
"Tonic"-Magazin: Das schrumpelige Baby von "Neon" und "Zeit-Magazin"
Neues Jugendmagazin "Tonic" Low-Budget, aber smart
SPIEGEL ONLINE: Mehrere Zeitungen werden in diesen Wochen eingestellt, und Sie bringen jetzt ausgerechnet ein gedrucktes Magazin auf den Markt. Geht's noch?
Stark: Unser Heft war nicht als "Print lebt noch"-Signal gedacht. Dass die erste Ausgabe jetzt in diese Krisenphase fällt, ist reiner Zufall. Wir glauben, dass gerade junge Leute, die den ganzen Tag im Internet rumhängen, sich etwas wünschen, was sie in die Hand nehmen und herumliegen lassen können. Und sie wollen in Ruhe lesen, ohne dass parallel ein Facebook-Chatfenster oder eine neue E-Mail blinkt.
SPIEGEL ONLINE: Ihr Heft sieht aus wie das noch schrumpelige Baby von Mama "Neon" und Papa "Zeit-Magazin". Haben Sie Vorbilder?
Stark: Tatsächlich haben wir uns am "Zeit-Magazin" orientiert, über die "Dummy" haben wir auch viel gesprochen. Und über "Tempo", dieses Magazin, das ich selbst noch nie gelesen habe. Und "Neon", tja, da sind wir gespalten, meistens ist die Stimmung: Okay, die haben manchmal ganz gute Reportagen, aber eigentlich sind die doof. Bei denen geht es ständig um glückliche junge Menschen, wie in der Werbung werden da Wunschbilder und Jugendklischees erzeugt. Vielleicht wälze ich mich auch einmal fröhlich auf einer Wiese, aber das ist nicht mein zentraler Lebensinhalt.
SPIEGEL ONLINE: Ihre Themen spiegeln die Lebenswelten von Außenseitern: ein Flüchtling aus Ghana, HIV, junge Strafgefangene und Polyamorie. Das ist doch auch abgekoppelt von dem Alltag der Masse.
Stark: Interessant, so habe ich das noch nie gehört. Es gibt auf jeden Fall ziemlich viele junge Leute, die nicht damit zufrieden sind, was in Deutschland und anderen Teilen der Welt politisch und gesellschaftlich abläuft. Und wir haben als Nach-Mauerfall-Kinder meistens mit Anfang zwanzig schon mehr von der Welt gesehen als unsere Eltern.
SPIEGEL ONLINE: Haben Sie eine politische Ausrichtung?
Stark: Auch wenn wir etwas linkskritisch wirken und ein paar von uns eher grün oder SPD-nah sind, soll "Tonic" eine Austauschplattform für alle Lager sein. Bei uns kann auch gern mal ein Burschenschafter seine Meinung veröffentlichen.
SPIEGEL ONLINE: Was macht "Tonic" besser als die anderen?
Stark: Unser großer Vorteil gegenüber "Neon", "Jetzt" und "Spiesser" ist unsere komplett andere Struktur: Nur etwa die Hälfte von uns will Fotograf oder Redakteur werden, wir stecken also nicht so tief in diesem Journalistenmilieu und den ständigen Hypes drin. Und wir selbst sind unsere Zielgruppe: junge Menschen zwischen 16 und 25, die beruflich und privat auf der Suche sind. Und wir werden bestimmt keinen 50-jährigen Soziologen zum Thema Liebe befragen, ich will von so jemandem einfach nicht beraten werden.
SPIEGEL ONLINE: Sie haben keine einzige Werbung im Heft und produzieren Low-Budget. Ohne Auflagen- und Anzeigenzwänge sagen sich solche Sätze leicht...
Stark: Mag sein. Aber das ist nun mal unsere Idee: Wir sind 32 junge Leute, die alle ehrenamtlich und von zu Hause aus dieses Heft machen. Entstanden ist die Idee vor zwei Jahren nach dem SPIEGEL-Schülerzeitungswettbewerb. Keiner von uns verdient damit Geld. Gerade haben wir die 3000 Exemplare unserer ersten Auflage selbst mit dem Auto von Schleswig-Holstein nach Berlin gefahren. Ich persönlich habe ungefähr 500 Euro in das Projekt reingesteckt, das kriegen wir über die Verkäufe über unsere Website aber wieder raus.
SPIEGEL ONLINE: Sind Sie sicher? In dem Heft ist keine einzige Anzeige, und der Leser kann den Preis selbst bestimmen - zwischen einem und fünf Euro hätten Sie gern. Bisschen naiv, oder?
Stark: Wir haben über diesen Idealismus heftig diskutiert. Einerseits finden wir, dass unser Heft mindestens zehn Euro wert ist, andererseits gibt es Leute, die wirklich nicht viel Geld haben. Und wissen Sie was?
SPIEGEL ONLINE: Was?
Stark: Bei den Vorbestellungen zahlen die Leute im Durchschnitt 5,47 Euro. Obwohl es alles anonym ist, scheint unser Konzept also zu funktionieren.