MBA-Ausbildung "Total abgezockt"
Bereits vor seinem Ingenieurstudium war für Richard Levy klar, dass er nach ein paar Jahren Berufserfahrung noch ein Studium zum Master of Business Administration (MBA) beginnen wollte. Mühsam wühlte sich der Engländer durch das unübersichtliche MBA-Angebot, verglich Kursinhalte, Unterrichtsdauer und Kosten und versuchte, sich ein Bild über das Renommee der Schulen zu machen. Schließlich stieß der Projektmanager bei einem Automobilzulieferer auf das berufsbegleitende Programm der Graduate School of Business Administration (GSBA) in Zürich.
Die hatte es 2002 im weltweiten MBA-Ranking der britischen "Financial Times" (FT) auf Platz 9 geschafft und war sogar deutlich besser plaziert als die renommierte Business School IMD in Lausanne. Und weil das MBA-Ranking der Wirtschaftszeitung als seriös gilt, hatte Levy keinen Zweifel an der Qualität der GSBA.
Im Dezember 2002 füllte er die Unterlagen aus, zahlte 200 Schweizer Franken für die Prüfung seiner Bewerbung und wurde zum Test und Gespräch mit dem Rektor Albert Stähli nach Zürich geladen. Stähli, so Levys Vorwurf, habe ihm erklärt, er müsse zunächst berufsbegleitend ein Studium zum Bachelor of Business Administration (BBA) an der GSBA absolvieren, bevor er mit dem MBA-Programm beginnen könne, da ihm die Grundlagen der Betriebswirtschaft fehlten. Kosten: 19.000 Schweizer Franken (rund 12.300 Euro).
Böse Überraschung nach dem ersten Abschnitt
Das ist ziemlich ungewöhnlich - eigentlich ist der MBA als Postgraduate-Studium gerade für Akademiker ohne wirtschaftswissenschaftliches Studium gedacht. Und Richard Levy konnte einen Bachelor in Engineering von der renommierten Warwick University in England vorweisen.
An einer anerkannten Universität dauert ein Bachelor-Studium drei bis vier Jahre. Levy konnte die für den Beginn des MBA-Studiums erforderlichen Studienmodule allerdings in nur acht Monaten absolvieren. Dann wollte er sich zum MBA-Studium anmelden.
Doch da kam die böse Überraschung, wie Richard Levy berichtet: Für das MBA-Studium müsse er mindestens 30 Jahre alt sein, habe Stähli dem damals 26-Jährigen verkündet - aber er könne ja noch den Master of Science für 30.000 Franken machen und diesen dann zum MBA aufstocken. Für Kandidaten mit dem BBA kostete der MBA damals 49.000 Schweizer Franken (ca. 32.000 Euro); inzwischen gibt Stähli die Studiengebühren für den MBA mit 45.000 Euro an.
Seltsame Top-Plazierungen
"Ich habe niemals etwas von einem Mindestalter gehört oder gelesen und fühlte mich total abgezockt", sagt Levy. Vergeblich versuchte er, sein Geld zurück zu bekommen. Bei Recherchen über die GSBA stieß er auf jede Menge kritischer Artikel und stellte Auszüge daraus zusammen mit seiner Geschichte auf seine Website.
Die GSBA erklärte, Herrn Levy habe das BBA-Diplom nicht ausgehändigt werden können, da er die erforderlichen Prüfungsleistungen nicht erbracht habe. Im Übrigen sei ihm vor Aufnahme des BBA-Studiums die Promotionsordnung des MBA-Programms ausgehändigt worden, in der geregelt sei, dass MBA-Kandidaten ein Mindestalter von 30 Jahren haben sollten.
Bereits 1991 veröffentlichte das Schweizer Magazin "Katapult" den Beitrag "Die seltsamen Methoden des Dr. Albert Stähli" und enthüllte fragwürdige Verkaufs- und Werbepraktiken. Vorgeworfen wurden dem GSBA-Dean seine rüden Methoden, mit denen er Interessenten zur Unterschrift unter den Studienvertrag gedrängt habe, sowie die unkorrekte Darstellung der Zusammenarbeit mit amerikanischen Business Schools. Die "Wirtschaftswoche" schrieb im Artikel "Titel gegen Scheck", Stähli habe mit Professoren auf seiner Fakultätsliste geworben, die von ihrer Mitarbeit an der GSBA nichts wussten. Hinzu kamen die merkwürdigen Rankings von William Cox, bei denen die GSBA stets überraschend gut abschnitt - Cox war einmal PR-Berater der Schule.
Viel scheint sich an den dubiosen Praktiken der Schweizer Schule nicht geändert zu haben. So wurde bei einer Informationsveranstaltung der GSBA am 27. Mai 2004 in München weder die Frage nach den Zulassungskriterien für das MBA-Studium noch die nach dem Preis oder der Zahl der MBA-Studenten konkret beantwortet.
Verwirrspiel um die Akkreditierung
"Werden auch Bewerber abgelehnt?", fragte ein Interessent. Das könne man so nicht sagen. Man versuche das Studium immer so zu gestalten, dass es für jeden passe, erklärte die GSBA-Mitarbeiterin. Das Nadelöhr sei häufig der GMAT (Graduate Management Admission Test), hieß es weiter. Denn während der Test bei vielen Schulen bereits ein Zulassungskriterium ist, können GSBA-Teilnehmer ihn auch noch während des Studiums absolvieren. Man sei eben sehr flexibel, und wer den GMAT nicht schaffe, könne auch ein "Downgrading" machen und bekomme dann statt den MBA den Master of Science von der University of Wales.
Ein reichlich seltsamer Auftritt für eine Business School, die auch 2003 im FT-Ranking wieder angeblich zu den besten Schulen der Welt zählte und damit wirbt, die "Nr. 1 der MBA Business Schools im deutschsprachigen Europa" zu sein. "Ich frage mich, wie die GSBA überhaupt in das FT-Ranking kommt", wunderte sich Richard Levy und wandte sich an die zuständige Redakteurin der "Financial Times", Della Bradshaw.
"Will die 'FT' wirklich mit so einer Schule verbunden werden?", schrieb Levy und schilderte ihr seine Erfahrungen. Doch Della Bradshaw zeigte sich nicht sonderlich erstaunt und blieb auch gegenüber SPIEGEL ONLINE recht wortkarg. Trotz wiederholter Nachfragen - auch bei der "FT"-Chefredaktion - war sie nicht bereit, die Zulassungskriterien für das Ranking zu nennen.
Sehr anspruchsvoll können die nicht sein. Schließlich hat die GSBA nicht einmal eine der beiden international relevanten Akkreditierungen AACBS oder EQUIS (siehe Kasten). Allerdings bietet die Schule seit 1997 neben dem eigenen MBA-Programm auch ein Dual Degree Programm mit der SUNY School of Business an der State University of New York in Albany an: Die Absolventen konnten zwei der insgesamt sechs zweiwöchigen Studienmodule in den USA verbringen und dann sowohl ein MBA-Diplom der GSBA als auch eines von SUNY bekommen.
Für die GSBA ist diese Kooperation äußerst wichtig: Weil sie keine anerkannte Hochschule und der MBA ein akademischer Titel ist, darf der GSBA-MBA in Deutschland nicht geführt werden. SUNY dagegen ist von der AACSB akkreditiert, ihr MBA-Titel darf somit in Deutschland geführt werden.
Dabei akkreditiert die AACSB jedoch nicht einzelne Programme, sondern nur die Schule als Ganzes. Die kann dann ein Dual Degree Programm mit einer Partnerschule anbieten, ohne dass die AACSB das Programm überprüft. Erst bei der Re-Akkreditierung muss die Schule nachweisen, dass auch das gemeinsame Programm den Standards entspricht.
Kooperation mit US-Partner beendet
Doch just, als bei SUNY die Re-Akkreditierung anstand, beendete die amerikanische Schule die Kooperation mit der GSBA. Erfüllt das Dual-Degree-Programm also nicht die AACSB-Standards? SUNY äußert sich dazu nicht. Rektor Stähli begründet das von den Amerikanern Ende 2003 verkündete Aus damit, dass sich die Ziele der GSBA mit SUNY "nicht effektiv umsetzen" ließen. In Zukunft werde die GSBA mit einer renommierten Universität in den USA kooperieren, den Namen des neuen Partners aber erst Anfang 2005 bekanntgeben.
Auf die Frage nach den Auswirkungen des Kooperatiuons-Endes auf das Ranking antwortete Della Bradshaw zunächst, dass nur das "Single Degree Programm" der GSBA beurteilt wurde. Und tatsächlich wird SUNY - die im übrigen auch nicht als Topschule gilt - in der Tabelle nirgends erwähnt. Brauchen also die weltbesten Schulen nicht einmal eine international anerkannte Akkreditierung?
Dann jedoch änderte Bradshaw ihren Kurs und schrieb plötzlich: "Weil SUNY das Programm mit der GSBA beendet hat, haben die beiden Schulen jetzt beschlossen, dass die GSBA nicht mehr von der FT gerankt werden kann." Die GSBA wisse auch, dass sie "fünf Jahre warten" müsse, "bis sie mit ihrem möglichen neuen US-Partner wieder an dem Ranking teilnehmen" könne - weil erst dann die AACSB das gemeinsame Programm erneut überprüft. Albert Stähli dagegen schreibt: "Es trifft nicht zu, dass die GSBA beschlossen hat, künftig nicht mehr am FT-Ranking teilzunehmen." SUNY schweigt dazu.
In Oxford ist Richard Levy willkommen
Man darf gespannt sein, ob die GSBA im nächsten "FT"-Ranking, das am 1. November erscheint, wieder vertreten ist. Stähli hat schon mal vorgesorgt. Seit Ende September wirbt er mit einem neuen europäischen Ranking, das sein früherer PR-Berater William Cox in einem Buch herausgebracht hat: Die GSBA sei die "Nr. 1 der MBA Business Schools im deutschsprachigen Europa im Executive MBA Ranking der Frankfurter Allgemeinen Zeitung".
Doch die Zeitung hat mit dem Ranking nichts zu tun. Das Cox-Buch ist lediglich im Buchverlag der "FAZ" erschienen. Die GSBA habe "in einer Art und Weise geworben, die den Eindruck erweckt, als habe die Frankfurter Allgemeine Zeitung aktiv an der Erstellung" des im Buch genannten Rankings teilgehabt, schrieb Verlagsleiterin Christina Eibl am 5. Oktober. Der Direktor der Schule sei daher schon darauf hingewiesen worden, "eine solche Werbung einzustellen".
Richard Levy kann das alles nicht verstehen. Nachdem Stähli seine kritische Webseite entdeckte, habe er ihm Hausverbot erteilt und mit einer Klage gedroht, so Levy. Am liebsten würde der 27-jährige die GSBA verklagen, doch er scheut die hohen Anwaltskosten. Im Januar begann er sein MBA-Studium in Oxford. Der renommierten Universität genügte sein Bachelor von Warwick. Und zu jung ist Levy dort auch nicht.
Anmerkung der Redaktion:
Die Stellungnahme der GSBA zum Fall Levy erfolgte erst nach Erscheinen des Beitrags und wurde dann aufgenommen. Im Juli 2009 hat der ehemalige Präsident des IMD in Lausanne, Peter Lorange, die GSBA gekauft; Albert Stähli ist ausgeschieden.