Mitarbeiter-Motivation Wieso Blackberrys und Bonusgehälter böse sind
SPIEGEL ONLINE: Mehr und mehr Arbeitnehmer gehen in die "innere Kündigung", zeigen zahlreiche Studien. Warum?
Sprenger: Bei solchen Untersuchungen wollen die Mitarbeiter gern Signale setzen. Sie überzeichnen ihre Unzufriedenheit und wollen zeigen, dass sie mit manchen Dingen in der Firma nicht zufrieden sind. Die Erfahrung zeigt aber, dass die Menschen sich für ihre konkrete Arbeit sehr motiviert einsetzen - und zwar unabhängig davon, was sonst in ihrem Unternehmen passiert.
SPIEGEL ONLINE: Motivieren die Chefs sie zu wenig?
Sprenger: Die Frage unterstellt, dass der Mensch von außen zu motivieren ist. Aber das ist weder nötig noch sinnvoll.
SPIEGEL ONLINE: Nicht?
Sprenger: Nein! Motivation ist komplex. Auf der einen Seite wird unterschätzt, wie sehr sich Mitarbeiter von selbst mit ihrer Aufgabe identifizieren. Auf der anderen Seite überschätzen fast alle Chefs die motivierende Wirkung ihres Handelns auf die Mitarbeiter. Motivation an sich ist völlig wertlos. Wir verkaufen ja keine Motivation, wir verkaufen Ergebnisse.
SPIEGEL ONLINE: Aber um diese Ergebnisse zu erreichen, muss ich doch motiviert sein.
Sprenger: Na klar. Motivation oder Leistungsbereitschaft - das ist aber nur ein Aspekt. Dazu kommen noch die Leistungsfähigkeit, also das Können und Wissen, und die Leistungsmöglichkeiten, also der Rahmen, in dem ich arbeite. Alle drei Aspekte hängen voneinander ab. Wenn Mitarbeiter merken, dass Möglichkeiten beschnitten werden, dann sind sie in der Regel auch weniger leistungsbereit. Da können Führungskräfte dann nicht auf irgendwelche Knöpfe drücken und sagen: "Jetzt sei mal motivierter." Das hilft gar nichts. Es ist schlicht naiv.
SPIEGEL ONLINE: Firmenausflüge oder die Urkunde für den "Mitarbeiter des Monats" bringen nichts?
Sprenger: Richtig. Sie können natürlich Ausflüge machen. Das ist sogar wichtig, für das Gemeinschaftsgefühl. Nur werden die Mitarbeiter sich nach dem Ausflug nicht begeistert in die Arbeit stürzen. Urkunden und Auszeichnungen haben häufig sogar eine demotivierende Wirkung - auf jene, die sie nicht bekommen.
SPIEGEL ONLINE: Und was ist mit Extras wie Laptop, Dienstwagen und Blackberry?
Sprenger: Solche Dinge beeinflussen die Motivation - und zwar negativ. Jede Mutter, jeder Vater weiß: Wenn ich mein Kind immer wieder belohne, dann setzte ich nach und nach die Belohnung vor das eigentliche Handeln. Man nennt das Verdrängungseffekt. Je mehr ich mit externen Belohnungen auf ein Handeln reagiere, das eigentlich um seiner selbst Willen gemacht wurde, desto mehr verdränge ich den Eigenantrieb.
SPIEGEL ONLINE: Gilt das auch für leistungsbezogene Bonuszahlungen?
Sprenger: Ganz genau. Wenn ich meinem Mitarbeiter sage: "Du bekommst 2000 Euro mehr, wenn Du ein Ziel erreichst" - dann ist das eher kontraproduktiv. Die einzelnen Mitarbeiter wetteifern dann um den Bonus, sie arbeiten nicht mehr zusammen. Im schlimmsten Fall versuchen sie, die Bemessungsgrenze nach unten zu manipulieren, damit sie schneller in den Bonusbereich kommen. Das ist eine ganz gefährliche Sache.
SPIEGEL ONLINE: Wie wirken sich solche Wettkämpfe auf ein Unternehmen aus?
Sprenger: Die Belohnungen fördern nicht die Zusammenarbeit - sie zerstören sie. Manche Firmen veranstalten eine regelrechte Dauerolympiade, wo es permanent gegeneinander geht. Damit machen Sie aus dem Unternehmen einen Markt. Sie machen den Vorteil kaputt, den ein Unternehmen hat: Die Mitarbeiter arbeiten nicht vertrauensvoll miteinander für ein gemeinsames Ergebnis, sondern versuchen sich alle gegeneinander auszuspielen. Das ist das Schlimmste, was passieren kann. Denken Sie an Aktienoptionen für Manager: Da versucht jeder, den anderen auszustechen und die Kurse zu manipulieren.
SPIEGEL ONLINE: Und eine Gewinnbeteiligung für jeden?
Sprenger: Das ist sinnvoll. Wenn wir gut gearbeitet haben, haben wir das gemeinsam gemacht. Dann sollten wir auch alle zusätzlich zu unserem unterschiedlichen Gehalt am Firmenergebnis beteiligt sein. Das ist der Unterschied. Sie können Motivation nicht steuern, Sie können die Menschen nur beteiligen.
SPIEGEL ONLINE: Ihre Thesen widersprechen dem, was viele BWL- und Marketingstudenten lernen.
Sprenger: Nicht nur viele, sondern alle. Die können einpacken, wenn sie auf das hören, was gelehrt wird. Die Ausbildung an den Business-Schools in Sachen Menschenführung ist einfach Bullshit, einfach Quatsch.
SPIEGEL ONLINE: Wer kann denn etwas für die Motivation tun?
Sprenger: Nur Sie selbst! Nicht Ihr Chef oder sonst irgendjemand. Fragen Sie sich: Lebe ich mein Talent? Tue ich das, wo ich am besten bin? Tue ich das, was mir leicht fällt? Talent ist etwas, womit ich freiwillig gern meine Zeit verbringe. Wenn irgendwo Blut, Schweiß und Tränen fließen müssen, bis tolle Ergebnisse rauskommen, dann ist das sicher kein Talent von mir. Außerdem müssen Sie herausfinden: Ist mein Talent in dem Unternehmen, in der Abteilung, bei meiner Aufgabe auch wirklich gewollt? Wenn Sie überzeugt sagen können: Ja, ich lebe mein Talent und bin auf dem richtigen Spielfeld, dann sollte es keine Motivationsprobleme geben.
SPIEGEL ONLINE: Ein Motivationsloch bedeutet also: Ich bin im falschen Job?
Sprenger: Exakt. Oder in einem Unternehmen, in dem das, was ich gut kann, gar nicht gewollt ist.
Das Interview führte Oliver Trenkamp