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Neues Professoren-Profil Mehr Lehre, weniger Forschung

Der Wissenschaftsrat bricht mit dem gusseisernen Ideal der "Einheit von Forschung und Lehre": Ein neuer Professorentyp soll hauptsächlich lehren. Damit könnten "Lehrknechte" um ihre Chancen betrogen werden, weil für die Uni-Karriere allein die Forschung zählt.

Für das deutsche Hochschulsystem gibt es in den nächsten Jahren einige Umwälzungen: Zum einen rollt durch geburtenstarke Jahrgänge eine Studentenwelle auf die Hochschulen zu, so jedenfalls prognostizieren es die Kultusminister. Schon heute kommen bis zu 200 Studenten auf einen Prof, und bald wird es noch enger in den Hörsälen. Zum anderen sorgt die Umstellung auf Bachelor und Master für Tausende von Prüfungen, die bisher nicht abgenommen werden mussten. Dennoch soll auch die Qualität der Lehre verbessert werden - schließlich ist die deutsche Hochschulmisere vor allem eine Misere der Lehre. Nur kosten darf das alles nichts, denn Bund und Länder lassen zwar Milliarden auf die Forschung regnen, wollen für die Lehre aber möglichst wenig ausgeben.

Der Wissenschaftsrat, wichtigstes Beratungsgremium der Bundes- und Länderregierungen in der Hochschulpolitik, schlägt nun ein neues Berufsbild vor, das mit dem Humboldtschen Traditionsideal der Einheit von Lehre und Forschung bricht: Künftig soll es Professoren mit dem Schwerpunkt Lehre geben, die mindestens zwölf Semesterwochenstunden lehren, so die Empfehlungen des Rates zur "Reform der Personalstruktur an Hochschulen".

Damit soll ein ganz neuer Typus von Professoren in die deutschen Hochschulen einziehen. Acht bis neun Stunden Lehre pro Woche, den Rest der Arbeitszeit für Forschung und akademische Selbstverwaltung - diese Aufteilung galt bislang für alle Professoren an deutschen Universitäten (an den Fachhochschulen ist das Lehrdeputat doppelt so hoch). Jedenfalls theoretisch. In der Praxis fanden Professoren mit hartnäckiger Lehr-Allergie stets allerhand Tricks, ihre Verpflichtungen zu reduzieren oder zu delegieren. Die Krux: Überzeugende Vorlesungen, mitreißende Seminare und ständige Gesprächsbereitschaft freuen zwar die Studenten. Aber der akademischen Karriere hilft Lehr-Engagement kaum. Stattdessen zählen fast ausschließlich vorzeigbare Ergebnisse in der Forschung, lange Publikationslisten, Verankerung in der Gelehrtengemeinde, Präsenz bei Kongressen.

Umstrittenes Konzept

Dafür sollen die neuen Lehr-Professoren nur noch wenig Zeit haben und fortan doppelt so viel unterrichten wie forschen: 60 Prozent Lehre, 30 Prozent Forschung, 10 Prozent Gremienarbeit, so der Plan des Wissenschaftsrates. Damit sie sich trotzdem nicht als Professoren zweiter Klasse fühlen, sollen sie gleich bezahlt werden wie ihre Kollegen mit nur acht Stunden Lehrverpflichtung. Formal würden also alle Professoren der gleichen Statusgruppe der Professoren angehören - ob alle das gleiche für die akademische Karriere so ungemein wichtige Prestige genießen, ist eine ganz andere Frage.

In den Empfehlungen windet der Wissenschaftsrat sich sehr, um den Eindruck zu vermeiden, dass Lehr-Professoren nur Professoren zweiter oder dritter Güte werden sollen. Er hat in den letzten Jahren und Jahrzehnten aber wenig unternommen, um die Lehre aufzuwerten. Nun sucht der Wissenschaftsrat einen Mittelweg. Die Empfehlung war lange umstritten und bedeutet eine Absage an Bundesbildungsministerin Annette Schavan, die mit befristet beschäftigtem und mäßig bezahltem Lehr-Personal unterhalb des Professoren-Status ("Lecturer") die zu erwartende Studentenschwemme der nächsten Jahren auffangen will. Damit hatten auch die Hochschulrektorenkonferenz und einige Bundesländer geliebäugelt; die ersten derartigen Stellen mit einer Lehrverpflichtung von 12 bis 18 Stunden wurden bereits ausgeschrieben.

Mittelfristig soll jeder fünfte Professor in der Hauptsache Lehrer sein und vor allem in den chronisch überlasteten Geisteswissenschaften und der Lehrerausbildung eingesetzt werden. In boshafter Zuspitzung schrieb die "FAZ" von "Lehrsklaven, die nur noch aus der Konserve unterrichten und sich angesichts der schon im Anstelllungsvertrag dokumentierten Verachtung ihrer Position bei nächster Gelegenheit aus dem Staub machen".

Bestens ausgebildete Hilfsprofessoren, die für die mit reichlich Lametta behängte Forschungsexzellenzen die lästige Lehrarbeit aus dem Weg räumen und dafür mit null Karriereaussicht belohnt werden - ist das der künftige Weg? Mit dem neuen Professoren-Typ werde kein "Lehrknecht" geschaffen, widerspricht der Wissenschaftsrats-Vorsitzende Peter Strohschneider. Der Wissenschaftler bleibe trotz seiner höheren Lehrverpflichtung eingebunden in das Forschungsnetz seiner Hochschule. Die Lehre spiele bei der Reputation eines Professors leider eine zu geringe Rolle, so Strohschneider. "Gute Lehre kann man aber lernen. Sie fällt nicht als Gnadengabe vom Himmel."

Junior-Professuren mit Schwerpunkt Lehre

Einfach die Lehrverpflichtung aller Professoren zu Lasten der Forschung zu erhöhen, hatte der Wissenschaftsrat entschieden abgelehnt. Ein möglicher Zugang zur Lehr-Professur solle die Lehr-Juniorprofessur sein, empfiehlt der Wissenschaftsrats. Und könnte damit zur weiteren Degradierung der Juniorprofessor beitragen, die ohnehin einen schweren Stand gegen die klassische Habilitation hat.

Dieses Problem sieht auch der Deutsche Hochschulverband (DHV), beschreibt die neue Lehr-Professur als insgesamt abwegige Idee und will an der Einheit von Forschung und Lehre festhalten. "Nur eine Lehre, die sich ständig aus der Forschung erneuert, ist eine universitäre Lehre", betonte DHV-Präsident Bernhard Kempen. Der Vorschlag des Wissenschaftsrates aber führe zu einer weiteren Abwertung der Lehre. "Weniger Lehre für die besten Forscher ist richtig, viel Lehre für einige Hochschullehrer ist falsch", erklärte Kempen.

Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sieht das Konzept kritisch und warnt vor einer "Mogelpackung". Es sei zwar richtig, den Stellenwert der Lehre erhöhen zu wollen, doch Hochschullehrer sollten nicht in eine Nische abgeschoben werden. "Nicht nur 20 von 100, sondern alle Profs müssen sowohl im Labor als auch im Hörsaal fit sein – sonst entlässt man die Mehrheit der Professoren aus ihrer Lehrverantwortung", sagte der GEW-Vorsitzende Ulrich Thöne.

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