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Krisensicherer Job Experten gegen das Business-Blabla

Wirtschaftsprüfer haben eines der härtesten Berufsexamina überhaupt, sie arbeiten in 14-Stunden-Schichten und sind trotzdem gegen gezielte Manipulationen oft machtlos. Dennoch gibt es für Erbsenzähler kaum einen besseren Job - sie müssen allerdings den Kampf gegen ihren inneren Schweinehund gewinnen.

An große Zahlen ist der Nachrichtenkonsument heutzutage gewöhnt. Er liest von gewaltigen Milliardenhilfen für notleidende südeuropäische Staaten. Von einer halben Milliarde, die der Bund für eine unnütze Militär-Drohne in den Sand setzte. Von Millionengehältern, Milliardensubventionen und Wahlversprechen, die eigentlich nicht zu bezahlen sind.

Trotzdem sind die Geldsummen, um die es geht, noch immer eindrucksvoll, wenn man sie ausschreibt. Beispiel: 357.753.363.000.

Diesen Betrag, rund 357,8 Milliarden Euro, gab das Unternehmen FMS Wertmanagement als Bilanzsumme in seinem Geschäftsbericht 2010 an. Die bestellten Abschlussprüfer von PricewaterhouseCoopers (PwC) rechneten nach - und machten einen Haken dahinter.

Das hätten sie besser lassen sollen. Die Wirtschaftsprüfer, die eigentlich unter dem Verdacht stehen, Erbsenzähler zu sein, hatten offenbar mehrere Buchungsfehler übersehen. Effekt: Die Bilanzsumme war um ein Siebtel zu hoch ausgewiesen, genauer gesagt um 55.500.000.000 Euro.

Das war peinlich für PwC, die größte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (WP-Gesellschaft) in Deutschland. Nichts gemerkt, zu wenig gefragt, alles geschluckt, ein 55,5-Milliarden-Euro-Loch übersehen, hieß es - und das ausgerechnet bei FMS Wertmanagement, der "Bad Bank" des von der Krise weggefegten Immobilienfinanzierers Hypo Real Estate.

Schlampig geprüft, aber dafür 1,2 Millionen Euro Honorar kassiert, lautete der Vorwurf, der die Firma und die Politik noch heute beschäftigt.

Prüfen heißt mehr, als Zahlenkolonnen abzuhaken

Ein Berufsstand war blamiert. Ausgerechnet einer, der in dieser verwirrenden Welt der Zahlen, undurchsichtigen Finanzgeflechte und Bilanzierungsmodelle ein bisschen Sicherheit versprach. Einer, der massiv Nachwuchs sucht, um all die Jobs erledigen zu können, die anstehen.

Allein die vier größten WP-Unternehmen Deutschlands - neben PwC sind das KPMG, Ernst & Young und Deloitte - wollen 2013 in Deutschland weit über 4000 Mitarbeiter einstellen. "Wer einen krisensicheren Job sucht, der ist in der Wirtschaftsprüfung derzeit richtig", sagt Brigitte Rothkegel-Hoffmeister vom Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland.

Die 14.345 Wirtschaftsprüfer, die der Wirtschaftsprüferkammer schon jetzt angehören, erfüllen einen öffentlichen Auftrag. Sie kontrollieren Kapitalgesellschaften, Banken, Versicherungen und staatliche Unternehmen, die gesetzlich verpflichtet sind, jährlich ihren Abschluss prüfen zu lassen. Prüfen heißt mehr, als Zahlenkolonnen abzuhaken.

Prüfen heißt: gegen Business-Blabla zu kämpfen, gegen Bilanztricks und manchmal auch gegen den inneren Schweinehund. 14-Stunden-Schichten sind durchaus üblich für die Prüfer.

Einer, der daran gewöhnt ist, heißt Christian Schaub. Der 30-Jährige kam nach dem BWL-Studium 2009 zu PwC in Frankfurt. Seitdem hat er rund 20 Mandanten betreut, vom Sportartikelhersteller bis zum Zertifizierungsdienstleister. "Ich kann nicht jeden Stein im Unternehmen umdrehen, deshalb schaue ich dorthin, wo Fehlentwicklungen möglich und folgenschwer wären", sagt Schaub.

Bei einem Mandanten entdeckte er eine Sicherheitslücke im Einkauf: Theoretisch hätte ein und dieselbe Person millionenschwere Bestellungen aufgeben und die dazugehörigen Überweisungen freizeichnen können. "Das hat zwar niemand konkret versucht", sagt er, "aber solche Risiken aufzudecken ist mein Job."

Nach dem Examen winkt die Beförderung zum Manager

Gegen gezielte Manipulation sind Wirtschaftsprüfer allerdings nahezu machtlos. Schließlich erhalten sie ihre Informationen von dem Mandanten, der sie bezahlt. Regelmäßig geht es bei der Prüfung auch um Unternehmenseigentum im Ausland, was die Sache kompliziert macht.

"Ich sitze also beim Mandanten in der Nähe von Frankfurt und soll mir zum Beispiel ein Urteil über ein Werk in Brasilien bilden - nicht so einfach", sagt Janine Bayer, 25, die seit 2011 als Consultant arbeitet. "Manchmal braucht man fast detektivisches Gespür."

Damit es möglichst nicht mehr zu Milliardenpannen wie bei FMS Wertmanagement kommt, absolvieren Wirtschaftsprüfer eine lange Ausbildung. Die Grundlage bildet meist ein Studium der Wirtschaftswissenschaften.

Es folgen eine mindestens dreijährige Prüfungstätigkeit und das Wirtschaftsprüferexamen, eines der härtesten Berufsexamina überhaupt: Nur die Hälfte der Kandidaten besteht es im ersten Anlauf. Bayer will es 2015 ablegen, Schaub ein Jahr früher. Den Sprung vom "Consultant" zum "Senior Consultant" haben sie schon geschafft.

Nach dem Examen winkt die Beförderung zum Manager. Managerinnen gibt es nur wenige: Der Frauenanteil unter den examinierten Wirtschaftsprüfern beträgt lediglich 15 Prozent.

Das durchschnittliche Einstiegsgehalt liegt nach Angaben des Vergütungsdienstleisters Personalmarkt bei 42.000 Euro, was für Absolventen der Wirtschaftswissenschaften nicht überwältigend ist. Seniors und Manager erhalten durchschnittlich 90.600 Euro.

Zu dem Zeitpunkt haben viele allerdings schon graue Schläfen: Nur 17 Prozent der examinierten Wirtschaftsprüfer sind jünger als 40 Jahre. Richtig gut verdienen Partner. Sie kassieren bei jeder Honorarstunde mit, die die WP-Gesellschaft dem Mandanten in Rechnung stellt. Die 25 größten WP-Unternehmen Deutschlands erzielten 2011 einen Honorarumsatz von 5,6 Milliarden Euro.

Ein Leben aus dem Koffer

In der "Busy Season" von November bis April, wenn die großen Kapitalgesellschaften ihre Jahresabschlüsse anfertigen, sind die Wirtschaftsprüfer dafür fast täglich beim Mandanten.

In Arbeitgeber-Bewertungsportalen berichten viele Prüfer von 14-Stunden-Tagen und einem Leben aus dem Koffer. Kein Wunder, dass die Fluktuation unter den Mitarbeitern auf bis zu 20 Prozent geschätzt wird.

Die 32-jährige Ting Bracht, die als erste Chinesin bei PwC in Deutschland 2012 das Wirtschaftsprüferexamen ablegte, kann sich in Sachen Work-Life-Balance allerdings nicht beschweren: "In den knapp sieben Jahren in meinem Unternehmen musste ich genau eine Woche im Hotel übernachten", sagt sie. Aber auch für sie gilt: "Ich bin fast jeden Tag bei Mandanten, mein Büro in Düsseldorf sehe ich selten."

Ein Gutes habe der Mandanten-Marathon, meint Professor Jens Wüstemann von der Mannheim Business School, die zu den Top-Adressen der WP-Ausbildung zählt: "Der Beruf des Wirtschaftsprüfers ist enorm anspruchsvoll und vielfältig." Bei keiner anderen Tätigkeit habe man schließlich die Möglichkeit, eine Vielzahl von Branchen so genau kennenzulernen - und dabei hinter die Kulissen einer immer komplexer werdenden Wirtschaft zu schauen.

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