Karriere gemacht. Leistung macht glücklich, dachte sie immer - bis jetzt.
Von Christine Färber und Simone Unger

Anna*, 35, wohnt seit einem Jahr in Schmalkalden, einer Kleinstadt in Südthüringen. Sie ist promovierte Kulturwissenschaftlerin und arbeitet als einzige Frau in einer leitenden Position an der Hochschule. Ihre Wohnung ist eher spärlich eingerichtet; die Einbauküche sieht so sauber aus, als wäre sie noch nie benutzt worden.

Das Thema Mitte 30 beschäftigt Anna gerade sehr. Denn bisher dachte sie, Leistung mache glücklich. Doch seit sie in Schmalkalden lebt, spürt sie, dass ein toller Beruf nicht alles ist. Und jetzt will sie so schnell wie möglich wieder weg.

In dem Buch "Alles auf jetzt: Frauen Mitte 30 über Kinder, Sex und Selbstverwirklichung" von Christine Färber und Simone Unger erzählt Anna von ihrer inneren Zerrissenheit: Einerseits sind Unabhängigkeit und Gleichberechtigung sowohl im Beruf als auch in Beziehungen sehr wichtig für sie. Andererseits hat sie als Single das Gefühl, dass im Privatleben alle an ihr vorbeiziehen - und wünscht sich nun plötzlich einen Mann, der sie in ein fernes Land mitnimmt.

Widersprüchlich? Mag sein. Aber Annas Widersprüche sind nicht nur ihre eigenen. Sie zeigen, wie es noch immer - gerade für Frauen - anstrengend sein kann, sich gegen gesellschaftliche Normen zu wehren und den eigenen Weg zu finden.

"Ich wurde am ersten Tag an der Hochschule gefragt, wo denn mein Mann sei. Ich habe geantwortet, dass ich wegen des Jobs hier bin. Und wieder kam die Frage: Da kommt man doch nicht allein hierher, wo ist denn Ihr Mann?

Mein Lebensfokus war immer auf Beruf und Karriere gerichtet. Und ich glaube, das macht mich gerade auch so unzufrieden. Denn ich merke, dass diese Struktur, die ich mir aufgebaut habe, so nicht mehr funktioniert. Jetzt langsam begreife ich: Ich bin stolz auf die Doktorarbeit, auf die Forschungspreise, darauf, dass ich zur Frankfurter Buchmesse eingeladen werde. Aber es macht mich nicht glücklich.

Von außen sieht mein Leben toll aus

Ich dachte immer, ich werde glücklich durch Leistung. Und wenn ich dann beim Auswärtigen Amt arbeiten würde, fänden mich alle toll. Und jetzt mit 35 denke ich, vielleicht ist es das gar nicht. Denn von außen sieht mein jetziges Leben zwar toll aus: Ich habe zwei Preise gewonnen, habe einen leitenden Posten an der Hochschule, und natürlich reise ich deshalb auch viel. Aber das ist eben immer das Außen.

Ich habe viel zu viel auf das geschaut, was andere von mir denken und was die von mir wollen und bisher eben erschreckend wenig darüber nachgedacht, was ich eigentlich will. Ich habe bis jetzt die Stellenausschreibungen durchgesehen und mir immer gesagt: 'Ja, das kann ich, das kann ich auch, dann bewerbe ich mich darauf.' Aber dabei habe ich mich eben nicht gefragt, ob ich den Job machen will. Ich will mich offenbar nicht damit auseinandersetzen, was ich wirklich will.

Ich kann auch jetzt nicht sagen, ob ich ein Kind will. Aber ich denke immer, wenn es passieren soll, dann passiert es. Und ich bin dadurch nicht mehr oder weniger glücklich. Die anderen haben ihre Kinder gekriegt und haben geheiratet und ein Haus gebaut, und ich bin halt an einer anderen Stelle angekommen. Und das war zwischen 25 und 30 noch nicht so extrem, da waren wir alle ähnlich unterwegs: Studium, erster Job, das war bei uns allen Thema.

Wenn jetzt alle verheiratet sind, wer bleibt dann noch für mich übrig?

Aber es ist eben schon mein Wunsch, dass ich einen Partner habe. Ich fühle mich hier manchmal sehr einsam und mache mir Gedanken. Wenn jetzt alle verheiratet sind und Kinder haben, wer bleibt dann noch für mich übrig?

Meine Unabhängigkeit ist ganz sicher hinderlich bei der Suche. Ich will den Typen nicht bewundern. Aber ich glaube, damit kommen viele Männer nicht klar. Ich will auf Augenhöhe wahrgenommen werden. Wenn ich Männer treffe, haben die alle schon eine Frau, die zu Hause die Kinder hütet, während der Mann durch die Welt tingelt, sich selbst verwirklicht, seinem Beruf nachgeht und abends dann auch noch manchmal nette Kolleginnen ausführt.

Meine Mutter sagt, diesen Mann, der mich auf Augenhöhe trifft und der mein Leben teilt, gibt es nicht. Also ein bisschen muss ich ihr recht geben: Zumindest in Schmalkalden gibt es den nicht. Meine letzte Partnerschaft ist kaputtgegangen, weil er ganz klar gesagt hat: 'Ich habe meinen Job, ich bin Ingenieur, ich bringe das Geld nach Hause. Lass doch du deine Dissertation!' Er wollte, dass ich meine Arbeit auf Eis lege, ihn heirate und Kinder bekomme. Die Dissertation war für ihn nur so eine Zwischenarbeit zwischen Studium und Mutterschaft. Und da habe ich natürlich gesagt: 'Nein, ich schreibe meine Dissertation.' Und dann ist das eben auseinandergegangen.

Ich habe doch auch Wünsche und Träume und bin nicht weniger wichtig als mein Mann, der Professor ist oder eben Ingenieur. So wie ich mich für seine Projekte interessiere, muss er sich auch für meine Projekte interessieren.

Ich habe einen Plan. Ich will bis zum Semesterende kündigen und dann raus aus Schmalkalden. Ich habe mich schon beworben, an verschiedenen Stellen. Ich möchte in eine Stadt, in der es Sushi und Kino gibt. Nur ist es extrem schwer für mich, diesen Plan auch zu verfolgen. Denn meine innere Stimme sagt mir immerzu, dass ich hierbleiben muss, bis ich einen neuen Job habe, sonst sieht das blöd aus im Lebenslauf.

Es ist ein sehr schwerer Schritt für mich zu sagen: Ich schaffe das hier nicht. Dann wäre ich das erste Mal gescheitert. Denn meine Erwartung an mich war, dass ich nach dem Doktor eine gute Stelle habe. Aber jetzt merke ich, dass ich nicht hierbleiben will und vielleicht gehen muss, auch ohne einen neuen Job. Und das ist für mich ein schreckliches Scheitern. Denn bisher habe ich immer alles geschafft, was ich mir vorgenommen hatte.

In den letzten Jahren hatte ich viele Krisen, durch den Studienabschluss, die Unklarheiten im Job und die Doktorarbeit. Da habe ich auch gemerkt, dass mir das Reisen sehr wichtig ist. Nur durch die Auslandsreisen erobere ich mir meine Lebhaftigkeit zurück. Sobald ich im Ausland bin, geht bei mir irgendwas auf. Ich habe das Gefühl, frei zu sein. Dort treffe ich immer Leute, die mich so nehmen wie ich bin, die sagen 'Mensch, du bist nett!', aber die wissen gar nicht, was ich mache. Die finden mich einfach nur nett, weil ich bin, wie ich bin und nicht weil ich die Leiterin eines International Office bin und eine Doktorarbeit geschrieben habe.

Mein größter Wunsch ist tatsächlich, dass ich meinen Partner bald kennenlerne und dass er dann sagt: 'So, jetzt gehen wir drei Jahre weg.' Irgendwohin - außer nach Amerika. Ich würde gern mal mit einem Partner unterwegs sein und mich nicht immer nur komplett auf mich verlassen müssen."

*Name von der Redaktion geändert

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Christine Färber, Simone Unger

Alles auf jetzt: Frauen Mitte 30 über Kinder, Sex und Selbstverwirklichung

Verlag: Ch. Links Verlag
Seitenzahl: 200
Für 12,00 € kaufen

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06.06.2023 12.02 Uhr

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