Landarzt? Muss nicht sein! Fast die Hälfte der Medizinstudenten will "auf keinen Fall" aufs Dorf
Foto: Carsten Koall/ Getty ImagesJunge Ärzte zieht es nicht aufs Land. Mehr als 46 Prozent der Medizinstudenten wollen nach einer Online-Umfrage der Universität Trier später "auf keinen Fall" in Orten mit weniger als 2000 Einwohnern arbeiten. Städtchen bis 5000 Einwohner sind mit fast 40 Prozent Ablehnungsquote ähnlich unbeliebt. Mehr als 80 Prozent der angehenden Mediziner können sich dagegen einen Job in einer Großstadt vorstellen, am beliebtesten sind Städte mit 100.000 bis 500.000 Einwohnern.
Für die Erhebung unter dem Titel "Berufsmonitoring Medizinstudenten" hatten die Forscher bundesweit künftige Ärzte angefragt - rund 13,5 Prozent aller Medizinstudenten (fast 11.500) antworteten. Auftraggeber war die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV). Sie wollte unter anderem wissen, welche Bereitschaft es überhaupt bei Medizinstudenten gibt, sich als Landarzt niederzulassen und damit den Hausarztmangel in der Provinz zu lindern.
Allgemeinmedizin - "was für die Dummen"?
Zwar hat der Job des Allgemeinmediziners ein hohes gesellschaftliches Ansehen unter Medizinstudenten. Für jeden dritten Befragten kommt diese Ausbildung immerhin in Frage. Trotzdem hat nur etwa jeder Zehnte ein starkes Interesse an dieser Arbeit. Die Arbeit des Hausarztes sei jedenfalls nicht besonders herausfordernd, finden die Studenten: Am Hausarztjob besteht "kein Interesse", hieß es in einer Antwort. "Der Beruf ist uninteressant" und "laaaaaaaaaaangweilig!", so die Aussagen in weiteren Online-Fragebögen. Fazit zur Allgemeinmedizin: "Das ist was für die Dummen, ich brauche was Vernünftiges." Denn: "Allgemeinmedizin ist zum Kotzen."
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Sicher sind das Einzelantworten, für die KBV setzen sie sich jedoch zu einem bedrohlichen Bild zusammen. "Diese Ergebnisse zeigen einmal mehr, dass der drohende Ärztemangel eine Herausforderung für die gesamte Gesellschaft darstellt", urteil KBV-Vorstandsmitglied Regina Feldmann. Da weder der Hausarztberuf noch das flache Land für die Studenten interessant sei, müsse die Attraktivität des Landarztes gestärkt werden. Hier seien auch die Kommunen und die Politik gefragt.
Am liebsten innere Medizin
Die Studie zeigt allerdings auch, dass die Allgemeinmedizin bei Weitem nicht die unbeliebteste Facharztdisziplin bei Studenten ist. Für mehr als die Hälfte kommt der Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten "definitiv nicht infrage". Ähnlich unbeliebt ist die Augenheilkunde. Favorisiertes Arbeitsgebiet ist dagegen die innere Medizin, ein Bereich, den neun von zehn Studenten grundsätzlich in Erwägung ziehen.
Klare Präferenzen haben die Studenten auch bei der Frage, ob sie eventuell in ein anderes Bundesland wechseln würden. Zwei Drittel können sich das vorstellen - machen dann aber klar: Es sollten schon Süddeutschland, Nordrhein-Westfalen oder die Metropolen Hamburg und Berlin sein. Ostdeutschland und das Saarland dagegen sind fast schon No-go-Areas für den Ärztenachwuchs: Höchstens ein Fünftel der Studenten aus anderen Bundesländern kann sich vorstellen, einen Job an der Saar oder in Sachsen-Anhalt anzunehmen.
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"Welche Facharztausbildung kommt für Sie definitiv nicht in Frage?" In einer Studie der Universität Trier nannte über die Hälfte der Medizinstudenten den Beruf als Arzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten. mehr...
Auf die Frage "Gibt es Orte, in denen Sie auf keinen Fall arbeiten wollen?", antworteten 75 Prozent der Medizinstudenten mit Ja. Besonders unbeliebt: kleine Landgemeinden mit niedriger Einwohnerzahl.
Knapp zwei Drittel (64,3 Prozent) der Medizinstudenten können sich vorstellen, später in einem anderen Bundesland zu arbeiten. Bei diesen sind allerdings nicht alle 16 Länder gleich beliebt: Begehrt sind der Süden Deutschlands, NRW und einige Stadtstaaten; besonders unbeliebt sind Ostdeutschland und das Saarland.
Würden Sie ins Saarland gehen? In Bayern kann sich das nicht einmal jeder Zehnte vorstellen, im Saarland würden immerhin knapp drei Viertel der dortigen Medizintudenten auch zum Arbeiten bleiben.
Und wie sieht es mit Sachsen-Anhalt aus? Richtig unbeliebt ist bei Medizinstudenten bundesweit auch Sachsen-Anhalt. Nur wenige können sich vorstellen, dort eine Arztstelle anzunehmen - außer, wenn sie schon in Sachsen-Anhalt studiert haben.
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