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Konzern-Uni eröffnet Kühne Pläne, stolze Tarife

Nach schweren Geburtswehen haben deutsche Großkonzerne am Donnerstag eine Eliteschmiede für Manager-Nachwuchs in Berlin gegründet. Endlich steht die Finanzierung halbwegs, die künftigen Führungskräfte sollen bis zu 50.000 Euro pro Jahr zahlen - weit mehr, als die US-Eliteunis Harvard und Stanford verlangen.

Die Berliner Adresse Am Schlossplatz 1 ist exklusiv, das Gebäude repräsentativ - und das Terrain irritierend geschichtsträchtig. Eine neue Elite-Hochschule der deutschen Wirtschaft wird in das frühere Staatsratsgebäude der DDR einziehen. Wenn die Jungmanager dann in Seminare über Marketing oder Risikomanagement eilen, müssen sie durch ein noch erhaltenes Portal des zerstörten Stadtschlosses preußischer Könige. Vom Balkon dieses Portals rief 1918 der Kommunistenführer Karl Liebknecht die "Freie sozialistische Republik" aus. Später residierte im schmucken Stahlskelettbau DDR-Staatschef Walter Ulbricht, und Erich Honecker verlieh verdienten Bürgern den "Karl-Marx-Orden", den "Großen Stern der Völkerfreundschaft" oder das "Banner der Arbeit".

Das Foyer des Gebäudes ziert noch heute ein gewaltiges Mosaikfenster mit Motiven aus der Geschichte der Arbeiterbewegung - von Friedenstauben über Arbeitsgerät und Soldaten bis zu den DDR-Symbolen Hammer und Zirkel. Ein seltsames Ambiente für die Lenker von zwei dutzend deutschen Großkonzernen, die sich am Donnerstag zur Eröffnung ihrer neuen Wirtschaftshochschule zusammenfanden. Mit dem Karl-Marx-Orden hätten die Management-Abschlüsse ja gemein, dass es "um politische Ökonomie geht", so der Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit mit sanftem Spott in seiner Ansprache vor den Bossen und Bundespräsident Johannes Rau.

Große Pläne hat die deutsche Wirtschaft mit der European School of Management and Technology. Möglichst zügig soll die ESMT in den Kreis international renommierter Top-Hochschulen aufrücken. Gründungspräsident Derek F. Abell gab das Ziel vor: "Es gibt weltweit mehr als tausend Business-Schulen. Aber es gibt nur zehn oder zwölf Schulen an der Spitze. In diese Gruppe müssen wir rein", sagte der 64-jährige Brite, zuvor Professor an einer renommierten Wirtschaftshochschule in Lausanne und an der Harvard Business School.

Bei internationalen MBA-Rankings spielen deutsche Hochschulen bisher tatsächlich keine Rolle. Harvard und Stanford, die London Business School und das Insead-Institut bei Paris zählen nun zu den Vorbildern der Konzern-Uni, die jährlich rund 300 Nachwuchsmanager mit akademischem Abschluss verlassen sollen. Der reguläre Lehrbetrieb beginnt erst im Herbst 2004, ab Frühjahr 2003 sind erste Seminare in einer Münchner Niederlassung geplant.

Es gebe einen "gravierenden Mangel an Führungskräften", sagte Abell. Um eine gute Ausbildung zu erhalten, gingen viele der besten Leute aus Europa in die USA und kämen selten zurück. "Die größte europäische Volkswirtschaft verfügt über keine Business-Schule, die auch nur in der ersten europäischen Liga mitspielen kann", meint auch Allianz-Chef Henning Schulte-Noelle.

Neben dem Versicherungskonzern beteiligen sich 24 weitere deutsche Unternehmen und Institutionen an der Hochschule, darunter BMW, DaimlerChrysler, Bosch, die Deutsche Bank, Lufthansa, Post und Telekom, Eon, McKinsey, RWE, SAP, Siemens, ThyssenKrupp und die Arbeitgeberverbände. Als Sponsoren finanzieren sie eine Stiftung, die mit 100 Millionen Euro ausgestattet sein soll und ihre Zinserträge vor allem für Forschungsaufgaben einsetzen soll. Von der Hertie-Stiftung kommen 25 Millionen Euro für ein eigenes Institut an der Hochschule hinzu.

Indes verlief die Planung offenbar chaotisch. Die Stiftung besteht erst seit wenigen Tagen, die staatliche Anerkennung ist noch nicht einmal beantragt. Und bis zur Gründung gelang es den finanzstarken Wirtschaftsgiganten lediglich, 90 Millionen Euro zu sammeln. Zudem halten etliche Experten die Etatplanung für wenig realistisch. Die Stiftungsinitiative beziffert das Jahresbudget mittelfristig auf 15 bis 20 Millionen Euro - deutlich weniger als Schulen, mit denen sich die ESMT messen will.

Für den Lehrbetrieb setzen die Konzerne auf saftige Studiengebühren: Bis zu 50.000 Euro pro Jahr sollen Vollzeitprogramme mit den Abschlüssen Master of Business Administration (MBA) und Master of Public Management (MPM) kosten. Jedenfalls bei den Gebühren würde die ESMT damit sofort in der internationalen Spitzengruppe landen.

Zum Vergleich: Die WHU bei Koblenz verlangt 42.000 Euro für ihr - zweijähriges - MBA-Programm, die GISMA in Hannover 20.500 Euro für ihr knapp einjähriges Vollzeitangebot. Und selbst die Nobel-Wirtschaftshochschulen von Harvard (36.770 Dollar pro Jahr) und Stanford (33.300 Dollar) liegen deutlich unter den geplanten Berliner Tarifen.

Noch mehr Geld in die Kasse schwemmen sollen Kurzlehrgänge, wie aus der erstmals veröffentlichten Preisliste hervorgeht. So schlägt das Einmaleins in Marketing mit 900 Euro täglich zu Buche, der Fortbildungskurs "Business-Unit-Management" gar mit 1200 Euro. Und ein "CEO-Roundtable" wird mit 2750 Euro veranschlagt - für einen Tag.

Bei solchen Tarifen wird die ESMT bei ihren eigenen Sponsoren und anderen Interessenten mächtig Überzeugungsarbeit leisten und hochkarätige Dozenten anheuern müssen. Bisher ist jedoch nicht einmal klar, aus welchen Mitteln sie das Staatsratsgebäude sanieren will. Nach längerem Tauziehen um den Standort des Prestigeprojekts - Stoiber bemühte sich für München nach Kräften - hatte Berlin den schmucken Bau im Wert von rund 24 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Danach klopften die Konzerne abermals bei der Hauptstadt an und verlangten die Sanierungskosten von rund 25 Millionen Euro.

DaimlerChrysler: Einer der Motoren der Berliner Konzern-Uni. Im vergangenen Jahr erwirtschaftete der Primus der deutschen Autobranche einen Umsatz von 152 Milliarden Euro und einen Gewinn von 5,2 Milliarden Euro. Und im dritten Quartal 2002 steigerte den Konzern den Gewinn sogar um 150 Prozent gegenüber dem Vorjahreswert.

DaimlerChrysler: Einer der Motoren der Berliner Konzern-Uni. Im vergangenen Jahr erwirtschaftete der Primus der deutschen Autobranche einen Umsatz von 152 Milliarden Euro und einen Gewinn von 5,2 Milliarden Euro. Und im dritten Quartal 2002 steigerte den Konzern den Gewinn sogar um 150 Prozent gegenüber dem Vorjahreswert.

Foto: DPA
Allianz: Ebenfalls federführend bei der Berliner Kaderschmiede - der Versicherungskonzern beschäftigt 180.000 Mitarbeiter und kam 2001 auf einen Gewinn von 1,8 Milliarden Euro.

Allianz: Ebenfalls federführend bei der Berliner Kaderschmiede - der Versicherungskonzern beschäftigt 180.000 Mitarbeiter und kam 2001 auf einen Gewinn von 1,8 Milliarden Euro.

Foto: DDP
Die Deutsche Bank zählt zum Quartett der Berliner Uni-Initiatoren und häufte 2001 einen Gewinn von 1,8 Milliarden Euro an.

Die Deutsche Bank zählt zum Quartett der Berliner Uni-Initiatoren und häufte 2001 einen Gewinn von 1,8 Milliarden Euro an.

Foto: DDP
Eon: Der vierte Konzern im Bunde der Hochschul-Initiatoren - 166.000 Mitarbeiter, 3,1 Milliarden Euro Gewinn im vergangenen Jahr.

Eon: Der vierte Konzern im Bunde der Hochschul-Initiatoren - 166.000 Mitarbeiter, 3,1 Milliarden Euro Gewinn im vergangenen Jahr.

Foto: DDP
Siemens: Ein Gigant unter den Giganten mit 484.000 Mitarbeitern und einem Gewinn von 1,4 Milliarden Euro für 2001.

Siemens: Ein Gigant unter den Giganten mit 484.000 Mitarbeitern und einem Gewinn von 1,4 Milliarden Euro für 2001.

Foto: DDP
ThyssenKrupp koordiniert die Gründungsinitiative - 1,35 Milliarden Euro Gewinn im Jahr 2001.

ThyssenKrupp koordiniert die Gründungsinitiative - 1,35 Milliarden Euro Gewinn im Jahr 2001.

Foto: DDP


Wie klamm sind die Großkonzerne wirklich? Sechs der 22 Firmen, die bisher nicht genügend Geld für die Berliner Kaderschmiede sammelten - per Klick auf ein Bild gelangen Sie zur Großansicht

Das aber kann sich das bankrotte Land kaum leisten, der Bund lehnte ebenfalls ab. Bei der Eröffnung sagte Gerhard Cromme, Sprecher der Stiftungsinitiative, die Sanierung werde über Kredite von der Stiftung "vorfinanziert". "Wir sind aber mit dem Senat zusammen zuversichtlich, auch für die anstehende Finanzierungsfrage eine Lösung zu erreichen, ohne dabei finanzielle Forderungen an den Senat zu richten", so der Aufsichtsratsvorsitzende von ThyssenKrupp weiter.

"Da wird sich eine Lösung finden", ergänzte Bürgermeister Wowereit bei der Eröffnung etwas kryptisch. Geplant ist offenbar eine Regelung, mit der die schmucke Immobilie nicht komplett in den Besitz der Unternehmen übergeht, aber beliehen werden kann. So könnte die Stiftung das Loch durch Kredite stopfen und das Gezerre um die Renovierung der Kaderschmiede ein Ende finden.

Ihre Pläne haben die Konzerne erst bei der Eröffnung etwas detaillierter offenbart. Zuvor betrieben sie monatelang eine mehr als defensive Informationspolitik. "Firmen, die nicht offen kommunizieren, schaden den Anlegern und müssen dafür Lehrgeld zahlen", hatte Gerhard Cromme noch im September verkündet, als er die Festrede bei der Verleihung des Investor-Relations-Preis des Wirtschaftsmagazins "Capital" hielt. Doch wer sich bei ThyssenKrupp nach Konzept, Finanzierung oder Professoren der Hochschule erkundigte, erhielt regelmäßig eine Abfuhr: "Wir sagen nichts und kommentieren nichts. Es ist uns egal, was die Medien schreiben", so Presseverhinderungssprecher Christian König.

Und auch beim Festakt wunderten sich die Journalisten: Wegen angeblicher "Überfüllung" konnten sich etliche Kollegen nicht mehr akkreditieren - doch bei der Pressekonferenz gab es reichlich freie Plätze.


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