Managerschmiede ESMT "Die Nachrichten sind wie eine Hydra"
Berlin - "Learning for Leading", lautet das stolze Motto der keimenden Eliteschmiede der deutschen Wirtschaft. Die European School of Management and Technology (ESMT) will einer der führenden Managementausbilder werden, die internationale Konkurrenz das Fürchten lehren - und seine Absolventen das Führen.
Führung indes ist auch eine Frage von Kommunikation. Und genau daran haperte es bei dem ambitionierten Projekt von Beginn an. Aktuelles Beispiel: Vergangene Woche fragte der Berliner Kultursenator Thomas Flierl neugierig, wann die ESMT denn gedenke, ein Lehrkonzept vorzulegen. Kein unerheblicher Punkt, denn von diesem Konzept hängt die Zulassung als diplomvergebende Hochschule ebenso ab wie die kostenlose Überlassung des ehemaligen Staatsratsgebäudes durch das Land Berlin.
Kommilitone Küblböck
In München wurde immerhin schon der Campus der ESMT-Filiale eröffnet. Im Berliner Hauptsitz drehte zwar schon Beinahe-"Superstar" Daniel Küblböck sein erstes Video. Aber sonst ist im Staatsratgebäude, in dem einst Honecker logierte, noch nicht viel geschehen.
Ungeduldig setzte Flierl einen drauf: Der geplante Studienbeginn an der ESMT-Zentrale sei alles andere als gesichert. Mit dem Umbau der Breiten Straße, an der das schmucke Gebäude liegt, könnte sich die Eröffnung "um weitere zwei bis drei Jahre verzögern". Start wäre dann erst 2007 statt im kommenden Jahr. Der "Berliner Kurier" schrieb's gerne und heizte damit erneut die Empörung an über ein viel versprechendes Projekt, das doch nur in Berliner Tempo wächst.
Hakt man bei Flierl nach, wird noch in der Telefonzentrale augenzwinkernd darauf verwiesen, dass der PDS-Politiker einmal Bausenator gewesen sei. Flierls Sprecher Thorsten Wöhlert dagegen versucht die Wogen zu glätten. Gar so drastisch habe sein Chef das alles nicht gesagt. Er habe lediglich "auf Unwägbarkeiten aufmerksam machen wollen". Man solle sich doch bitte beim Senat für Stadtentwicklung erkundigen, ob Bauarbeiten an der Breiten Straße tatsächlich geplant seien.
"Nein, ein Rückbau der Breiten Straße ist definitiv nicht geplant", heißt es da. Applaus für Sprecherin Petra Reetz, endlich eine klare Antwort.
"Da wurde zu früh auf die Pauke gehauen"
Der Fall illustriert, welch schnell drehende Eigendynamik derlei Meldungen über die ESMT entwickeln. "Die Nachrichten sind wie eine Hydra", seufzt Elena Mendoza, die erst seit kurzem mit der Öffentlichkeitsarbeit der Hochschule betraut ist.
Mit dem Gegensteuern kommt sie kaum nach - als müsste sie tatsächlich die antike neunköpfige Seeschlange bezwingen. Kurz nach den Flierl-Äußerungen gab sie eine Pressemitteilung heraus, die in knappen Worten den Start des MBA-Studiums auf Herbst 2005 verschob. Auf die Spekulation über die Breite Straße, zu diesem Zeitpunkt noch nicht vom Bausenat klargestellt, ging sie nicht ein.
Die Sponsoren aus der deutschen Wirtschaft - darunter potente Konzerne wie Allianz, HypoVereinsbank, BDI, DaimlerChrysler, Lufthansa, Deutsche Bank, MAN, RWE, SAP, Siemens und ThyssenKrupp - sind mit der ESMT-Darstellung in der Öffentlichkeit nicht gerade zufrieden. Hinter vorgehaltener Hand wird kritisiert, dass die Organisatoren "zu früh auf die Pauke gehauen" hätten.
Den ESMT-Machern "zur Hand gehen"
Das Wohlwollen in der Öffentlichkeit sei ja zunächst sehr groß gewesen. Doch das hochtrabende Wort vom "deutschen Harvard" hätte erst die Runde machen dürfen, wenn es spruchreif gewesen wäre. "Da muss man sich nicht wundern, wenn die Begeisterung in Enttäuschung und Ärger umschlägt", so die Einschätzung.
Tatsächlich hat die ESMT in Berlin bis auf einen angesehenen Gründungspräsidenten (Derek F. Abell von der Wirtschaftshochschule IMD in Lausanne) und einen attraktiven Standort bisher wenig vorzuweisen. Den Einstieg machte sie mit kurzen Managementseminaren, abgehalten von Gastdozenten in der ebenfalls unvollendeten Dependance in München. "Für alles Weitere braucht es einfach noch etwas Geduld", wirbt der Öffentlichkeitsarbeiter eines sponsernden Unternehmens um Verständnis.
Bei einem beteiligten Großkonzern ist die Geduld jedoch schon arg strapaziert. Verständlich angesichts der ungelösten Probleme: Die Stiftungseinlagen aller Unterstützer bleiben weit unter der ohnehin knappen Planung von 100 Millionen Euro, die Renovierung des Staatsratsgebäudes (geschätzte 25 Millionen Euro) ist noch nicht finanziert und, ach ja, fest gebuchte Professoren gibt es auch noch keine.
Eine Art Schweigegelübde
Zwar stehe man weiter zu dem Projekt an sich, heißt es bei dem Großkonzern. Aber man mache sich schon Gedanken, wie man den ESMT-Machern "zur Hand gehen" könne. "Viele in unseren Reihen plädieren für ein noch stärkeres Engagement der Hertie-Stiftung", die ohnedies zum Sponsorenkreis zählt. Die 1974 gegründete Stiftung, die sich "die Förderung der Wissenschaft in Forschung und Lehre sowie der Erziehung, Volks- und Berufsbildung" in die Statuten geschrieben hat, zählt zu den größten deutschen Einrichtungen ihrer Art.
ESMT-Öffentlichkeitsfrau Mendoza hält das für einen alten Hut: "Die Hertie-Stiftung war von Anfang an auch auf der inhaltlichen Ebene ein wichtiger Partner." Vertreter der Einrichtung säßen bereits im Programmausschuss, die Stiftung werde einen eigenen MBA-Studiengang anbieten.
Vielleicht greifen aber in Zukunft verstärkt die Methoden der eher zurückhaltend agierenden Hertie-Leute. "Die gehen erst an die Öffentlichkeit, wenn sie ein Projekt von vorne bis hinten fertig haben", weiß man bei den ESMT-Kritikern. Außerdem sei es der Hertie-Stiftung in kurzer Zeit gelungen, einige große Namen der deutschen und europäischen Hochschullandschaft zu gewinnen. Beim Lehrpersonal hat Präsident Abell das größte Defizit.
Viele Spekulationen wären leicht zu entkräften
Mehr ist aber derzeit nicht zu erfahren: "Wir und alle Beteiligten haben ein eklatantes Interesse daran, die ESMT aus den Schlagzeilen herauszubringen." So halten sich alle Unternehmen inzwischen an eine Art Schweigeabkommen. Auch ThyssenKrupp, früher Zentrale für Öffentlichkeitsarbeit der ESMT. Alle verweisen auf Elena Mendoza: "Die kann ihnen mehr sagen."
Die gesteht ein, dass vieles zu früh angekündigt wurde. Zumindest im Fall der Flierl-Äußerungen agierte jedoch auch sie nicht geschickt. Die Vermutungen des PDS-Senators über den Straßenumbau, so wie sie veröffentlicht wurden, wären leicht zu entkräften gewesen.
Und auch der Vorwurf, mit dem Lehrplan spät dran zu sein, lässt sich als zahnlos entlarven. Denn das Genehmigungsverfahren beansprucht etwa ein halbes Jahr. Wenn der Plan also jetzt nicht vorliegt, mag das zwar als schlechtes Signal nach außen gewertet werden. Im Verzug ist die ESMT bei ihrem aktuellen Zeithorizont damit aber nicht.
Dass Mendoza den Präsidenten Abell wie den Gründungsdekan Wulff Plinke von allen Kommentaranfragen abschirmt, mag zwar der Versuch sein, den Ball in heiklen Fragen flach zu halten. Er öffnet aber Tür und Tor für wilde Spekulationen - siehe oben: ESMT erst 2007?
Es hapert also weiter an der Kommunikation der Schule für Führungseliten. Das macht die Lösung der anderen Probleme nicht leichter. Und die wiegen noch schwerer.